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FC Bayern München


Gründer: Tobi | Mitglieder: 965 | Beiträge: 253
29.02.2012 um 15:30 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-Gesichter (XIII)


Lothar Matthäus

Hätte man mich Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre nach meinem Fußball-Idol gefragt, so hätte ich nicht lange überlegen müssen. Ohne großes Zögern hätte ich ein tief überzeugtes „Lothar Matthäus" von mir gegeben – und wäre auf diese Antwort womöglich auch ziemlich stolz gewesen. Für einen zehnjährigen Knirps ist es doch eher unbedeutend, was sein Lieblingsspieler denn so treibt, wenn er ausnahmsweise einmal nicht auf dem Platz steht.

Heute würde es mir ungleich schwerer fallen, mich zu meiner Bewunderung für den Loddar zu bekennen. Weshalb, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen. Der Rekordnationalspieler hat sich mit seinen Darbietungen abseits des Spielfeldes um all das gebracht, was er während seiner mehr als 20 Jahre währenden Karriere an Anerkennung und Respekt verdient hat. Seine abenteuerliches Englisch bot genauso wie sein – sagen wir – bemerkenswerter Umgang mit der Damenwelt hinreichend Angriffsfläche für Hohn, Spott und zuweilen gar Verachtung. Lothar Matthäus ist – machen wir uns nichts vor – noch immer irgendwie Kind geblieben und deshalb womöglich auch nicht geeignet für ein bedeutendes Traineramt.

Ich müsste lügen, würde ich behaupten, mir täte all das nicht auch ein bisschen leid. Mein Lothar, so jedenfalls habe ich in meiner kindlichen Naivität einst bezeichnet, ist heutzutage ein Spottobjekt des Boulevards, den man im Sport kaum mehr wirklich ernstnehmen mag. Dies ist umso bedauerlicher, als er fachlich durchaus etwas auf dem Kasten haben dürfte. Ein Jammer ist es aber, weil er auf dem Spielfeld ein echtes Genie war, der die Fußballwelt zum Staunen brachte.

Gewiss, Lothar Matthäus war kein maradonnesker Fallzauberer, wenn er auch mit Kugel durchaus gepflegt umzugehen wusste. Nein, die Stärken des Herzogenaurachers lagen in der Dynamik und der Kraft, die sein Spiel ausstrahlten, die gepaart mit einer gewissen Eleganz einen der wohl besten deutschen Fußballer aller Zeiten auszeichneten.

Genau diese Dynamik war es denn auch, die mich damals so stark faszinierte und zu einem der größten Loddar-Fans dieses Landes machte. Dabei will ich gar nicht erst versuchen, das Matthäus-Flair mit halbgaren Attributen zu umschreiben. Ich verweise einfach auf sein Tor zum 3:1 aus dem Spiel gegen Jugoslawien bei der WM 1990. Ein Treffer, der sinnbildlich für Matthäus‘ Qualitäten stand und für das irgendwann einmal in der Begriff „unnachahmlich" in den deutschen Wortschatz Eingang fand.



Doch natürlich waren es nicht alleine die spielerischen Qualitäten, die mich an Matthäus faszinierten. Meine Begeisterung für den FCB bedingte es, dass nur ein Bayern-Akteur mein Fußballherz erobern konnte. Dabei kickte Loddar zunächst einmal gar nicht so lange für die Münchener – jedenfalls wenn man berücksichtigt, dass ich mich erst 1987 so richtig für Fußball zu interessieren begann. Ein Jahr später bereits verließ Matthäus, der 1984 von Mönchengladbach nach München gewechselt war, die Bayern Richtung Mailand. Doch das eine Jahr, in dem ich Matthäus im Bayern-Trikot sah, genügte, um mich zu seinem Fan, zu seinem Bewunderer werden zu lassen.

Seinen Wechsel nach Italien nahm ich ihm nicht übel. Im Gegenteil, entwickelte ich doch jetzt eine gewisse Sympathie für Inter Mailand, wo neben Matthäus mit Klinsmann und Brehme ja noch zwei weitere Deutsche spielten. Und außerdem gab es ja noch die Nationalmannschaft, in der er das Spiel als Dreh- und Angelpunkt dirigierte.

Nach gut vier Jahren kehrte Matthäus dann schließlich nach München zurück. Eine schwere Verletzung ließ die Milanesen daran zweifeln, dass der damals 31jährige Deutsche noch einmal zur alten Form würde zurückfinden können. Uli Hoeneß sah dies anders und gab Matthäus eine zweite Chance. Zunächst sah dabei vieles danach aus, als sollte sich die Einschätzung der Inter-Verantwortlichen als richtig erweisen. Nur selten konnte Matthäus in den ersten Spielen überzeugen und wirkte dabei wie ein Schatten seiner selbst. Erst im Auswärtsspiel bei Bayer Leverkusen am 24. November 1992 war der alte Matthäus wieder zu erkennen. Mit einem fulminanten Volleytreffer, der später auch zum Tor des Jahres gewählt wurde, meldete er sich zurück und zeigte, wozu er noch imstande war.

In der Folge fand Matthäus immer besser zu seiner Form und entdeckte in der darauffolgenden Saison seine Traumposition: Loddar, der Libero, war geboren. Mit gutem Stellungsspiel und Überblick wusste er das Bayern-Spiel aus der Tiefe heraus zu lenken und avancierte auch bei seinem zweiten Engagement beim FC Bayern zu einer echten Führungspersönlichkeit – auf dem Feld.

Neben dem Platz gehörte Überblick nicht zu seinen Stärken (ein gutes Stellungsspiel in gewisser Hinsicht schon). Zahlreiche Eskapaden ließen sowohl die öffentliche Wertschätzung als auch das Standing innerhalb der Mannschaft immer weiter herabsinken. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Veröffentlichung seines gleichsam peinlichen wie unverschämten Tagebuchs, das Matthäus auch den Kapitänsposten beim FCB kosten sollte.

Bis zum März 2000 schließlich spielte Matthäus beim FC Bayern, um im hohen Alter von 38 Jahren zu den Metro Stars nach New York zu wechseln. Sein letztes Spiel für die Münchener bestritt er – zwei Wochen vor seinem 39. Geburtstag – beim Gastspiel in Stuttgart. Die Bayern verloren mit 0:2.

Matthäus gelang das Kunststück, in drei verschiedenen Jahrzehnten in der Bundesliga Tore zu erzielen. Dabei schoss er in jeder seiner 17 Bundesliga-Saisons mindestens einen Treffer. Er ist der einzige Fußballer der Welt, der an fünf WM-Endrunden teilnahm (1982 – 1998).

Und so liest sich auch seine Bilanz wahrhaft beeindruckend:
464 BL-Spiele (121 Tore), 115 Partien in der Serie A (40 Tore), mit 150 Spielen Deutschlands Rekordnationalspieler, 1 mal Weltmeister, 1 mal Europameister, 2 mal UEFA-Cup-Sieger, 6 Deutsche Meisterschaften, 2 mal Sieger im DFB-Pokal, 1 mal Italienischer Meister. Fehlt natürlich ein Titel, der im Mai 1999 jedoch bekanntlich zum Greifen nahe war. Aber das ist natürlich eine andere Geschichte. Das Amt des Greenkeepers beim FC Bayern dürfte ihm zudem Zeit Lebens verwehrt bleiben. Seine größten Erfolge als Trainer indes entstammen seiner Zeit bei Borussia Banana.

Bleibt das bittersüße Fazit: Lothar Matthäus war ein ganz Großer – mit Betonung auf „war". Ein Jammer, dass er seine Qualitäten nicht in die Nach-Profi-Zeit hat hinüberretten konnte. Und dennoch, wenn ich ganz ehrlich bin, ist und bleibt der Loddar mein Idol. Irgendwie. Und irgendwie auch nicht.


Der Loddar - Erfolgscoach von Borussia Banana
Aufrufe: 9319 | Kommentare: 20 | Bewertungen: 23 | Erstellt:29.02.2012
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KOMMENTARE
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Matthi10
01.03.2012 | 09:04 Uhr
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Matthi10 : @Voegi
01.03.2012 | 09:04 Uhr
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Matthi10 : @Voegi
Bravo Voegi... Dieser Text spiegelt nahezu eins zu eins meine Meinung wieder. Ich könnte es lediglich nicht so gut schreiben

Manchmal erwische ich mich sogar dabei, wie ich mit anderen über ihn lache und schäme mich hinterher ein bisschen. Klingt vielleicht komisch, aber ich hoffe Du weißt, was ich meine...
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Gnanag
29.02.2012 | 19:34 Uhr
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Gnanag : 
29.02.2012 | 19:34 Uhr
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Gnanag : 
Sehr schöner Blog, der meinen Empfindungen in Richtung Lothar Matthäus entspricht.

Ich habe ihn geliebt und verehrt als Fußballer, was menschlich aus ihm geworden ist, ist ein Trauerspiel.
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Schnumbi
29.02.2012 | 18:25 Uhr
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Schnumbi : 
29.02.2012 | 18:25 Uhr
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Schnumbi : 
@ voegi: der tipp war gratis

danke werde ich gleich mal in angriff nehmen
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Voegi
MODERATOR
29.02.2012 | 18:05 Uhr
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Voegi : 
29.02.2012 | 18:05 Uhr
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Voegi : 
@ schumbi

tja, wie kam ich nur darauf?!
klar, kannste verlinken.
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Schnumbi
29.02.2012 | 17:33 Uhr
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Schnumbi : 
29.02.2012 | 17:33 Uhr
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Schnumbi : 
genau aus den gleichen Gründen habe ich auch heute noch sympathien für inter mailand, musst allerdings letztes jahr live das aus mit ansehen.

Ich persönlich denke einfach, dass geltungsbedürfnis des lothars ist einfach zu große. 20 jahre rampenlicht und dann von heute auf morgen vorbei.

würde ihn wünschen das er zurück in die spur findet und eine echte chance bekommt mal ein nationales team zu betreuen.

super voegi danke !
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xredfredx
29.02.2012 | 17:24 Uhr
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xredfredx : 
29.02.2012 | 17:24 Uhr
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xredfredx : 
schönes ding!

klingt, als hättest du es aus meiner sichtweise erzählt. kann jeden einzelnen satz zu 100% unterschreiben!
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Schnumbi
29.02.2012 | 17:22 Uhr
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Schnumbi : 
29.02.2012 | 17:22 Uhr
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Schnumbi : 
@ voegi: bevor ich lese, wie kommst du gerade auf Lothar

darf ich den verlinken in der hall of fame ???
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DerUli
29.02.2012 | 17:16 Uhr
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DerUli : 
29.02.2012 | 17:16 Uhr
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DerUli : 
Peinlich, peinlich...
Sorry Voegi, jetzt war ich so auf Loddar dass ich ganz vergessen hab was zu deinem Blog zu schreiben. Ja, was soll ich sagen - wie immer top. Solltest Geld mit deiner Schreibe verdienen wenn dus nicht ohnehin schon machst.
Immerwieder schön deine Blogs zu lesen.
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fcbm007
MODERATOR
29.02.2012 | 16:59 Uhr
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fcbm007 : 
29.02.2012 | 16:59 Uhr
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fcbm007 : 
Danke Voegi für diesen Blog!

Der Loddar hatte auf dem Platz echt was drauf und neben dem Platz bestimmt auch. Nur das negative neben dem Platz hätte er sich sparen können und er hätte mMn heutzutage bestimmt einen Trainerposten in der BuLi inne.

Aber diese Chance hat er sich leider selber, mit seinen Eskapaten verbaut!Und dies wohl für immer!

Eigentlich schade...
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DerUli
29.02.2012 | 16:59 Uhr
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DerUli : 
29.02.2012 | 16:59 Uhr
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DerUli : 
Ich vergöttere den Fussballer Lothar Matthäus. Als Spieler. Auf dem Platz. Er hat alles, wirklich alles erreicht und das immer als absoluter Führungsspieler; jetzt kommt nicht mit dem Elfer im Finale. Zu seinen besten Zeiten hatte er ein unglaubliches Gesamtpaket an Qualitäten. Leider habe ich an diese Zeit, da ich noch recht jung war nur noch verschwommene Erinnerungen. Aber eines weiß ich: wär er 99 nicht in der 81. vom Platz gegangen wär der Pott unser.
Über den Mensch Lothar Matthäus brauchen wir nicht zu reden.
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