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Blogpokal 2012/13


Gründer: Rodnox | Mitglieder: 55 | Beiträge: 9
Von: gerosimo
22.04.2013 | 4778 Aufrufe | 29 Kommentare | 4 Bewertungen Ø 10.0
Ein Blogpokal-Beitrag namens
_Ecki_
oder: Wie Frau Gertner ihrem Patienten half ...
"Nun, sagen Sie mal, warum sind Sie hier?", fragt Sabine Gertner ihren neuen Patienten. "Sie wurden mir empfohlen.", lautet die kurze Antwort. "Das freut mich zu hören - aber warum benötigten Sie eine derartige Empfehlung?", hakt Frau Gertner nach. "Nun, ich fühlte mich so leer ... so ausgehöhlt ... so ... ach, ich finde nicht die richtigen Worte. Und mein Kumpel berichtete davon, dass Sie ihm zu neuer Form und Stabilität verholfen haben."

"Geht es Ihnen denn jetzt im Augenblick einigermaßen gut?" - "Ja, jetzt grad geht es. Ich befinde mich ja auch nun in keiner Drucksituation. Also nicht im eigentlichen Sinne." - "Das ist eine gute Basis. Dann legen Sie sich doch mal bitte hier auf die Couch und entspannen so gut wie Sie können. Ich werde die ganze Zeit in Ihrer unmittelbaren Nähe sein. Wie darf ich Sie ansprechen?" - "Nennen Sie mich bitte Ecki. Alle nennen mich Ecki." - "Sehr gerne. Also, Ecki, nehmen Sie Platz und machen Sie es sich bequem."

Während Ecki sich auf die Couch legt, setzt sich Sabine Gertner an das Kopfende in den Sessel. "Machen Sie sich keine Sorgen. Wie Sie schon dem Informationspapier entnommen haben, bleibt alles, was wir hier besprechen, komplett unter uns beiden. Als Psychologin unterliege ich schließlich der Schweigepflicht. Mein einziges Ansinnen in unseren Gesprächen wird sein Ihnen zu helfen.", eröffnet sie das Gespräch. "Sie sagten eben, dass Sie sich - Ihre Wortwahl war - 'leer fühlten'. Gab es Zeiten, in denen Ihre Stimmung besser oder schlechter war, Ecki?"

"Ja, natürlich. Früher war ich geradezu glücklich mit dem, was ich tat. Ich habe ja auch meinen Beruf danach gewählt. Angefangen hat das alles damit, dass die Kinder auf dem Bolzplatz auf ein Tor gekickt haben. Das habe ich immer gerne gesehen. Wenn da ein Ball die Torlinie überrollte, dann wurde gezählt. Drei Ecken, ein Elfer. So hieß das dann. Das wird sogar heute noch so gespielt. Einfach toll und so ungezwungen. Da wollte ich unbedingt mitmachen. Und so war ich dann jeden Samstag und Sonntag auf dem Platz. Von der F-Jugend bis zur A-Jugend. Auch bei den Erwachsenen durfte ich mitmachen. Keine weiteren Verpflichtungen. Meistens waren die Ergebnisse dann so deutlich, dass es überhaupt nichts zu diskutieren gab. Von meiner Position aus hatte ich einen perfekten Blick auf das Geschehen, einfach ganz nah am Platz. Irgendwie mittendrin statt nur dabei. Verstehen Sie?"

"Das verstehe ich sehr wohl. Das klingt ja nach einer eher glücklichen Kindheit und Jugendzeit. Würden Sie das so bestätigen?"

"Oh ja. Das stimmt. Ach, mein Großvater hat damals immer von seiner aktiven Zeit geschwärmt. Wenn er zu erzählen begann, dann sprach er immer wieder von der WM '66. Dass er alles ganz genau gesehen habe. Im Finale. Dass er genau wusste, dass der Ball nie und nimmer drin gewesen sei. Aber ihn hatte ja keiner gefragt. Der Schiedsrichter entschied auf Tor. Wenig später war England Weltmeister. Während das keiner so richtig fassen konnte und jahrzehntelang ein Mythos entstand, brachte ihn die Situation auf die Idee, dass es in meiner Generation wohl so weit sein würde. Dass wir wichtiger würden. Dass wir ernst genommen würden. Dass wir darüber entscheiden würden, ob es ein Tor wäre oder nicht. Genau das war seine Vision! Und dieser Vision folgte ich. Das trieb mich Woche für Woche an besser zu werden - und ich wurde belohnt. Noch nicht einmal erwachsen stand ich bereits auf dem großen Feld im Stadion, vor oftmals mehr als tausend Zuschauern. Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was da für eine Energie vorherrscht und wie sehr die Fans uns anfeuerten."

"Alles, was Sie sagen, klingt toll. Geradezu euphorisch. Für mein Empfinden sind für Sie Hobby und Beruf quasi identisch. Wie haben Sie diese Energie verloren?"

"Lassen Sie mich etwas weiter ausholen. Ich arbeitete wirklich hart und gab alles, um zu den Besten zu gehören. Das brachte mit sich, dass ich meinen Platz in den großen Arenen fand. Ob ein reines Fussballstadion oder ein Sportpark mit Tartanbahn - überall war ich direkt im Geschehen. Etwa alle zehn Minuten habe ich das Spiel entscheidend beeinflusst. Und das, obwohl ich nun wirklich nicht gerne im Mittelpunkt stehe. In allen Statistiken fand ich meinen Platz, in den Zeitungen wurde davon berichtet. Sollte mein Großvater etwa tatsächlich Recht behalten? Nein, leider nicht. Immer öfter wurde ich bösen Fouls ausgesetzt. Vorsätzlich mit den Stollen voran wurde ich getreten. Wirklich brutal! Nicht ein einziges Mal blieb ich liegen. Jedes Mal bin ich wieder aufgestanden. Jedes Mal! Und hat es mir einer gedankt? Nein. Keiner. Obwohl - ganz stimmt das nicht. Der Oliver Kahn. Der war anders. Der mochte mich. 2001 rannte der nach dem letzten Spiel auf mich zu und herzte mich. Er wusste genau, dass ich ihm und seinen Bayern die Meisterschaft gesichert hatte. Ich glaube, dass er mich am liebsten vom Fleck weg geheiratet hätte. Mich, mitsamt meinen Kanten. Aber ich stand nicht so auf Homoerotik. Das habe ich ihm gesagt und daraufhin gingen wir dann auch getrennte Wege. Trotzdem war das ein großer Moment. Also, wenn ich auf Männer stehen würde, dann auf den Oliver - ganz sicher!"

"In Ihren Erinnerungen wirken Sie sehr fokussiert. Woraus resultiert dann Ihre aktuelle Abgeschlagenheit?"

"Pardon! Dazu wollte ich ja eigentlich grad kommen. Aber die Erinnerungen. Wissen Sie! Die Erinnerungen. Bevor ich abdrifte - es war irgendwann im Jahre 2009, als die UEFA diese dämliche Entscheidung traf und mir meinen Traum zerstörte. Den Traum, den schon mein Großvater hatte. Den Traum, dass ich all meine Qualitäten zeigen könnte. Da kamen diese Deppen doch auf die bescheurte Idee Torrichter einzusetzen. Solche schwarzen Lackaffen, die nicht annähernd so genau hinschauten wie ich das schon immer jeden Spieltag tue. Von meiner Position aus sehe ich doch ganz genau, ob der Ball die Linie überschritten hat und im Tor ist oder eben nicht. Niemand hat da einen besseren Blick. Niemand! Aber nein! Die stellen dafür extra weitere schwarze Pfeifen ein, die nur noch mehr Fehlentscheidungen treffen. Das wäre mir nie passiert. Jede einzelne Situation habe ich genau erlebt. Die Torlinie und ich - wir sind ja quasi eins! Das ist unfair! Gemein! Habe ich nicht in allen Situationen mein Bestes gegeben? War ich nicht immer fehlerfrei? Habe ich mir irgendetwas zu Schulden kommen lassen? Die Welt ist einfach nicht gerecht zu mir!"

"Ecki, nun beruhigen Sie sich erst einmal. Es gibt keinen Grund dafür, dass Sie sich selbst Vorwürfe machen. Niemand kann behaupten, dass Sie ein Fähnlein im Wind seien. Im Gegenteil: Sie geben Ihrer Welt Grenzen und eröffnen bei all Ihrer Beweglichkeit immer wieder neue Züge. Jeder nimmt Sie wahr und erkennt Ihre Aufgaben an. Außerdem: Nur weil dort aktuell schwarze Männer Ihren weiteren Weg versperren, muss das noch lange nicht heißen, dass Ihre Zukunft schwarz sein muss."

"Sie könnten damit richtig liegen. Schwarz ist ja auch gar nicht so meine Farbe. Ich bin ja eher der Typ für die leuchtenden, grellen Farben wie Neon-Gelb, Orange oder auch Rot. Neuerdings gibt es auch so schicke zweifarbig-karierte Oberteile. Wenn ich mir das so weiter überlege, dann hält die Zukunft ja vielleicht doch noch viel Positives für mich bereit. Vielleicht kann ich ja sogar bald als Lichtsäule das Flutlicht ersetzen. Das wäre ja noch etwas! Ach, Frau Gertner, Sie haben mir sehr geholfen. Vielen, vielen Dank!"
KOMMENTARE
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gerosimo
25.04.2013 | 18:27 Uhr
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gerosimo : 
25.04.2013 | 18:27 Uhr
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gerosimo : 
@Königsklasse:
Ecki's Verwandte können übrigens auch ganz schön böse werden - das sieht dann so aus: Zorniges Familienmitglied
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Königsklasse
25.04.2013 | 17:58 Uhr
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25.04.2013 | 17:58 Uhr
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So, ich lasse meine Stimme auch noch schnell hier. Schön geschrieben, schöne Idee, schönes Wetter.

Ach ja, ich musste bei einem Fussballspiel mal miterleben, wie ein Bruder von Ecki so boshaft getreten wurde, dass er daran zerbrach. Aber immerhin gab es dafür einen Platzverweis für den Übeltäter. Absolut zurecht!
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gerosimo
25.04.2013 | 15:32 Uhr
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gerosimo : 
25.04.2013 | 15:32 Uhr
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gerosimo : 
Vielen Dank für Eure Stimmen.

@midget:
Ich kann mitreisend sein? So "Fahr-mal-auswärts-mäßig" mitreisend? Zumeist fahre ich selbst und dann weit ... und dann kommen einem halt wonderfoole Ideen ...

@Büchsenmacher:
So ein entspanntes Nachmittagsschläfchen auf der Couch könnte ich mir schon vorstellen. Auch für eine Hängematte wäre ich zu haben. Vielleicht magst Du mir der Gelegenheit auch noch kurz ein Gläschen Schickeria-Schampus und ein paar Kräcker bringen? Merci ...
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Büchsenmacher
25.04.2013 | 15:21 Uhr
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25.04.2013 | 15:21 Uhr
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langsam glaube ich das Du selber auf die Couch gehörst !!

aber egal meine Stimme bleibt hier!
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midget
25.04.2013 | 15:01 Uhr
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midget : 
25.04.2013 | 15:01 Uhr
0
midget : 
auch wenn man wieder vetternwirtdings und so mir vorwirft!
aber das hier ist große kunst.
gefällt mir um längen besser als der gegenblog.
auch wenns kein sinn ergibt, gerosimo kann mitreißend sein ;)
wonderfull kurzweilig!
thx!
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Voegi
MODERATOR
25.04.2013 | 14:58 Uhr
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Voegi : 
25.04.2013 | 14:58 Uhr
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Voegi : 
fix noch mein voting.
das hier ist diesmal mein klarer sieger. sehr kreativ und witzig geschrieben.
gefällt mir.
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BEATspoxer
25.04.2013 | 13:48 Uhr
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BEATspoxer : 
25.04.2013 | 13:48 Uhr
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BEATspoxer : 
Da gibt es keine zwei Meinungen. Meine Stimme bleibt hier. :)
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gerosimo
24.04.2013 | 15:59 Uhr
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gerosimo : 
24.04.2013 | 15:59 Uhr
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gerosimo : 
@ausLE:
Gelbli ist so ziemlich der Einzige, mit dem keiner High-Five macht ... und ... Rötli ... na ja ... der hat die Arschkarte gezogen ... aber das ist ein anderes Thema ...

@Emma2012:
OK.

Für alle Bayern- und/oder Oliver-Kahn-Fans, die mir ihre Stimme noch nicht gegeben haben, sei an dieser Stelle gesagt, dass es sich bei "Banane" natürlich um einen Verweis auf die Bananenflanke handelt, die man vorzugsweise vom Eckpunkt aus schießt ... und für alle Bayern- und/oder Oliver-Kahn-Fans ist damit dieser Kommentar zu Ende ...

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Wie, Du liest immer noch?

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OK, dann bist Du also weder Bayern- noch Oliver-Kahn-Fan?

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Ehrlich?

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Gut. Wikipedia sagt dazu: "Während seiner Vereinskarriere wurde Kahn des Öfteren von gegnerischen Fans mit Bananen beworfen, um ihn wegen seiner angeblichen Ähnlichkeit mit einem Gorilla zu verspotten."
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Emma2012
24.04.2013 | 14:58 Uhr
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Emma2012 : 
24.04.2013 | 14:58 Uhr
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Emma2012 : 
ausLE+gerosimo:
Ich war ja schon stolz, dass ich fast alle Anspielungen verstanden habe (bis auf eine).
Aber Banane???

Wer erklärt's?
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ausLE
MODERATOR
24.04.2013 | 14:08 Uhr
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ausLE : 
24.04.2013 | 14:08 Uhr
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ausLE : 
@gero: Konnte ich mir denken. Aber seit Franziska und Constanze frage ich lieber noch einmal nach

Alternative für 11 Punkti wäre auch das schweizerische Bärchen Gelbli und Rötli

Ach ja, jetzt erst sehe ich unten im Blog den Tag Banane
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