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FC Bayern München


Gründer: Tobi | Mitglieder: 965 | Beiträge: 253
12.12.2012 um 21:19 Uhr
Geschrieben von Stadtneurotiker
Zweite Reihe: Jean-Pierre Papin
Ein französischer Superstar, der in München kein savoir vivre genießen konnte

Im Sommer 1994, der FC Bayern München hatte nach vier titellosen Jahren endlich wieder die Meisterschaft an die Säbener Straße geholt, und Franz Beckenbauer zur Feier des Tages vom vollen Weißbierglas die Torwand getroffen, beschloss die sportliche Führung, nach vielen gescheiterten Anläufen auch in Europa wieder eine große Nummer zu werden. Der FC Hollywood war man schon, was aber nicht an zahlreichen Kassenschlagern in vollen Stadien, sondern an mitteilungsfreudigen Stars lag.
Mit einer offensiven Transferpolitik sollte die noch junge Champions League erobert werden.


Der erste ausländische Superstar

Nach klangvollen Granaten wie Waldemar Aureliano de Oliveira Filho, besser bekannt als Mazinho, Adolfo Valencia, Alan McInally und Radmilo Mihajlovic, die sich sehr bald als Rohrkrepierer entpuppten, wurde es Zeit, einen richtigen Kracher zu verpflichten. Südlich des Brenners wurden die Verantwortlichen tatsächlich fündig.
Für 5,5 Millionen DM wurde Jean-Pierre Papin vom AC Mailand verpflichtet. Als amtierender Gewinner der Champions League kam er mit den entsprechenden Erwartungen nach München. Waren die zuvor verpflichteten Stürmer allenfalls in der Bundesliga oder nur Insidern bekannt, versprach der Franzose für die nächsten Jahre Ruhm und Glanz.

Papins Stern ging 1985 beim FC Brügge auf, wo er mit seinen Toren maßgeblichen Anteil am Gewinn des belgischen Pokals hatte. Zurück in Frankreich wurde er bei Olympique Marseille fünfmal hintereinander Torschützenkönig. Seine 30 Tore in der Saison 1989/90 sind bis heute Rekord in der Ligue 1. Er wurde seinem Motto "Ein Recht auf ein Tor" [1] mehr als gerecht. Der Verein gewann mit ihm zwischen 1989 und 1992 vier Meisterschaften. Seinen größten persönlichen Erfolg durfte er 1991 feiern, als er zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde. Eine Auszeichnung, die vor ihm nur Michel Paltini und später Zinedine Zidane zuteil wurde. Er zog 1992 weiter zum AC Mailand, mit der zweimal italiensicher Meister und - wie schon erwähnt - Europapokalsieger wurde.

Mehr Superstar ging also nicht!


Von JiPéPé zu Schapapapa

(Foto: getty)

Aber es kam bekanntlich anders. In der Euphorie vergaß man nämlich, daß sich der erste Franzose in den Reihen des FC Bayern mit 31 Jahren nicht mehr im Zenit seines Könnens befand. Der in Frankreich als JiPéPé verehrte Stürmer kämpfte nicht nur mit seinem Alter, sondern auch mit vielen Zipperlein. Franz Beckenbauer, bekanntlich mit vielen Fähigkeiten gesegnet, vermochte es nicht, ihn gesund zu reden, obwohl er sich redlich bemühte: "Der Schapapapa ist ein begnadeter Fußballer." Die erste Saison endete für ihn schon nach der Hinrunde ernüchternd: In gerade mal sieben Bundesligaspielen gelang ihm ein Tor (gegen Schalke 04 am 13. Spieltag [2]). Die Rückrunde erlebte er hauptsächlich aus dem heimatlichen Frankreich, wo er sich behandeln ließ. Für die Equipe Tricolore wurde er fortan nicht mehr nominiert. Lediglich in der Champions League blitzte Papins Können einmal auf. Gegen Dynamo Kiew erwischte er einen Galaabend, als beim 4:1 zweimal vorlegte und zweimal traf. [3]
Zur neuen Spielzeit löste Otto Rehhagel nach einem ernüchternden 6. Platz Giovanni Trapattoni als Trainer ab, der einige Neuverpflichtungen für die großen Ziele zur Seite gestellt bekam. Unter anderem Jürgen Klinsmann, der ihm alsbald den Rang ablief. Otto fand JPP nicht so gut, der sich auch bald über mangelnde Wertschätzung beklagte. "Isch will weg" wurde zu seinem bekanntesten Satz, obwohl nicht verbürgt ist, daß er das wirklich so gesagt hat. Wohl fühlte sich der in der Vorrunde wieder verletzte Spieler sicher nicht. Der Sprache nicht mächtig und vom Trainer, der seinen Verkauf forderte, verschmäht blieb er ein Fremdkörper in einem Starensemble, das vor allem viel mit sich beschäftigt war.


Une papinade und der UEFA-Cup

Dennoch hat Jean-Pierre Papin nicht nur als eines der teuersten Missverständnisse seinen Platz in der Bundesligageschichte. Am 3. Spieltag der Saison 1995/96 schoss er gegen den KFC Uerdingen eines seiner spektakulären Tore, die ihm zur WM 1998 einen Eintrag in einem Sprachführer, einbrachten: une papinade. [4]



Dieser Seitfallzieher wurde erst zum Tor des Monats August, später zum Tor des Jahres 1995 gewählt - ein wenig Balsam für seine geschundene Seele.
Es wird auch gerne übersehen, daß er Bestandteil der Mannschaft war, die 1996 mit dem Gewinn des UEFA-Pokals nach 20 Jahren wieder ein Ausrufezeichen in Europa setzte. Das Rückspiel war eines der wenigen, in dem er zur Starelf gehörte.

Als Jean-Pierre Papin nach Frankreich zurückkehrte, konnte er trotz dieser für ihn sicher nicht schönen Zeit in München auf gewonnene Titel in vier Ländern zurückblicken. Seine Karriere als Aktiver beendete er 2006 im Alter von 42 Jahren. 2009 spielte er noch dreimal für den unterklassigen AS Facture Biganos Boïen und schoss drei Tore. [5]

Nach diesen zwei Jahren, die ein einziges Missverständnis in 27 Bundesligaspielen und 3 Toren waren, sprach nichts dafür, daß jemals noch ein französischer Fußballspieler freiwillig den Weg Richtung Isar einschlagen würde. Doch es kam, wie wir wissen, anders.


Quellen:
[1] Cafe Babel
[2] Fussballdaten.de
[3] Bundesligalegende.de
[4] Berliner Zeitung
[5] Wikipedia
Aufrufe: 20837 | Kommentare: 12 | Bewertungen: 18 | Erstellt:12.12.2012
ø 7.8
KOMMENTARE
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Matthi10
13.12.2012 | 09:08 Uhr
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Matthi10 : 
13.12.2012 | 09:08 Uhr
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Matthi10 : 
Bravo...
ganz ganz schwer romantisch diese Rückblicke...
Ich war 11 jahre alt und kann mich trotzdem noch sehr sehr gut an die Zeit erinnern...

Irgendwie muss ich immer an den Kaiser mit seinr getünten Brille denken

Allein die Namen Mihajlovic, Macinally, Mazinho, Valencia und Papin in einer Zeile zu lesen, treibt mir die Tränen in die Augen...

Und da beschweren sich doch glatt welche über unsere heutigen Stümer ))))))))
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Schnumbi
12.12.2012 | 22:12 Uhr
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-1
Schnumbi : 
12.12.2012 | 22:12 Uhr
-1
Schnumbi : 
ja ja der jean pierre. seine zeit beim fcb war wirklich nicht seine beste.

trotzdem war es ein geiler kicker.

danke für den rückblick
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