Es ist Sonntagabend, ich mache mich (mal wieder) auf den Weg ins Stadion. In mein zweites Zuhause, sozusagen. Ich fühle mich dort nicht wirklich wohl, mir ist inzwischen alles eine Nummer zu groß, aber ich habe es mir ja selbst ausgesucht. Im Stadion angekommen stehen sie, die Jungs mit denen ich Heimspiel für Heimspiel, gerne und oft auch auswärts, das Team anfeuere. Wir sind eine kleine, aber eingeschworene Gruppe von Fans und Sympathisanten. Wir fahren weit für den Verein, übernehmen Ehrenämter und helfen, wo wir nur können. Das Geld ist knapp, weshalb wir den Block nach dem Spiel auch schon mal selbst saubermachen.

Ich bin heute zarte 20 Jahre alt. Seitdem ich denken kann bin ich Fan des Eishockeysports, habe als Kind immer vor dem TV und im Radio verfolgt, wie sich meine Mannschaft schlägt. Später dann auch im Stadion, als mein Vater mich mal mitgenommen hat. Da ich in Nürnberg wohne, war sofort klar: der EHC 80, die Ice Tigers, das ist mein Club. Damit kann ich mich identifizieren. Am Sonntagabend im Januar 2011 stehe ich wieder in der ARENA Nürnberger Versicherung und schaue mir das Spiel meines Vereins an. Jetzt merken die ersten eishockeykundigen Leser: moment, Sonntagabend? Da haben die Ice Tigers doch in Krefeld gespielt? Ganz genau. Ich stehe im Block bei der 1. Mannschaft des EHC 80 Nürnberg, Landesliga Nord/Ost. 5.Liga. Freiwillig. Auf dem Eis treffen wir auf Gegner wie Moosburg, Waldkirchen oder, wie an diesem Sonntagabend, Gebensbach.

Die ARENA ist leer. 80 Zuschauer, davon 3 aus Gebensbach, haben sich an diesem Abend verirrt, es würden knapp 8400 Zuschauer reinpassen. Gebensbach kämpft gegen den Abstieg, der EHC 80 möchte aufsteigen, wenn auch nicht zwingend diese Saison. Nach früher 2:0-Führung erzielt Gebensbach den Anschlußtreffer, ehe die "Achz'ger" loslegen. Das Spiel endet 19:3 für Nürnberg, in der Höhe noch glimpflich für die Gäste. Ich komme ins Grübeln: warum tue ich mir das an? Bin ich nicht ganz klar in der Birne?

Vermutlich ist es das, ich kann es nicht richtig beurteilen. Wie die Ice Tigers gespielt haben? Ich weiß es der Höflichkeit halber, der Großteil unserer Gruppe ist weiterhin Fan der Ice Tigers. Ich persönlich kann mich mit diesem Club nicht mehr identifizieren, es ist zu viel vorgefallen, ich habe zu viel erfahren. Ein weiterer Grund, warum ich dem Stammverein, dem EHC 80 Nürnberg, die Treue geschworen habe. Für Unwissende: die Ice Tigers wurden 1995 als GmbH aus dem EHC 80 Nürnberg ausgegliedert. Der EHC 80 fungiert seitdem Jahr für Jahr als Nachwuchs- und Stammverein. Naja, fast. Dazu kommen wir aber später nochmal.

Ich würde euch gerne die Geschichte nahebringen, weshalb ich an diesem Sonntagabend nicht vor dem Radio saß um die Ice Tigers mitzuverfolgen, sondern warum ich mir freiwillig dieses Gestochere in der 5. Liga ansehe.

Ich möchte die Geschichte gerne im Jahre 2004 beginnen. Das war das erste Jahr, in dem ich ohne Begleitung meines Vaters (der sowieso mehr auf Fußball steht) zu den Ice Tigers ging. Ich habe einige Kumpels angestiftet, mal mitzukommen, und wir hatten unseren Spaß. Sportlich war die Saison (bis zu den Playoffs) auch relativ erfolgreich. Ich war auf Fanparties, habe jedes Spiel im Radio/TV mitverfolgt und war bei so gut wie jedem Heimspiel. Soweit das mein Taschengeld eben zugelassen hat. Nach dem Playoff-Aus im Viertelfinale war zwar erstmal 2 Wochen Trauer angesagt, aber die nächste Saison folgte ja schon gleich. Ich war stolzer Fan eines, für Außenstehende, solide geführten Clubs. Im selben Jahr besuchte ich mein erstes EHC-Spiel. Ebenfalls Landesliga, in der Aufstiegsrunde ging es gegen den EC Ulm/Neu-Ulm. Das Spiel war spannend, vom Niveau her nicht so gut wie die DEL, aber es war sehr viel Leidenschaft dabei. Ich bemerkte sofort die Gruppe von Fans, die ganz vorne stand. Nette, junge Leute, die laut sangen und Fahnen schwenkten. Ich fand's ganz cool und kannte einen von ihnen, der mich dann etwas an die Gruppe heranführte. Es waren die Red Blue Supporters '01, kurz RBS, ein ultra-orientierter Fanclub der Ice Tigers, der auch zu den Spielen des Stammvereins zahlreich erschien. Ich war zugegeben beeindruckt. Der EHC 80 verlor das Spiel übrigens mit 2:3 und verpasste den Aufstieg.

Um das Ganze "lesbarer" zu machen, werde ich es in mehrere Teile splitten.

Hier geht es zu Teil 2: Nichts ist wie es mal war ...