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18.03.2010 um 14:25 Uhr
Zeitreise - Garrincha
Wir schreiben den Sommer 1962, die Beatles haben gerade ihre erste Single aufgenommen, in Afrika werden immer mehr Länder unabhängig, die Rolling Stones werden gegründet und auf Kuba bauen sowjetische Soldaten Stellung für atomare Mittelstreckenraketen. Es wird ein heißer Herbst werden. Aber im Moment blickt die (Fußball)Welt auf ein kleines Land auf der Westseite der Anden.



Es ist ein Turnier der Stars: Ferenc Puskás, Alfredo Di Stéfano, Pele, Lew Jaschin und ein Mann mit dem Namen Manoel Francisco dos Santos. Während sich Puskás und Di Stefano früh mit Spanien aus dem Turnier verabschieden, Pele sich in der Vorrunde verletzt und das gesamte Turnier ausfällt, Deutschland mit Trainer Sepp Herberger im Viertelfinale ausscheidet, avancieren Jaschin und Manoel Francisco dos Santos, kurz Garrincha, zu den herausragenden Persönlichkeiten des Turniers.

Jaschin scheidet zwar mit der Sowjet Union im Viertelfinale gegen den Gastgeber Chile aus, gilt aber spätestens seit diesem Turnier als der Torhüter seiner Generation. Garrincha dagegen wird bereits zum zweiten Mal in seinem Leben Weltmeister.

"Die Freude des Volkes" – Garrincha



Garrincha wird am 28.Oktober 1933 in Pau Grande bei Rio de Janeiro geboren. Der Junge, genannt Mané, ist zierlich, seine Beine sind verschieden lang und sein Rückgrat ist deformiert. Er gilt nicht als besonders schlau, er wirkt naiv und ist faul, die Schule bricht und arbeitet in einer Konservenfabrik. Aber er hat Talent, Talent für den Fußball. So beginnt seine Karriere in der Werksmannschaft seiner Fabrik und bald sorgt er dafür, dass die Scouts aus der nahen Metropole in Scharen nach Pau Grande pilgern. Bei einem Freundschafts-Testspiel von Botafogo, einem der vier großen Vereine in Rio, sorgt er zum ersten Mal für nationales Aufsehen, als er die brasilianische Abwehrlegende Nilton Santos mehrmals tunnelt und ihn fast schwindelig spielt. In derselben Nacht noch unterzeichnete er seinen ersten Profivertrag. Beruf: Fußballer. Berufung: Flügelgott. Motivation: Freude. Ein Hattrick gegen Bonsucesso, sein Einstandsgeschenk. Zwölf Jahre, 581 Spiele und 232 Tore lang wird diese wechselhafte Beziehung zu Botafogo halten.

Mit seinen Auftritten spielt er sich in die brasilianische Nationalmannschaft, 1958 wird er zusammen mit Pele den europäischen Fußball in Schweden demütigen und den Weltmeistertitel, längst überfällig, nach Brasilien holen. Mit Garrincha und Pele gelten die Brasilianer als unschlagbar – und es stimmt stehen beide auf dem Platz verliert Brasilien keines dieser 57 Spiele. Sie zelebrieren Fußball als Kunstwerk: "Futebol Arte" hatte in ihnen seine zwei größten Söhne. Mit ihnen wird Brasilien 1962 wieder Weltmeister und Garrincha wird Torschützenkönig. Es ist sein Höhepunkt.



Sein Abstieg beginnt auf Raten, denn so virtuos sein Spiel ist, so virtuos ist auch sein Privatleben. Er pendelt zwischen seiner Ehefrau Nair Marques und Affären mit Showgirls, Gastspielen in Europa und Alkoholexzessen.
Sein letztes wirklich großes Spiel im schwarz-weißen Botafogo-Dress absolvierte er im Dezember 1962 gegen den Stadtrivalen Flamengo. "Alegria do Povo" - "Die Freude des Volkes" erfreute noch einmal knapp 150.000 im Maracanã-Stadion und Botafogo entscheidet die Carioca-Meisterschaft für sich. Nach unglücklichen Vertrags- und Gehaltsverhandlungen, akuten Knieproblemen und weiteren Alimentsansprüchen von zahlreichen Affären häufen sich Konflikte mit der Vorstandsetage von Botafogo. Auch weil der Erfolg sich nun in Grenzen hält.

Aus der Affäre mit der Samba-Sängerin Elza Soares wurde seine große Liebe. Ehebruch, Samba, Sex, Alkohol und Fußball. Rios Boulevardmedien hatten ihre große Zeit. Garrincha ist angekommen im gesellschaftlichen Abseits.

Abgründe bilden scheinbar die Basis jeder Legendenbildung. George Best, Diego Maradona, Éric Cantona und Paul Gascoigne wurden die herausragendsten Vertreter der kommenden Jahrzehnte. Pelé und Franz Beckenbauer, beide waren sie wohl zu brav, zu eindimensional, eventuell zu intelligent, um in diese fragwürdige Liga aufzusteigen.

Anfang 30, eigentlich im besten Fußballalter, war für Garrincha bereits im biografischen und vor allem physiologischen Spätherbst seines Lebens angekommen. Die Weltmeisterschaft 1966 eine nationale Katastrophe. Pelé verletzt! Ende in der Vorrunde gegen Ungarn! England Weltmeister! Seine Gastspiele in São Paulo bei Corinthians, Atlético Junior, Flamengo und Olaria sind eine Mischung aus letzter Hoffnung, Tragik und Geldnot.

Aber einmal wird seine Name im noch im Maracanã erklingen, ein letztes Mal wird er im Maracanã, seinem Wohnzimmer zaubern – es ist der Dezember 1973. Sein Abschiedsspiel gegen eine Weltauswahl. 131.000 im Stadion und Millionen in ganz Brasilien verneigten sich ein letztes Mal vor dem zweifachen Weltmeister.

Einsam, nur mit einer kleinen Pension ausgestattet, gelegentlichen Gastspielen an der Grenze zur Freakshow, verbrachte er seine letzten Jahre. Die meisten meinten es gut mit ihm, doch er soff sich weiter zu Tode. Am 20.â009Januar 1983, im Alter von 49, starb Mané Garrincha an einer Leberzirrhose.
Er hinterließ mindestens vierzehn Kinder. Zahlreiche Tricks wurden nach ihm benannt – die Freude bekam einen Namen. Seinen.

Wer mehr wissen möchte, sollte diesen Link anklicken, er leitet zum Film
Garrincha - A Sad Story Of Some Happiness:
Der erste Teil des Garrincha Filmes!
Aufrufe: 5911 | Kommentare: 17 | Bewertungen: 20 | Erstellt:18.03.2010
ø 8.9
KOMMENTARE
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Jasper32
18.03.2010 | 14:36 Uhr
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Jasper32 : 
18.03.2010 | 14:36 Uhr
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Jasper32 : 
Leider nur 2.

http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/Der-Engel-mit-den-krummen-Beinen,33792.html

Trotzdem hübsch.
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CriftlerSpox
18.03.2010 | 14:40 Uhr
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18.03.2010 | 14:40 Uhr
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Gut hätte ich gewusst, das der liebe Garrincha hier schon verewigt wurde, hätte ich mir jemand anderen vorgenommen
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fcbm007
MODERATOR
18.03.2010 | 14:41 Uhr
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fcbm007 : 
18.03.2010 | 14:41 Uhr
-1
fcbm007 : 
Was ???

so einen Blog gab es schonmal ???

SKANDAL^^

fande ihn aber trotzdem interessant und es gibt 10 Punkte
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Jasper32
18.03.2010 | 14:43 Uhr
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Jasper32 : 
18.03.2010 | 14:43 Uhr
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Jasper32 : 
Doppelt hält besser.
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CriftlerSpox
18.03.2010 | 14:45 Uhr
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18.03.2010 | 14:45 Uhr
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Jasper, ich hoffe es gab Matthias Sindelar noch nicht, sonst muss ich mir noch einen anderen suchen
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duderino11
18.03.2010 | 14:45 Uhr
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duderino11 : 
18.03.2010 | 14:45 Uhr
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duderino11 : 
schöner blog 10 punkte
wir schweizer halten zusammen
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CriftlerSpox
18.03.2010 | 14:49 Uhr
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18.03.2010 | 14:49 Uhr
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Duderino, wäre ja auch schlimm wenn nicht
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m4ep89
18.03.2010 | 14:56 Uhr
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m4ep89 : 10 Punkte!!
18.03.2010 | 14:56 Uhr
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m4ep89 : 10 Punkte!!
Guter Blog....
Sehr interessant.... ich z.B. kannte ihn nicht!!
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Bullitt
18.03.2010 | 16:19 Uhr
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Bullitt : 
18.03.2010 | 16:19 Uhr
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Bullitt : 
Weltklasse Blog! Von der Einleitung bis zum Schlusssatz schön geschrieben und vor Allem sehr interessant. Denke das wie bei Epidemkas Blog über Jaschin viele diesen Namen zum ersten mal hören und dank deiner Arbeit einbisschen ihren Horizont erweitern konnten. Für mich ist das der Sinn eines Blogs und du hast einen Volltreffer gelandet! 10 Punkte und ich hoffe es folgen noch mehr Zeitreisen
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Romni
18.03.2010 | 16:30 Uhr
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Romni : 
18.03.2010 | 16:30 Uhr
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Romni : 
Hm, habe ja auch Thogs Blog zu Garrincha gelesen und muss sagen, das dieser mir mehr gegeben hat. Aber das ist rein subjektiv natürlich.

Du hast wirklich ein klasse Blog geschrieben aber er ist mir zu wenig emotional, mir fehlt die Freude eines Garrincha - vielleicht sogar Garrincha selber. Auch die Tragik fehlt mir - mag da auch zu befangen sein

Jedenfalls für alle, die sich mit Garrincha mehr auseinandersetzen wollen - kann ich nur dieses Buch empfehlen - Estrela solitaria. Um brasileiro chamado -Garrincha - ist halt auf portugiesisch....
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