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12.11.2009 um 09:04 Uhr
You'll never walk alone
Die Fußballwelt trauert. Robert Enke hat sich entschieden, nicht mehr weiterleben zu wollen. Er, einer unserer Nationaltorhüter, im In- und Ausland beliebt, von ehemaligen Mitspielern und Funktionären seiner Vereine geschätzt. Die Fußballwelt, Deutschland, Hannover nimmt Abschied.

You'll never walk alone - Du gehst niemals allein

Auch ich trauere. Ich kannte Robert Enke nicht persönlich. Er war kein Freund, kein Bekannter. Aber er gehörte dazu, zur Fußballgemeinschaft aus Funktionären, Spielern und Fans. Er hat vor zwei Wochen, beim Spiel des 1. FC Köln gegen Hannover 96, keine 20 Meter Luftlinie vor mir gestanden, zwischen den beiden Pfosten, die ihm wohl so viel bedeuteten. Ich trauere nicht wie Oliver Bierhoff, der sich in einer überwältigenden Pressekonferenz nicht vor seiner Trauer verstecken konnte und von Tränen überwältigt wurde. Nicht wie Dr. Zwanziger, der väterlich den Arm von Oliver Bierhoff ergriff, selbst fassungslos über das geschehene. Ich trauere wie die Fans weltweit, vor allem die Fans von Hannover 96, die Trauern, weil ein sympathischer Sportler, soetwas wie ein moderner Held, gestorben ist.

You'll never walk alone - Du gehst niemals allein

Je mehr Stunden verstreichen, desto lauter hallt eine Frage durch die Welt: warum?
Robert Enke war, seit Jahren, immer unterschiedlich stark ausgeprägt, depressiv. Sein Tod ist der traurige Tiefpunkt in einer lange verschwiegenen Geschichte des Sports, in der auch Sven Hannawald und Sebastian Deisler eine Hauptrolle spielen.
Teresa Enke sagte in der Pressekonferenz, dass ihr Mann Angst hatte. Vor den Reaktionen der Fans, der Funktionäre, aber auch des Jugendamtes, die ihm seine kleine Tochter wegnehmen könnten.

Depression ist eines der Tabuthemen im Fußball, aber auch im Sport generell. Krankheiten, die man äußerlich nicht sehen kann, sind Menschen suspekt. Zu leicht ist der Ruf da, man solle sich nicht so anstellen. Weichei ist noch das harmloseste Wort in den Foren und Stadien dieser Welt. Auch die Fans "meines" Clubs, des Arsenal FC, und die Fans des Clubs meiner Heimatstadt, des 1. FC Köln, sind keine Ausnahme hiervon. Ich mache mich selbst nicht frei von diesen Reaktionen. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein, denn jeder hat wohl schon einmal im Eifer eines Sportereignisses etwas geschrieen, das er später bereut hat. Zumindest, wenn man noch einmal darüber nachdenkt.
Meistens fehlt diese Reflektion eigenen Handelns und der gemeine Fan (also jeder) macht sich keine Gedanken darüber, wie eine aus der Emotion geborene Beleidigung beim Empfänger ankommen könnte. Die Wenigsten machen sich gedanken, ob der Empfänger diese Äußerungen seelisch verkraftet. Es wird Vorausgesetzt, schließlich "verdienen die Millionen".

Ich kann es nicht verstehen, ich kann mich nicht in die Situation hereinfühlen. Aber es ist nachvollziehbar, warum Robert Enke schwieg. Die jüngsten Reaktionen auf Sebastian Deisler, der vor wenigen Wochen bei Stern TV ein Interview gegeben hatte, zeigen das wieder.

Die tiefsten Abgründe der Sportwelt führten, in Kombination mit der schweren Krankheit, zur Selbsttötung Robert Enkes. Wir alle, die Fans, als Teil der Fußballwelt, müssen unseren Teil dazu beitragen, dass soetwas nie wieder passiert. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir es verhindern können, dass ein junger Mann, der eine kleine Tochter und eine wunderschöne Frau hinterlässt, keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich vor einen Zug zu stellen und sein Leben zu beenden.
Wenn die Trauer verflogen ist, müssen wir handeln.

You'll never walk alone - Du gehst niemals allein
Aufrufe: 3601 | Kommentare: 15 | Bewertungen: 14 | Erstellt:12.11.2009
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KOMMENTARE
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donluka
13.11.2009 | 09:01 Uhr
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donluka : 
13.11.2009 | 09:01 Uhr
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donluka : 
@Zyrock: Ein kleiner Schritt ist getan. Ich finde die Dynamik, die diese Tragödie ausgelöst hat, im positiven Sinn atemberaubend. Zumindest so lange, wie sie dazu führt, dass Menschen nachdenken. Wenn sie allerdings zu einer Ikonisierung und medialen Aufgeilung (Aufbarung des Sargs?) führt, wird es in meinen Augen kritisch. Dennoch ist es an der Zeit, dieses Problem endlich zu thematisieren.

Und daher
@Pulga: Sicher gibt es Millionen weitere Personen, denen ähnliches widerfährt. Allerdings berührt dieses "Ereignis" aufgrund der Prominenz der handelnden Person besonders viele Menschen. Und warum sollte man dann diese Aufmerksamkeit nicht wie Zyrock nutzen, um einen generellen Gedankengang über unseren Umgang mit kranken Menschen zu initiieren? Es geht nicht darum, ob wir Enke krank gemacht haben oder ob er sich an die Öffentlichkeit hätte wenden können, sondern darum, warum er vor diesem Schritt zurückgeschreckt ist. Ich habe hier mal einen Blog zum Thema Deisler geschrieben und da habe ich (es war in diesem Fall Gott sei Dank die absolute Minderheit bei den Reaktionen, dennoch) gesehen, wie schwierig es immer noch teilweise ist, Menschen die Tragik dieser Krankheit begreifbar zu machen.
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Realmadrio
13.11.2009 | 09:29 Uhr
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Realmadrio : 
13.11.2009 | 09:29 Uhr
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Realmadrio : 
" Ich finde die Dynamik, die diese Tragödie ausgelöst hat, im positiven Sinn atemberaubend."
_____________
Die eine Woche wo die Medien nichts besseres zu berichten haben kannst du atemberaubend finden wie du willst. Spätestens in einem Monat wird alles seinen geregelten Gang gehen...
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gartenzwerg
13.11.2009 | 09:51 Uhr
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13.11.2009 | 09:51 Uhr
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Was erwartest Du Realmadrio?
Sollte diese Tragödie bewirken, dass einem einzigen an Deprssionen leidenden Menschen offener begegnet wird, ist das doch schon positiv.
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donluka
13.11.2009 | 10:23 Uhr
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donluka : 
13.11.2009 | 10:23 Uhr
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donluka : 
Ich sehe es wie Gartenzwerg. Außerdem meine ich weniger die mediale Berichterstattung (die ich ja im letzten Kommentar mit "medialer Aufgeilung" kritisiert hatte) als die zwischenmenschlichen Prozesse, die sich in Gang gesetzt haben. Dass sich 35.000 Menschen zusammenfinden, finde ich toll. Und wenn es von diesen 35.000 acht Leute gibt, die sich künftig einen Gedanken über diese Krankheit mehr als vorher machen, ist das schon ein Erfolg.
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Sahas
13.11.2009 | 15:20 Uhr
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Sahas : Fang bei dir selbst an
13.11.2009 | 15:20 Uhr
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Sahas : Fang bei dir selbst an
Gutes Blog!
"Wir alle, die Fans, als Teil der Fußballwelt, müssen unseren Teil dazu beitragen, dass soetwas nie wieder passiert." - und das geht am einfachsten, indem jeder bei sich selbst anfängt. Wieso sollten wir nicht einfach mal diese Sportler, die da auf dem Platz stehen und "Millionen in den Hintern geblasen bekommen", auch wie Menschen behandeln, nämlich mit Respekt. Die Fankultur würde enorm davon profitieren, aber bei einer solch emotionalen Sache wie dem Fantum ist es wohl schon wieder zu viel verlangt. Wenigstens könnte man von den Fans erwarten, dass sie ihre eigene Mannschaft mit Respekt behandelt. Einige Hertha-Fans z.B. scheinen diesen einfachen Grundsatz vergessen zu haben und wünschen ihren eigenen Idolen im Falle des Abstiegs den Tod. Wo führt eine solche Fankultur hin? Im tragischsten Fall führt sie tatsächlich zum Tod.

Ich hoffe, dass Zwanziger seiner Ankündigung auch Taten folgen lässt und das Tabu-Thema Depression endlich richtig angegangen wird.
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