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19.05.2013 | 3368 Aufrufe | 2 Kommentare | 4 Bewertungen Ø 5.3
12.05. - 19.05.
WochenENDE #3
Hort zum Sonntag

13.05.

Langstreckenläufer: Die Formel 1 sollte sich ein Beispiel am SC Freiburg nehmen. Während der Automobilrennsport seine Begriffsdefiniton überdenkt und denjenigen zum Gewinner kürt, der am Schnellsten langsam fährt, steht im Breisgau der krasse Kontrast auf der Streich-liste: Das Reservelager. Man spart sich achtundsechzig Spielerwechsel pro Wettkampftag, läuft aber dennoch auf Hochtouren und im flottem Galopp dem Zielstrich entgegen. Der Unterschied von jungen, unverbrauchten Pirelli-Rennreifen zu jungen, unverbrauchten Freiburger Fußballern liegt im Detail. Es sind die Verschleißerscheinungen. Da macht der SC seine Meter. Sie rennen und rennen und rennen und sitzen Schalk(e) im Nacken. Zuletzt sorgte die Kondition von Baumann sogar für den siegreichen Schlussspurt. Und das ohne Zahnpasta.

Anbei die wichtigsten Sportereignisse vom Wochenende: Wigan Athletic schlägt Mancheser Shitty im FA-Cup-Finale. Mark van Bommel beendet repräsentativ sene Karriere. Erzgebirge Aue unterliegt dem FC Ingolstadt mit 0:1. Arminia Bielefeld steigt in die zweite Bundesliga auf. 1899 Hoffenheim hat ein Fußballspiel bestritten.



14.05.

Redebedarf: Der Pele-Ziehsohn ist bei Bayern im Gespräch. Pele Wollitz bei Osnabrück nicht mehr. Und Abedi Pele? Auch Bayern? Doch Sechzig? Osnabrück? Santos? Hm.



15.05.

Ein bisschen Nostalgie in diesen gehetzten Zeiten: Heute vor drei Jahren schlossen Kevin-Prince Boateng und Michael Ballack ihren Bund fürs Leben. Wer erinnert sich nicht an die Nachwehen der anschließenden Partynacht? Der verkaterte Capitano musste monatelang regenerieren. Christlich konservativ ist anders.

Apropos Kirch(en)-Krise: Am Abend treffen Benfica Lissabon und der FC Chelsea aufeinander - doch die Fernsehgemeinde verfährt strikt nach Bremer Beispiel: Was kümmert es den Eichin, wenn sich ein Scha(a)f dran reibt? Soll heißen: Das Endspiel der Euro League genießt bei der TV-relevanten Zielgruppe in etwa die Anziehungskraft von sonntäglichen Gebetsbänken. Dabei ist die Bibel allgegenwärtig. Lissabon wird von Jesus trainiert, Chelsea weiß Moses in seinen Reihen. Hoffenheims Abraham, Kaiserslauterns Abel und natürlich Loddar Matthäus machen sich bereits Hoffnungen auf einen Einsatz. Beistand von ganz oben hätten die Finalteilnehmer jedenfalls bitter nötig. Benfica wartet seit 51 Jahren auf einen internationalen Titel, Chelsea wird permanent auf dem Beichtstuhl vorstellig. Was haben die Londoner bloß verbrochen? Ihren letzten europäischen Cup gewannen sie im Jahre 2012 nach Christus.



16.05.

Chelsea schwimmt. Der Kontrahent in den roten Trikots ist die überlegene Mannschaft, hat klare Feldvorteile, erspielt sich Chancen zuhauf. Torwart Cech und besonders des Gegners Unvermögen lassen die Londoner am Leben, doch im Grunde kann es nur eine Frage von Minuten sein, bis der auf dem Rücken zappelnde Käfer vom Dämonen dieser Finalnacht verschlungen wird. Aber je mehr Zeit verstreicht, desto fieser verfestigen sich ominöse Ahnungen darüber, dass dieser Kampf kein gerechtes Ende findet. Die Frage von Minuten ist obsolet. An diesem Abend ziehen sich Minuten in die Länge. Es wirkt wie ein Vorbereitungsmarathon über eineinhalb Stunden, doch irgendwie krabbelt der Käfer wieder aus dem eigentlich versponnenen Netz. Er tut das in einer Art, die Ästheten zusammenzucken lässt. Kurz vor Ultimo ist alles offen, und Chelsea geht in die Offensive. Das ist nicht oft passiert im Gefecht zuvor. Die Ecke segelt in den Strafraum, Boateng schläft, Drogba köpft, und... Moment, falsch. Nochmal: Die Ecke segelt in den Strafraum, Ivanovic löst sich, Ivanovic köpft, und... Tor. 2:1. Chelsea ist Europapokalsieger.

Und in meinem Kehlkopf bildet sich ein übler Brechreiz.



17.05.

Langsam neigt sich mein Taschentuchvorrat dem Ende zu: Die Melancholie nimmt Überhand. Ein Ende jagt das nächste. In Eindhoven grätschte sich Mark van Bommel per Ampelkarte von der Hauptstraße auf den Parkplatz. Ohne Rückwärtsgang. In Paris posierte David Beckham letztmalig seine Unterwäsche auf dem grünen Rasen. Nebenbei schlug er zwei, drei Flanken. Gestern lächelte er sich in den ewigen Abschiedsstrudel. Und die Dramaturgie wollte es so, dass die heimtückische Welle fast zeitgleich über die (Ebbe) Sandsäcke trat. Christoph Metzelder, die Artikulation mit Stollenschuhen, hört auf. Sky Sport News HD berichtet seither in ergreifender Dauerschleife. Einschalten lohnt sich!

Nationalspieler Großkreutz: Bundes-Jogi Löw hat seine Kader-Kriterien gelockert. Einen Null-Tore-Stürmer wie Kießling sucht man zwar auch beim existentiell bedeutsamen USA-Tripp vergebens, aber bleiben wir bei der Wahrheit: Der im saisonalen Formtief steckende Angreifer hatte seine Teilnahme aus eigenen Stücken abgesagt. Er, Kießling, wolle dem Erfolg der Mannschaft nicht durch chronische Abschlussschwächen im Weg stehen. So rührte Löw in seiner Verzweiflung eine mutige Mischung an, die sich in drei Gruppen gliedert: Alteingesessene Veteranen wie Kruse, Sam und Wollscheid, dazu etablierte Säulen wie Beck, Aogo und Hunt, außerdem ein paar unerfahrene Greenhorns wie Klose, Podolski und Mertesacker - zum Reinschnuppern. Zurück im elitären Zirkel ist Kevin Großkreutz von Borussia Dortmund. "Nationalspieler Großkreutz" - das klingt wie der Eurovision Song Contest: Man muss gleichzeitig lachen und weinen.


19.05.
Der BVB wollte wieder Malaga, doch (Eis-)Dealer Drees spendierte diesmal nur Sauerkirsch: Schmeckte bitter. Fehlt nur noch, dass sie in einer Woche English Breakfast fordern. Kevin Großkreutz hat bereits demütig seinen Verzicht erklärt. Überhaupt wird der verkappte Rastelli immer mehr zur prägenden Figur dieser Tage. Seine Mannschaftskameraden beharren darauf, dass er sich noch Intellekt aneignet, und drückten ihm ein Buch in die Hand - den international nicht gefragten Roman "Weidenfeller".

Wie oft hat Hoffenheim gehofft, die Hoffnung nicht aufgeben zu müssen? Offenbar einmal zu selten. Nach dem 2:1 bei Aufbaugegner Dortmund graust es der Liga. Die TSG kann den Retortenschädel tatsächlich aus der Traditionsschlinge ziehen. Dabei hatte der Unterbau schon wunderbar auf Durchzug gestellt. Ein Empfangskomitee war ebenfalls nicht vorgesehen. Kurzum: Die Reinkarnation Hoppenheims war eingeleitet. Doch dann erkannte Jogi Löw seinen Torhüter-Notstand. Zwei Schüsse, beide drin. Trotz Nati-Nominierung. Großkreutz: Ultra schwache Leistung.

In Düsseldorf konnten sie sich endlich ihre lokalspezifischen Vorteile zu nütze machen: Zurück aus Hannover, feierte die Mannschaft ihre Cascada-ähnliche Punkteausbeute in geeigneter Örtlichkeit: Hoch die Tassen, Fortuna sei mit euch, lautete das abendliche Motto an der längsten Theke der Welt. Der Klub muss runter - die Apfelschorle auch. Allein Norbert Meier becherte in Maßen. Der Trainer pflaumte sich gefrustet auf den Bar-Hocker, beugte sich nach vorn und verpasste dem Tresen eine Kopfnuss. Und noch eine. Das unbeugsame Ding hielt Stand, dafür katapultierte sich Meier theatralisch in die Horizontale, wies hinterher aber jegliche Schuld von sich. Absteiger in der Absteige.

Schalke null vier strandete mit null Zutun als Vierter: Irgendwie hatte es sich abgezeichnet. Freiburg war so frei, artig Spalier zu stehen und sich den Ball zum 1:2 selber ins Netz zu hauen. Gastfreundschaft nennt man das. Hat man sich in Hamburg abgeschaut. Da wurde die höfliche Herangehensweise perfektioniert. Leverkusen dankte es mit Kies und Kanone.

Jupp Heynckes schluchzte: Die Stimme stockte, dann vergoss der Trainer Tränen. Was die wenigsten wissen: Das ausgebüchste Fohlen weinte nicht wegen der Heimkehr in den Stall. Vielmehr schmerzte es Heynckes, seine Abschiedssaison unvollkommen beendet zu haben. Weder erreichte Bayern 100 Tore, noch 102 von 102 möglichen Punkten. Karge 98 Hütten, schlanke 91 Zähler widersprechen dem Münchner Selbstverständnis, und Heynckes merkte, dass er nicht fähig sein würde, die Luft nach oben in verschließbare Vakuumbehälter abzufüllen. Noch dazu flatterten seit August wöchentliche Mahnungen in sein facebook-Konto. Es ist Zeit zu gehen, findet Matthias Sammer. By the way: Franck Ribéry wird nächsten Samstag verhindert sein. Der Zirkus Sarrasani engagierte ihn als Kunstturner. Star in der Manege ist Franz Beckenbauer.

Und Werder Bremen? Dort registrierte das geschulte Auge einen fortgesetzten Trend. 90 Minuten Fußball gespielt und nicht gewonnen. Das Team ist noch immer vom Mantra des ottokratischen Erben vereinnahmt. 14 Jahre Einsilbigkeit färbten beim 2:3 in Nürnberg unerwartet deftig auf die Spieler ab, auch wenn die sprudelnde Quelle kürzlich versiegte. Ver-sieg-te, oh weh. Die Erinnerungen an gloriose Tage verblassen unter dem Deckmantel des Aufdrucks von 2013. Die Konturen sind unschaaf geworden. Bremen braucht die Sommermonate dringender denn je. Zur Ruhe. Zur Entspannung. Und zur Stärkung. Mir liegt der von Thomas Echin ausgearbeitete Speiseplan bereits vor: Einmal Werder mit allem, aber nicht schaaf!

Bildquelle: spox.com

KOMMENTARE
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Voegi
MODERATOR
19.05.2013 | 17:12 Uhr
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Voegi : 
19.05.2013 | 17:12 Uhr
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Voegi : 
wieder mal sehr gelungene ironische rückschau. hat was.
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PraiseTheSun
20.05.2013 | 14:11 Uhr
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20.05.2013 | 14:11 Uhr
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Sehr lustig, musste einige mal schon richtig breit grinsen. Zudem herrlich ironisch geschrieben und viele Späßchen eingebaut. Toller Rückblick!
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