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30.05.2010 um 20:53 Uhr
Wembley Tor? Stalingrad!
Es gibt wahrlich nicht viele Fußballerpersönlichkeiten, die Aserbaidschan im Laufe der Jahre herausgebracht hat. So auf Anhieb dürfte dem einen oder anderen wahrscheinlich auch nur ein Name einfallen. Aber dieser hat es in sich und lässt die meisten deutschen Fans noch heute erbleichen: der Name ist nämlich Tofiq Bachramov, der sowjetische Antiheld von Wembley.

Das Wembley-Tor, eine der kontroversesten und meistdiskutierten Fußballentscheidungen aller Zeiten. Doch wer war eigentlich dieser Bachramov?

Über die Kindheit und sogar das Geburtsdatum von Bachramov ist wenig bekannt. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass er eigentlich deutlich älter war als angegeben und sich nur "verjüngt" hat, um überhaupt bei der WM pfeifen zu können. In seiner Jugend spielte Bachramov für eine Regionalmannschaft in Aserbaidschan und zeichnete sich besonders durch seine Diskussionsbereitschaft mit den Schiedsrichtern aus, was ihm seinen späteren Lebens weg praktisch vorprogrammierte.

1951 startete Bachramov dann seine Schiedsrichterkarriere. 15 Jahre und ganze 2 internationale Spiele später pfiff er das denkwürdige Finale. Nur zur Erinnerung: Es ist also die 110 Minute dieses Spiels und Hurst schießt die Querlatte an, wovon der Ball dann abprallt und ins Tor fällt. Bleibt nur die Frage, ob er denn auch tatsächlich in vollem Durchmesser hinter der Linie war? Der Schiedsrichter Dienst streift die Verantwortung von sich ab und läuft sofort zu Bachramov. Nach einer kurzen Diskussion (in Zeichensprache) zeigt Dienst dann auf den Mittelpunkt.

Die Aufregung ist entsprechend groß. Die Argumente der Spieler für oder gegen den Treffer: der englische Stürmer Hunt argumentierte, dass er nur deshalb den Abpraller nicht nutzte, weil er ihn deutlich hinter der Linie gesehen haben will. Die Deutschen Spieler dagegen beschworen, dass der Ball die Kreidestücke von der Linie in die Luft gewirbelt hatte und daher keinesfalls voll hinter der Linie gewesen sein konnte.

In seiner Autobiographie schreibt Bachramov später, er habe gar nicht gesehen, dass der Ball von dem Querbalken abprallte, sondern vom Innennetz oben. Wie der Ball auf den Rasen fiel, habe er außerdem überhaupt nicht gesehen. Auch beschreibt er dort sein Gespräch mit Uwe Seeler nach dem Spiel, wo, laut Bachramov, Seeler auf ihn zukam, sich entschuldigte und zugab, dass er nach dem Betrachten der Wiederholung nun auch seiner Meinung war.

Weiterhin gibt es auch eine Legende von einem späteren Interview mit Bachramov, in dem er auf die Frage "War der Ball denn drin?", mit nur einem Wort antwortete "Stalingrad!". Anzumerken ist dabei, dass die deutsche Mannschaft an solchen "Ausgleichende Gerechtigkeit" – Theorien nicht ganz unschuldig ist, schaltete man schließlich im Halbfinale des Turniers die Sowjetunion aus, trat dabei den russischen Stürmer Josef Sabo kaputt und provozierte den anderen Stürmer Tschislenko so lange, bis ihm die Sicherungen durchbrannten.

Dass die Engländer in diesem Spiel auch noch 2 weitere Treffer erzielten und somit relativ sicher gewannen, wird oft etwas unter den Teppich gekehrt, leidet doch schließlich der magische Moment darunter. Nach dem Spiel erhielt Bachramov neben der goldenen Schiedsrichterpfeife auch noch eine goldene Kopie des Pokals. Hurst, der Held dieses Spiels mit einem Hattrick, der seinerseits in seinen Memoiren zugab, dass er nicht genau wusste, ob der Treffer tatsächlich regulär war, schenkte Bachramovs Sohn Jahre später ein Trikot mit der Aufschrift "Vielen Dank" in aserbaidschanisch. Auch enthüllte er in Baku ein Denkmal für den Schiedsrichter vor dem gleichnamigen Stadion, was Bachramov die Ehre zuteil werden ließ, nicht nur einer der bekanntesten Schiedsrichter, sondern auch noch der einzige in Stein verewigte Referee der Geschichte zu sein.

Ein weiteres Detail: In einer Umfrage wählten die Briten das Wembley Tor auf Platz 2 der berühmtesten Ausschnitte der Geschichte, direkt hinter der Verhörszene von Sharon Stone in "Basic Instinct".

Zum Abschluss muss noch gesagt werden, dass Bachramov neben diesem denkwürdigen Spiel an sieben weiteren WM Spielen 1966 und 1970, an zweien dabei sogar als leitender Schiedsrichter teilgenommen hat, darunter das Halbfinale Brasilien-Uruguay in Mexiko. Weiterhin hat er zwei weitere wichtige Spiele geleitet: Das Finale des Pokals der Pokalsieger und das Finale des Weltpokals 1972. Seine Karriere hat also keinesfalls an der umstrittenen Entscheidung gelitten. Und den Ruf, den er in Aserbaidschan genießt, kann man wohl nur mit dem Ruf von Geoff Hurst in England vergleichen.

Der Blog wurde auf die Bitte eines Users hin verfasst, die Quellen:
sports.kz
trend.az
eurosport.ru
Aufrufe: 6817 | Kommentare: 17 | Bewertungen: 16 | Erstellt:30.05.2010
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KOMMENTARE
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arshavin
31.05.2010 | 18:46 Uhr
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arshavin : 
31.05.2010 | 18:46 Uhr
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arshavin : 
Interessanter Blog.
Unglaublich, dass sie in Aserbajdschan ein Stadion nach ihm benennen...
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Cesc__Fabregas
31.05.2010 | 19:07 Uhr
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31.05.2010 | 19:07 Uhr
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http://www.youtube.com/watch?v=DYixmHvnN0s&feature=related

hier übrigens der Beweis dass er nicht drinne war
(am Schluss des Video)
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epidemka
31.05.2010 | 20:07 Uhr
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epidemka : 
31.05.2010 | 20:07 Uhr
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epidemka : 
Die "zwei weiteren Treffer" waren auf die gesamte Verlängerung bezogen und nicht auf die Zeit nach dem Hurst Tor. Es ist aber zugegebenermaßen etwas missverständlich von mir geschrieben.

Ob der Ball drin war oder nicht, wollte ich in diesem Blog gar nicht bewerten. Es ist für mich als quasi nicht involvierten einfach eine der tolle Nebengeschichten, deretwegen der Fußball unter anderem so sehenswert ist.

Vielen Dank für die Kommentare.
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Xavi_6
31.05.2010 | 20:18 Uhr
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Xavi_6 : 
31.05.2010 | 20:18 Uhr
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Xavi_6 : 
sehr schöner blog, 10 punkte dafür.
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Zyrock
31.05.2010 | 22:37 Uhr
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Zyrock : 
31.05.2010 | 22:37 Uhr
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Zyrock : 
Schön geschrieben, trotz der kleinen Mängel.

Mittlerweile ist, auch wenn die Engländer das nicht so hoch hängen wie wir, zweifelsfrei bewiesen, dass der Ball nicht drin war. Pikanterweise waren es sogar Engländer, die uns zu dieser Erkenntnis verholfen haben.

Naja, wie dem auch sei, die Engländer haben seitdem einen Fluch, sie gewinnen nix mehr und treffen aus 11 Metern höchstens das Flutlicht, dafür werden die Deutschen in gut 5 Wochen zum vierten Mal Weltmeister. Da gönne ich den Tommys den Titel '66.
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knippsa
01.06.2010 | 09:55 Uhr
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knippsa : 
01.06.2010 | 09:55 Uhr
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knippsa : 
Man kann natürlich nicht sagen, ob Deutschland Weltmeister geworden wäre wenn dieses "Tor" zurecht nicht gegeben worden wäre.
Aber es war schon ziemlich beeinflussend und fatal. Es kommt vor, und das kannst du auch nicht verhindern, dass du dich als Spieler und/oder Manschaft von so einer Entscheidung in einem Spiel nicht mehr erholst, was man ja dann auch gesehen hat.
Die Story mit dem Schiri ist schon top.
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arshavin
27.06.2010 | 20:21 Uhr
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arshavin : 
27.06.2010 | 20:21 Uhr
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arshavin : 
Tja, jetzt wird wohl eine Statue für den heutigen Schiri aus Uruguay errichtet, wenn Deutschland denn Weltmeister wird.
Ach, was der Fußball für Geschichten schreibt, unglaublich...
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