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28.10.2010 um 19:08 Uhr
Wem gehört der Fußball?
Unter diese kurze aber prägnante Überschrift könnte man das fassen, was der Bundesgerichtshof heute zu entscheiden hatte.

Denn dort ging es heute um die Frage, wem die Rechte an Bild- und Tonaufnahmen von Fußballspielen zustehe.

Allerdings trug sich diese Streitigkeit nicht, wie man denken könnte auf der höchsten Ebene im deutschen Fußball zu, nein, mittlerweile ist die kommerzielle Vermarktung mitsamt ihren Problemen schon in der Kreisklasse angekommen.

Aber von vorne.

Um was geht es überhaupt?

Im Kern geht es um die Internetplattform Hartplatzhelden.de
Dort besteht, ähnlich wie bei youtube, die Möglichkeit, selbstgemachte Fußballclips ins Netz zu stellen und so mit vielen anderen Interessierten zu teilen.
Nebenbei gibt es dort noch kleine Wettbewerbe wie das beste Video des Monats und so weiter.
Dafür wurden in der Vergangenheit auch prominente Paten wie Günther Jauch oder Marcel Reif gewonnen.
All das spielt sich streng auf der Ebene des Amateurfußballs ab.
Also in einem Bereich, für den TV-Bilder naturgemäß eher schwer zu finden sind.

Soweit kein Problem.
Sollte man zumindest meinen.

Dies sehen die einzelnen Landesverbände und in diesem Fall der WFV (Württembergischer Fußballverband), naturgemäß anders.
Denn nach Auffassung des WFV liegt das Recht, Bilder aus Partien der Amateurligen zu verwerten und zu verbreiten ausschließlich beim Veranstalter, also beim WFV.

Den Knackpunkt sieht der WFV darin, dass es sich bei Hartplatzhelden.de um eine werbefinanzierte Plattform handelt, es somit ein gewinnorientiertes Unternehmen sei und somit ein Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vorliege.
Dieser wäre darin begründet, dass ein gewinnorientiertes Unternehmen Kapital aus Inhalten schlagen würde, deren Verwertungsrechte eigentlich bei einem Anderen liegen würde, sie also sog. Unlautere Nachahmer wären.
Dies stellt einen Verstoß gegen § 4 Nr. 9b UWG durch unerlaubte Nachahmung eines geschützten Leistungsereignisses dar.

Im Klartext: Der WFV organisiert den Ligabetrieb und ein anderes Unternehmen profitiert dann ohne Gegenleistung davon.

Demhingegen sehen die Betreiber von Hartplatzhelden.de das Recht, ob Bilder von Spielen und Spielern verbreitet werden dürfen ausschließlich bei den Spielern und den Vereinen selbst, da diese den Sport betreiben und ausüben, der WFV hingegen lediglich als Organisator in Erscheinung tritt.
Denn es handelt sich im Amateurbereich ja nicht, wie im Profibereich, um Bilder, die im Rahmen geltender Verträge von z.B. sky oder Liga total gefertigt werden (in diesen Fällen liegen die Rechte bei diesen Unternehmen), sondern es handelt sich um Videos von Privatpersonen, die diese selbst hochladen können und die mit keinen entgegenstehenden Exklusivverträgen kollidieren.

Oder auch kurz: Es gibt keinen anderen, der sich dafür interessiert oder der es machen würde.

Dessen ungeachtet erwirkte der WFV eine einstweilige Verfügung gegen Hartplatzhelden.de auf Unterlassung und setzte damit den Ablauf in Gang, der heute vor dem BGH endete

Die beiden Vorinstanzen, das LG und das OLG Stuttgart haben jeweils die Position des WFV als geltendes Recht erkannt und somit ein Ausschließlichkeitsrecht des WFV kreiert.

Diese beiden Entscheidungen wurden in der juristischen Fachwelt kritisch aufgefasst, da weder LG noch OLG in ausreichender Weise die Unterscheidung zwischen den Gegebenheiten im Profifußball mit existierenden TV-Verträgen und dem Amateurfußball, bei dem die einzigen Kameraführer Fans, die Ehefrau oder der Vater sind, durchgeführt hätte. Vielmehr hätten LG und OLG die Gegebenheiten im Profifußball analog auf den Amateurfußball übertragen und hatten somit ein Exklusivrecht des Verbandes an der Verwertung bestätigt.

Entscheidung des BGH

Anders als LG und OLG in den Vorinstanzen lehnte der BGH ein Ausschließlichkeitsrecht des Verbandes an Bildern aus den Amateurligen ab und verneinte somit einen Verstoß von Hartplatzhelden.de gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Der BGH erkennt an, dass der WFV Ausrichter und Organisator des Ligabetriebs und damit der Spiele ist.
Die Tätigkeit von Hartplatzhelden.de stellt allerdings keine unlautere Nachahmung eines geschützten Leistungsereignisses dar.
Denn die Tätigkeit des Verbandes besteht nunmal in der Organisation und der Ausrichtung des Ligabetriebs.

Für die Ausübung dieser Tätigkeit bedürfen die Verbände allerding nicht eines Schutzes, der soweit geht, dass sie quasi das Exklusivrecht an allem, was auf und um den Platz passiert für sich vereinnahmen dürfen.
Vielmehr existiert für ein solches "automatisches Exklusivrecht" keine rechtliche Grundlage, auf die die Verbände sich bei ihrem Vorgehen stützen könnten. Schon gar nicht lässt es sich aus ihrer Tätigkeit ableiten.
Somit habe der WFV auch keine Möglichkeit, Bild- und Tonaufnahmen von sich aus zu untersagen und verbieten zu lassen.
Dies bedeutet nun, dass auch weiterhin die Clips auf Hartplatzhelden.de oder vergleichbaren Plattformen online gestellt werden können und auch angeschaut werden dürfen.
Dies stellt keine Verletzung der Rechte der Verbände dar.

Doch ein Haken bleibt.

Der BGH hat nämlich ebenfalls festgestellt, dass es im Ermessen der jeweiligen Vereine liege, auf ihren Plätzen Aufnahmen zuzulassen oder auf Grundlage ihres jeweiligen Hausrechts komplett zu untersagen.
Soll heißen: Wenn der WFV oder ein anderer Verband ein Interesse an der wirtschaftlichen Verwertung des Spiels haben sollte, dann kann er durch das Hausrecht der Vereine in ausreichendem Maße geschützt werden und braucht keine eigene Rechtsposition dafür.

Fazit:

Das heute ergangene Urteil ist auf den ersten Blick eine Niederlage für die Verbände. Denn ihnen wurde die Möglichkeit versagt, selbst darüber zu entscheiden, ob von Amateurspielen gemachte Aufnahmen anderweitig verwertet werden dürfen oder nicht.
Die Entscheidungsgewalt darüber liegt vielmehr bei den Vereinen und gründet auf deren Hausrecht.

Auf den zweiten Blick bleibt es allerdings fraglich, inwieweit der WFV sowie andere Verbände ihren Einfluss dazu geltend machen können, die Vereine dazu zu bewegen über deren Hausrecht Aufnahmen komplett zu untersagen und damit für den Verband ein Exklusivrecht durch die Hintertür zu erlangen.
Es bleibt daher abzuwarten, wie der WFV weiter vorgehen wird und ob er auf die einzelnen Vereine einwirken wird um den Hartplatzhelden doch noch ein Bein zu stellen.
Im Verlauf des Prozesses haben sich viele Vereine aber schon solidarisch zu den Hartplatzhelden erklärt.
Und auch der WFV hält diesen Weg für nicht erfolgsversprechend.
Denn es gehe ihm nicht ums Filmen, sondern ums Verwerten.

Somit bedeutet das heutige Urteil, dass ein Verband nicht automatisch über alles, was mit Fußball zu tun hat das Exklusivrecht beanspruchen kann, sondern, das der Fußball immer noch denen gehört, die ihn spielen.

Spielern und Vereinen.
Aufrufe: 8857 | Kommentare: 19 | Bewertungen: 20 | Erstellt:28.10.2010
ø 9.5
Hartplatzhelden  |BGH  |WFV  |DFB  |
KOMMENTARE
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Voegi
MODERATOR
28.10.2010 | 20:16 Uhr
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Voegi : 
28.10.2010 | 20:16 Uhr
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Voegi : 
blitzsaubere zusammenfassung, die alle facetten des urteils aufarbeitet.
ich persönlich halte das urteil für richtig. denn ein verband ist eben nur der organisator des liagbetriebs und nicht dessen eigentümer.
bleibt zu hoffen, dass nicht doch über den umweg des hausrechts ein anderes ergebnis erzielt wird.
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Resettozero
28.10.2010 | 20:21 Uhr
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28.10.2010 | 20:21 Uhr
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Mäin Jott, also Probleme gibt's... ich verstehe ja, dass es für sowas ein Grundsatzurteil braucht, aber letztendlich ist für jeden dieser Vereine sowohl der Kreis der Interessierten wie auch der zu erwartende finanzielle Ertrag wohl doch ziemlich überschaubar. Bei den Beträgen, um die's hier geht, kann Geld jetzt einfach wirklich nicht im Vordergrund stehen.
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Dr_D
28.10.2010 | 20:45 Uhr
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Dr_D : 
28.10.2010 | 20:45 Uhr
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Dr_D : 
Mal eine Rechtsprechung die ich für gerecht erachte. Sehr schön zusammen gefaßt, auch für Laien, so wie mich.
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mamö99
28.10.2010 | 20:47 Uhr
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mamö99 : 
28.10.2010 | 20:47 Uhr
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mamö99 : 
Da ich auch Laie bin: wirklich gute Zusammenfassung!
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centercourt89
28.10.2010 | 22:52 Uhr
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28.10.2010 | 22:52 Uhr
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Sehr schön zusammengefasst. Man merkt dass du kein Laie bist
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DICSANTANA
28.10.2010 | 23:18 Uhr
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DICSANTANA : 
28.10.2010 | 23:18 Uhr
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DICSANTANA : 
Einwandfreier Blog. Kritisch und von allen Seiten betrachtet. Erinnert mich von der Form fast wie ein Zeitungskommentar.

Ich beneide solch ein Talent aus jedem Thema, sei es noch so trocken und verzwickt, einfach und interessant widerzugeben. Und das hast du.

Dies war auf jeden Fall ein wichtiger Sieg für die Fußballbasis und der Entscheidungsfreiheit von Vereinen und vor allem Spielern. Denn im Profisport kommt diese häufig zu kurz. Zum Glück bleibt der Amateursport so noch relativ privat für die Spieler, da sie und ihr Verein über die Freigabe von Video- oder Fotomaterial entscheiden können. Auch wenn ich nicht so ganz den Sinn sehe warum der WFV Exklusivrecht auf das Material haben wollte. Geld bringt das ja nicht wirklich sehr viel ein.
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Dome_Messi
28.10.2010 | 23:54 Uhr
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Dome_Messi : 
28.10.2010 | 23:54 Uhr
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Dome_Messi : 
Sehr gut zusammengefasst.
Bei uns in Vorarlberg (ist in Österreich) herrscht zur Zeit das gleiche Thema.
Auch bei uns gibt es eine Internetplattform www.laendlekicker.at, die Amateurspiele filmt und sie dann ins Netz stellt, woraufhin er vom Fussballverband verklagt wurde.
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Bailey
MODERATOR
29.10.2010 | 00:58 Uhr
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Bailey : 
29.10.2010 | 00:58 Uhr
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Bailey : 
Nur kurz, weil hier schon in einigen Kommentaren die Frage nach dem finanziellen Aspekt gestellt wurde.

Im Moment ist es so, dass die Betreiber von Hartplatzhelden sogar noch drauflegen.
Aber der WFV hatte im Verlauf des Prozesses gesagt, es gehe ihm nicht um die aktuellen finanziellen Gegebenheiten.
Vielmehr wolle man, vereifacht ausgedrückt, schon mal vorsorglich seine Claims abstecken, sollte sich irgendwann in der Zukunft mal Geld damit verdienen lassen.
Wie dies allerdings geschehen sollte, vor allem unter exklusiver Betreuung durch die Verbände, darüber konnte allerdings keinerlei Antwort gegeben werden.

Man könnte also auch sagen, man wolle vorsorglich mal dafür sorgen, dass wenn man schon selber keine gute Idee zum Amateurfußball hat gefälligst auch kein anderer was damit verdienen können soll, auch wenn derjenige etwas macht, was die Verbände nicht zu machen in der Lage oder bereit sind.

Was man davon halten kann, das bleibt jedem selbst überlassen
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chr1st14n
29.10.2010 | 10:47 Uhr
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chr1st14n : 
29.10.2010 | 10:47 Uhr
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chr1st14n : 
Sehr guter Blog.

Zeigt vor allem mal wieder wie engstirnig und blind die Verbände durch die gegend laufen.
Warum sind sie statt vor Gericht nicht auf die Betreiber zu gegangen nach dem Motto:"Hey, ist ne Prima Sache, wir unterstützen euch. Ihr braucht keine Werbung mehr machen, wir packen das mit unter den Deckel DFB, ist ne Supersache!"

Klar, hätte Geld gekostet. Wieviel kann ich nicht sagen. Aber Hand aufs Herz: Wer glaubt, dass ein für den DFB spürbarer Betrag fällig gewesen wäre?

Eine solche Maßnahme hätte mal gezeigt, dass die Herrschaften nicht doch nahezu jeden Bezug zur Basis verloren haben (siehe Anstosszeiten Profis vs. Amateure. Ja, mir ist bewusst das die DFL da auch mit zu reden hat).

Ich weiss, hier ist der WFV vorran gegangen und nicht der DFB, in letzter Konsequenz, hätte ein Präzedenzfall trotzdemm dazu geführt, das Hartplatzhelden in die fritten geganngen wäre.

Wie auch immer: Gute entscheidung des BGH. Bleibt zu hoffen das in den Geschäftstellen der Vereine nicht die Faxgeräte mit aufforderungen zum durchsetzen eines Filmverbotes heiss laufen...
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gartenzwerg
29.10.2010 | 11:05 Uhr
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29.10.2010 | 11:05 Uhr
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Klasse Zusammenfassung der Problematik, Bailey.

Man stelle sich im Extremfall vor, dass es den Eltern verboten würde ihre
Kleinen beim kicken zu filmen (Man achte auf das k).
Traurig, womit sich Gerichte befassen müssen.
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