Hi auch,

hab mir gerade den Beitrag von Skim durchgelesen, der der Meinung ist, dass Ballacks Aus in der Nationalmannschaft politisch begründet sei, weil ein Joachim Löw lieber auf gehorsame Typen setzt.

Das glaube ich nicht. Ich glaube einfach, dass die Zeit reif war für einen Schnitt. Die Nationalmannschaft erfindet sich derzeit einfach neu und da ist für ein Relikt aus vergangenen Vizeweltmeisterzeiten (jaja, auch das war Ballack) einfach kein Platz mehr. Nur noch sehr weniger Spieler des 70er Jahregeburtenjahrgangs spielen in der Nationalmannschaft, das ist aber in den meisten Nationalmannschaften so. In der DFB-Mannschaft ist sonst nur noch Arne Friedrich übrig.

Betrachtet man die vergangene Weltmeisterschaft und vergleicht die Spielweise der DFB-Elf mit der von 2006, wird deutlich, dass das Spiel der Nationalmannschaft an Tempo zugenommen hat. Alle rennen wie verrückt und versuchen den Gegner durch permanenten Druck zu zermürben - oder durch Konter zu erlegen. Und da die DFB-Kicker auch noch einigermaßen mit der Kugel umgehen können, wird dies das Spiel der Zukunft sein, welches die Nationalmannschaft prägen wird. Dafür brauch man kein Philosoph, oder Profi im Kaffeesatzlesen zu sein.

Für ein solches Spiel ist Michael Ballack einfach nicht gemacht. Er müsste sich vor allem in einer viel flacheren Hierarchie einordnen, wo er zwar das Sagen hätte, sich jedoch einem viel größeren Leistungsdruck stellen müsste. Flache Hierarchie heißt nämlich auch, dass der ein oder andere austauschbar geworden ist. Dies trifft gerade im sportlichen Rahmen auf Ballack zu.

Dass Joachim Löw Ballack weghaben wollte, weil der öfters seine Meinung herausposaunt, ist ein Punkt, der letztlich haltlos ist. Natürlich hat sich Ballack für Frings starkgemacht, immerhin gibt es so etwas wie Manieren und Ehre, was sportlich gesehen aber eben nichts als warme Worte sind. So wie man sich für Lob und Anstrengung nichts kaufen kann, wenn die Punkte nicht da sind, so kann man sich für vergangene Erfolge nichts kaufen, wenn der Leistungshorizont überschritten ist.

Menschlich passt Ballack auch nicht mehr ins Gefüge der Nationalmannschaft. Die DFB-Elf braucht keinen Spieler mehr, der für andere den Kopf hinhält, wenn es mal nicht läuft. Jeder weiß, dass bei einer Niederlage eben nicht das Optimum herausgeholt wurde - und das gibt auch jeder unumwunden zu. Das sind moderne Zeiten. Wenn jeder selbst seinen Mann steht, braucht man kein Alphatier mehr. Noch besser wird es, wenn die Individuen dann als Mannschaft funktionieren. So etwas ist einfacher, als jemanden zu haben, der die Mannschaft zusammenhalten soll, dieser Tätigkeit jedoch nicht nachgehen kann, wenn Verletzungen und Sperren hinzukommen. Ein Kapitän, der nur sporadisch bei der Mannschaft ist, hilft ihr nicht. Die Mannschaft braucht einen Kapitän, der immer da ist und auf den man sich auch immer wieder verlassen kann - nicht nur sportlich. Dieses Bild kann Michael Ballack nicht mehr ausfüllen. 2006 war das der Fall, aber diese Zeiten waren nach der EM 2008 vorbei.

Ballacks Zeit ist rum. Auch gegen den Fortschritt einer Mannschaft kommt er nicht an. Ein "Abschiedsländerspiel" ist eigentlich eine faire Geste der DFB-Bosse, letztlich hängt es an Ballack diese Geste anzunehmen. Gerade bei einem Spiel gegen Brasilien würde sich für ihn ein Kreis schließen. Zwar konnte er 2002 nicht mitwirken, aber dennoch war die WM ein Startschuss für eine Bilderbuchkarriere, der ein paar Titel mehr fehlen. Titel sind schwer zu gewinnen, das weiß keiner besser als Michael Ballack, aber letztlich hat immer etwas gefehlt, was den Erfolg brachte.

Die Nationalmannschaft schlägt ein neues Kapitel auf. Dieses soll zunächst Europameister 2012 heißen (sicher, da sind die Spanier vor), wo auch das letzte 70er Jahre "Relikt" seinen großen Auftritt haben kann - Arne Friedrich.