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Von: yovonando
12.08.2013 | 7104 Aufrufe | 6 Kommentare | 1 Bewertungen Ø 10.0
Machtkampf zwischen den Bayern-Fans und ihrem Verein
Verhärtete Fronten in Allianz-Arena
Der Versuch einer neutralen Beurteilungen eines tiefen Zerwürfnisses, das nur Verlierer hat

Eigentlich war ja alles angerichtet für ein Fest zum Auftakt: Auftakt in die 1.Bundesliga, erstes Spiel der neuen Saison, erstes Spiel unter Pep Guardiola, Saisoneröffnung nach dem Triple - dazu noch ein ungefährderter 3:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach. Wo sich aber in Dortmund, Berlin und in vielen anderen Stadien die Choreographien und Sprechchöre gegenseitig überboten, blieb es in der Allianz-Arena schaurig still. Nur die 6500 mitgereisten Gladbach-Fans sangen trotz Rückstand; in der Südkurve blieb es still wie auf dem Friedhof.


Der Grund? Der FC Bayern hat in der Sommerpause hinter der Südkurve eine Reihe von Drehkreuzen aufgebaut, sodass nur die mit gülten Karten für die Blöcke der Südkurve auch dort stehen dürfen. Des weiteren wurden die Auswärtsdauerkarten für die Cup-Wettbewerbe den Dauerkartenbesitzern gestrichen.


"Ich kenne die Entscheidungen nicht, die dazu führen, dass man nicht kommt oder dass man ruhig ist. Da muss man die Fans fragen," reagierte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummennigge trotzig. "Es gibt einen permanenten Fandialog und fertig. Wenn dann 200 bis 300 meinen, sie müssten ruhig bleiben, dann kann man das nicht ändern. Wir können niemanden zwingen uns anzufeuern", so der ehemalige Mittelstürmer weiter. Die Frage nach der Qualität dieses Fandialogs stellt sich aber trotzdem, vor allem wenn man sich die jüngste Vergangenheit der Beziehung des FC-Bayern zu seinen Fans einmal vor Gesicht führt.


Neuer-Hass und Co.: Chronik eines tiefen Zerwürfnisses


Es scheint so, als wäre die Fan-Stille am vergangenen Samstag eher eine weitere Episode in einem Konflikt zwischen dem FC Bayern und seinen Fans, der sich in den letzten Jahren immer weiter verschärfen zu scheint. Ein kurzer Überblick:


Im November 2012 tat sich während den Champions-League-Spielen gegen den FC Valencia und OSC Lille, das der FC Bayern übrigens 6:1 gewann, ein graues Loch hinter dem Bayern-Tor hervor, wo normalerweise die lautesten Bayern-Fans Stimmung machen. Teile der Fans protestierten mit Abwesenheit gegen neue Sicherheitsregeln, die schon damals den Zugang der Fans ohne Karte für die Blöcke 112 und 113 in der Südtribüne erschweren soll.


Unvergessen auch die Reaktion des FC-Bayern-Fanclubs Schickeria um die Bekanntgabe des Transfers von Manuel Neuer zum Rekordmeister. Etliche Spieltage in Folge kamen die Fans in der Südkurve bewaffnet mit "Koan Neuer"-Plakaten zu den Heimspielen. Die Ausbootung von Eigengewächs Thomas Kraft und der Transfer des verhassten Schalker Torwarts wurde zum Politikum, das für Wochen Fußball-Deutschland in Atem hielt und sogar direkte Kritik von Spielern wie Philipp Lahm an den Fans mit sich zog. Gipfel der unrühmlichen Episode ein Plakat bei einem Freundschaftsspiel zur Vorbereitung auf die Saison 2011/12, als die Schickeria-Ultras in einem knapp 1000 Zuschauer umfassenden Mini-Stadion ein riesiges Plakat mit der Aufschrift: "Du kannst soviele Bälle du willst parieren, wir werden dich nie in unserem Trikot akzeptieren" (siehe Foto).


Natürlich nahmen die Bayern-Fans auch an der ligaweiten Protestaktion "12:12" der letzten Saison teil. Jedoch galt die Kritik hier der neuen Sicherheitsregelung der DFL. Trotzdem blieb es für zwei Heimspiele in der Allianz-Arena 12 Minuten lang still.


Zudem protestierten die Bayern-Fans auch oft gegen den eigenen damaligen Manager Uli Hoeneß, weil er den Erzrivalen 1860 München vor der Insolvenz gerettet hat. Dass innerhalb der Bundesliga-Vereine ein moralisches Verhältnis herrscht und der FC Bayern auch Vereinen wie Borussia Dortmund oder jetzt Hansa Rostock hilft, scheint für die Fans nicht nachvollziehbar. Unvergessen der Hoeneß-Ausraster auf dem Jahreshauptversammlung mit der legendären "Schnee und Eis"-Aussage.

Die letzte Episode in der letzten Saison betraf ausgerechnet das wohl wichtigste Heimspiel der letzten Jahre: Das Champions-League-Halbfinal-Hinspiel der letzten Saison gegen den FC Barcelona (4:0). Die geplante Choreographie, die dem prestigeträchtigen Duell den richtigen Namen geben sollte, wurde kurzfristig vor dem Spiel abgesagt. Grund: Das Verhältnis zwischen den lautstarken Fans in der Südkurve und dem Verein "ist seit Jahren schwer gestört", hieß es auf der Homepage der Fanclub-Dachorganisation Club Nr. 12. Diese abstrakte Formulierung machte schon damals klar: Der Streit schwelt seit Jahren auf einer sehr tiefen, psychologischen Ebene. Kaum ernnenswert, dass auch die Choreographie im Champions-League-Endspiel von Wembley abgesagt wurde - jedoch hier aus Protest gegen die Regelung der UEFA.


Die Ausgesperrten machen die Stimmung


Der Club Nr. 12 beklagte damals, dass viele Fans in den vergangenen zwei Jahren den Eindruck gewonnen hätten, "dass der Stehplatzfan in der Südkurve von Seiten der Vereinsführung in erster Linie als Sicherheitsrisiko wahrgenommen wird (Stichwort Blocküberfüllung). Das wenig vorhandene Vertrauen ist in den letzten Jahren auf beiden Seiten zunehmend einem breiten Misstrauen gewichen."

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Das oberflächliche Problem ist also die Verteilung der Karten für die Blöcke 112 und 113, also der Südkurve. Da viele der "Ultras" nach diversen Delikten keine Dauerkarten mehr bekommen können, hat sich in den letzten Jahren eine bewährte Praxis eingestellt: Die jugendlichen Ultras kaufen sich Tageskarten für Sitzplätze außerhalb der Blöcke und tauschen dann vor dem Spiel mit älteren Fans aus der Südkurve die Plätze, oft durch das Überklettern von Begrenzungen und anderen Strategien. So konnten die Ultras die Stimmung verbreiten und die älteren Fans, aber auch der Rest der oft als "Champagnerpublikum" verschrienen Allianz-Arena-Besucher, das Spiel und die Stimmung genießen. Daher auch das bekannte Banner aus der Südkurve "Ausgesperrte immer bei uns". Dem versuchen die Funktionäre nun seit Jahren die Riegel vorzuschieben. Die Drehkreuze sind die neueste und wohl effektivste Maßnahme.


Machtkampf auf dem Rücken des Sports


Der neutrale Fußballfan aber erkennt: Hier spielt sich ein Machtkampf zwischen Funktionären und Fans ab, von dem niemand profitiert.


Auf der einen Seite die Ultra-Fans, die alle ihnen zur Verfügung stellenden Mittel in die Wargschale werfen. Obwohl man ihre Position verstehen kann, ist es nun mal so, dass sie sich illegaler Maßnahmen bedienen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob man wirklich dem eigenen Verein und auch dem neutralen Publikum einen essentiellen Teil der Faszination an diesem Sport vermiesen kann, nur weil man seine Macht zeigen will.


Jedoch kann man auch ob der Sturheit der Bayern-Führungsriege nur den Kopf schütteln. Dass Rummennigge so tut, als ob er nicht wüsste, warum die Fans still bleiben, ist eine Affront gegenüber den Bayern-Fans, aber auch gegenüber allen Fans in Deutschland. Wahre Fußballfans ist nicht verborgen geblieben, wie kommerziell der Sport in den letzten Jahren geworden ist und in der Tat kann man die geringe Wertschätzung von Funktionären gegenüber Fans in Zeiten, wo Sponsorenverträge, Stadionnamen, Marketing-Reisen in die USA oder ähnliches vorherrschen, bemängeln. Von diesem Standpunkt zeigen die Protest-Aktionen sehr effektiv, wie wichtig die Fans doch für den Fußball sind.


Notwendiges Aushängeschild


Daher besteht auf jeden Fall Gesprächsbedarf. Ob der Fandialog wirklich so gut ist, wie Rummennigge behauptet, darf angezweifelt werden. Immerhin ist die Stimmung im Fußball einer der wichtigsten Faktoren, der die Faszination an diesem Sport ausmacht. Auch ist vor allem die Stimmung in Bundesliga-Arenen auch immer wieder etwas, worauf man im internationalen Vergleich stolz sein kann. Als positives Beispiel erinnere man sich nur an die Gänsehaut-erregende Choreographie der - wer hätte es gedacht - Bayern-Fans beim Champions-League-Halbfinale gegen Olympique Lyon 2010. In welchen Hexenkessel die BVB-Fans das Westfalenstadion zu jedem Heimspiel immer wieder verwandeln, ringt auch internationalen Größen immer wieder Respekt ab.


Die Bundesliga boomt, ist finanziell gesund, hat wunderschöne Stadien und schafft seit Jahren die höchsten Zuschauerzahlen Europas. Zudem ist Deutschland auch sportlich wieder ganz oben angelangt. Dies ist auch dank der Fans und die Bayern-Fans haben auf jeden Fall ihren großen Anteil daran.


Daher bleibt nur an den Bayern-Vorstand (und auch an andere Funktionäre) zu appellieren, vor allem den Ton im Umgang mit den Fans zu ändern und klarzumachen, dass einem bewusst ist, wieviel man den Fans zu verdanken hat und dass ohne sie ein Fußballverein sein Herz verliert. Für die Bayern-Fans gilt, den Stolz auch einmal hinten an zu stellen, zu akzeptieren, dass es leider Regeln gibt und wieder die Unterstützung für den Verein, die für jeden Fußballfan eigentlich kompromisslos sein sollte ("in guten wie in schlechten Zeiten"), zu leben. Dann kann auch die Früchte des gemeinsamen Erfolges ernten.

KOMMENTARE
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yovonando
16.08.2013 | 15:43 Uhr
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yovonando : @CaptainAhab1965
16.08.2013 | 15:43 Uhr
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yovonando : @CaptainAhab1965
Danke fürs Lesen und die Meinung. Wie gesagt, für die Normalfans ist das kaum zu verstehen.

Trotzdem finde ich das Verhalten von Rummenigge und auch manchmal Hoeneß auch nicht okay. Ganz nach dem Gedanken: "Wir brauchen diese Fans doch gar nicht"

Fakt ist: Die Bayern-Ultras tragen einen Großteil dazu bei, dass bei Heimspielen, v.a. auch international, der Gegner schon beim Reinlaufen kalte Füße bekommt. Wenn man das nicht anerkennt, sollte man mal nach Italien fahren und fragen, wie da die Unterstützung so aussieht.

Oder was ist deine Meinung?
2
Stromberg
16.08.2013 | 15:45 Uhr
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Stromberg : 
16.08.2013 | 15:45 Uhr
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Stromberg : 
Die Choreo in London wurde durchgeführt von seiten der Bayernfans. Trotz der widrigen Bedingungen. Die Dortmunder haben ihre gecancelt.
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escepe
16.08.2013 | 16:10 Uhr
1
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escepe : 
16.08.2013 | 16:10 Uhr
0
escepe : 
Wenn sich die Bayern Funktionäre da nicht mal zu weit aus dem Fenster gelehnt haben. Die Solidarität zwischen den Fangruppen selbst rivalisierender Vereine, wenn es um den Erhalt von Fankultur geht, hat doch der letzte Dezember eindrucksvoll gezeigt. Ich halte es für überhaupt nicht weit hergeholt, wenn Gästefans in München, sei es auch vom Club, BVB oder Schalke, sich bei Bayern-Heimspielen künftig lautstark mit der ansonsten verhassten Südkurve in welcher Form auch immer solidarisch zeigen und für unerwünschte Fernsehbilder sorgen werden. Den Gästeblock wird Rummenigge wohl nicht so einfach regulieren können.
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NikoS97
16.08.2013 | 16:19 Uhr
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NikoS97 : Nationales Problem
16.08.2013 | 16:19 Uhr
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NikoS97 : Nationales Problem
Normale Fußballfans stecken in einer Zwickmühle. Zum einen wollen wir gute Stimmung und sind demnach auf Ultras, die unsere Mannschaft wirklich überall mit hin begleiten und wirklich immer für den Verein geradestehen, angewiesen, zum anderen leben wir in einem Rechtsstaat und auch die Ultras und Hooligans müssen sich an die Regeln inner - und außerhalb eines Stadions halten. Dazu gilt z.B. auch das Abbrennen von bengalischen Feuern, das in deutschen Stadion verboten sind. Diese Ultras verstehen jedoch leider nicht, dass sie, wenn sie sich nicht daran halten, dem Verein finanziell schaden. Es sei jetzt mal dahingestellt, dass ebenjenen Ultras falsche Versprechungen von DFB-Pressesprechern und DFB-Abgeordneten gemacht worden sind bzgl. Pyrotechnik.

Hier handelt es sich vielmehr um ein Problem, das man auf nationaler Sicht sehen muss. Jeder Bundesligaverein hat sie, die paar Hundert Ultras und Hooligans, die sich nur in der Hinsicht unterscheiden, dass sich Hooligans verschiedener Vereine mitten auf einem weiten Feld treffen und sich dann dort gegenseitig verschlagen. Anschließend fahren beide Parteien mit ihren mitgebrachten Autos wieder zurück. Damit wollen sie Stadt und Verein verteidigen. Was sie jedoch in Wirklichkeit machen, ist ein Strafdelikt. Was bei all dem vergessen wird ist ebendieser Sport, der uns so fasziniert. Unser Fußball.
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Casper_xoxo
16.08.2013 | 16:39 Uhr
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16.08.2013 | 16:39 Uhr
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"Du kannst auch noch so viele Bälle du willst parieren, wir werden dich nie in unserem Trikot akzeptieren"
Das Banner war gar nicht von der Schickeria sonder von IB wie man auch sieht

Und mit den Banner "Ausgesperrte immer bei uns" sind wohl eher die Stadionverbotler gemeint, als diejenigen die keine Karte für 112/113 kriegen.

http://i.imgur.com/hbY2vgl.jpg -> Choreo in London
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yovonando
16.08.2013 | 16:44 Uhr
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yovonando : 
16.08.2013 | 16:44 Uhr
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yovonando : 
Wol soll denn das hinführen mit der Über-Sicherheit? Dann haben wir bald nur noch Champagnerpublikum wie bei US-Sportarten
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