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30.01.2011 um 11:43 Uhr
VIP-Fans sind keine Zukunft
Wieder einmal VIP am Millerntor: Gegen den 1.FC Köln war ich mal wieder mit einem VIP-Ticket Gast am Millerntor, nachdem ich die letzten Spiele mit einer "normalen" Karte gesehen hatte. Diesmal konnte ich ein verspätetes Mittagessen genießen, hatte die Wahl zwischen asiatischen Putengeschnetzelten mit Reis oder Rinderroulade. Nach der zerbombten Pute gab es noch Kuchen und Getränke frei. So befand ich mich unter dem VIPs und merkte, dass ich mit einem Teil der im sogenannten "Ballsaal" befindlichen Gesellschaft wenig gemein hatte. Besonders auf meinem Platz war es wieder auffällig. Hinter mir ein Spinner, der am liebsten nach zwei Fehlpässen gepfiffen hätte, wenn er denn Mitstreiter gehabt hätte. Sieht sich vermutlich als St. Pauli-Fan, muss aber nachfragen, wer die Nummer 17 trägt (für alle Nichteingeweihten: Die 17 trägt Fabian Boll und der ist seit sieben Jahren Stammspieler).

Dazu kommen diejenigen, die weite Teile der echten Fans (mich eingeschlossen) gegen sich aufbringen und die Forderung von weiten Fan-Teilen nach einem Rückbau der VIP-Plätze in bezahlbare Tribünenplätze befeuern. Dabei haben die "Ultras" die Grundregel auf einem Plakat zusammengefasst: "Einfach nur Fußball"

Es ist sicher in anderen Stadien anders, aber unter den St. Pauli-Fans gibt es ungeschriebene Gesetze: Die Mannschaft oder einzelne Spieler werden nicht ausgepfiffen, egal wie sie spielen (und gegen Köln gab es auch nicht einmal den Ansatz eines Grundes!). Weiter sollte man am Millerntor das Spiel über an seinem Platz bleiben: Man ist zu Spielbeginn dort, zu Beginn der 2. Halbzeit ebenso und man geht erst, wenn sich die Mannschaft (unabhängig vom Ergebnis) nach dem Spiel von den Fans verabschiedet hat. Auf gar keinen Fall geht man, wenn der vierte Offizielle die Nachspielzeit anzeigt oder noch davor, nur weil man was essen möchte. Als St. Pauli in der 76. Minute einen Elfmeter bekam, stürmten sicherlich 30 VIPs aus dem Ballsaal. Was machen die da? Ist Fußball so uninteressant? Auf Toilette könnten sie nicht gewesen sein, denn das WC ist weit weg.

Leider verkümmert der Fußball immer mehr zur Eventsportart für Besserverdiener, denn so ein VIP-Ticket kostet 220 Euronen. Nun kann man sagen, dass die Vereine die Einnahmen brauchen. Auf Dauer halte ich es für hochproblematisch, wenn gerade Menschen mit geringem Einkommen aus den Stadien gedrängt werden, besonders für Jugendliche ist es oft unbezahlbar geworden, ein einfaches Bundesligaspiel live zu sehen. Und perverse Verhältnisse wie in England kann man auf Dauer nicht wollen. Es gibt St. Pauli-Fans aus dem Großraum London, für die ein Ticket bei Arsenal London teurer ist als ein Flug mit Ryan-Air nach Lübeck, die Fahrt Lübeck-Hamburg und die Hotelübernachtung. Im Ernst: Ich habe mich am Millerntor mit Engländern unterhalten, die von Southend regelmäßig nach Hamburg kommen, weil die Stimmung authentischer ist als bei Arsenal und das Ganze auch noch billiger ist.

Die englischen Vereine können nur noch auf bekloppte Oligarchen oder Scheichs setzen, der fehlende Nachwuchs bei den Zuschauern dürfte in einigen Jahren zu spüren sein. In Deutschland sollte man hoffen, dass die echten Vereine in der Überzahl bleiben. Auf die erbärmlichen Fans wie in Hoffenheim, die schon nach zwei oder drei sieglosen Heimspielen in der 50. Minute pfeifen, kann der Fußball auf Dauer nicht zählen.
Aufrufe: 1587 | Kommentare: 9 | Bewertungen: 5 | Erstellt:30.01.2011
ø 8.0
VIP  |Pauli  |Event-Fan  |
KOMMENTARE
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Resettozero
30.01.2011 | 15:22 Uhr
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30.01.2011 | 15:22 Uhr
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Du sprichst es ja selbst an - Geld spielt eine Rolex. Für den Verein. Für die Spieler. Für den Erfolg. Auch wenn Geld selbst keine Tore schiesst, aber teurere Spieler bedeuten oft genug eben auch spieierische Überlegenheit (ausser bei uns) und damit mehr Chancen und damit mehr Tore und damit mehr Siege.
Für euch mag diese Erkenntnis womöglich bitterer sein als für andere; aber die Zeiten, in denen Talent mehr oder weniger allein über Erstklassigkeit entschied, sind vorbei - wohl endgültig.
Dennoch hoffe auch ich, dass englische Verhältnisse hier nicht Einzug halten. Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass es schon so krass ist, wie du es hier schilderst - dazu fehlt mir der Kontakt. Da kann man wirklich nur noch hoffen, dass das Eventdenken nicht noch mehr zunimmt.
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Rumo
31.01.2011 | 12:48 Uhr
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Rumo : 
31.01.2011 | 12:48 Uhr
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Rumo : 
Schöner Blog, der einen guten Einblick in die Gefühlswelt vieler Pauliufans gibt - wie ich sie kennengelernt habe -

Und @Resettozero

Ich dachte zunächst genauso, als sich die Sozialromantiker formierten, dass diese Bewegung einfach erkennen muss, dass man ohne das Schmiermittel "Geld" keinen Profifussball haben kann und war dementsprechend recht skeptisch.

Dann habe ich mich mal etwas mit den Hintergründen auseinandergesetzt und insbesondere den Flyer der Sozialromantiker gelesen.

Und siehe da, ich habe mich geirrt, die Leute hinter dieser Aktion wissen genau, wie wichtig der Faktor Geld im Profifussball ist. Es geht ihnen vielmehr um folgendes:

Ein Verein basiert auf zwei Säulen, dem Geld und seinen Fans. Zwischen diesen Säulen wurde bei St. Pauli ein zwischen Vertretern beider Seiten ausgehandelter Kompromiss gefunden, der für ein gesundes Gleichgewicht gesorgt hat.

Es gab bindende Absprachen.

Nun fing die Vereinsführung an, Versuchballons zu starten (SMS Bannerwerbung) und langsam still und leise das Verhältnis der beiden Säulen zu Gunsten ihrer Säule zu verschieben.

Die Sozialromantiker haben das bemerkt und stellen nun das Gegengewicht als Vertreter der anderen Säule dar und kämpfen für die Wiederherstellung des Gleichgewichts. Dabei sind natürlich erstmal Maximalforderungen, bei denen es zunächst allerdings nur mal darum geht, die Stärke der eigenen Säule zu demonstrieren.

Um es kurz zu machen, die Sozialromantiker verkennen keinesfalls die Notwendigkeit von wirtschaftlichen Einflüssen im Profifussball allgemein und speziell bei Pauli, allerdings verteidigen sie den bei Pauli ausgehandelten Konsens zwischen wirtschaftlichen Belangen und solchen der Fans.

Eine super Forderung und Bewegung, sie ich, nachdem ich das verstanden habe, voll unterstütze!

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xxlhonk
31.01.2011 | 15:47 Uhr
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xxlhonk : 
31.01.2011 | 15:47 Uhr
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xxlhonk : 
Diese Diskussion ist so alt, wie es Arenen gibt.
Eine Anmerkung zu den Arsenal-Fans:
Deren regulären Tickets sind so teuer, dass sie lieber herfliegen.
Aber was hat das mit den VIPs zu tun?

Und wo steht, dass der Fußball den sozialschwächeren gehört?
Wenn das bei Euch so sein soll, wundere ich mich, das eure Profis so viel Kohle verdienen dürfen/können
Wenn ihr euch dem Gesetz des Marktes entziehen wollt, bestens. In Liga 4 freut man sich auf Euch.

Und noch eine persönliche Frage:
Wenn Du das da so Scheisse im ViP Block findest, warum gehst Du da häufiger hin und boykottierst das nicht schon da?
Auch viele kleine Schritte führen zum Ziel.
Und wo wir gerade dabei sind:
Melde dein Skyabo ab.
Das können sich auch nur die wenigsten leisten
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Rumo
31.01.2011 | 15:53 Uhr
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Rumo : 
31.01.2011 | 15:53 Uhr
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Rumo : 
@xxlhonk

es steht nirgendswo geschrieben, dass der Fussball den Sozialschwachen (allein) gehört.

Es steht aber auch nirgendswo geschrieben, dass den sozialschwächeren durch wirtschaftliche Gegebenheiten der Fussball faktisch weggenommen werden darf (Bezahlfernsehn + überteuerte Karten).

Ziel sollte sein, einen vernünftigen und ausgewogenen Ausgleich zwischen diesen Faktoren zu schaffen.

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löwengraetscher85
31.01.2011 | 16:06 Uhr
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31.01.2011 | 16:06 Uhr
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Die Ticketpreise in England sind u.a. auch deswegen so teuer, da es dort in Folge der Katastrophen (z.b. Hillsborough) keine Stehplätze mehr gibt. Ich zahl bei 60 als Mitglied 11 Euro für einen Stehplatz, für die billigste Sitzplatzkategorie muß ich schon 24 Euro hinblättern. In England gibt es nur Sitzplätze und die sind halt ca. um 1/3 teurer.

Zu den VIP-Plätzen: Da hat Hoeneß recht, mit Stehplätzenpreisen von ca. 10 Euro kannst du keinen Bundesligalkader finanzieren. Die VIP Fans senken die Preise für die "echten Fans", wenn du das so nennst. Und ich finde das auch ok, wenn das finanziell funktioniert (und nicht wie bei 60 in der Arena, wo es zu viele Logen für zu wenigs VIPs gibt, und damit Minus gemacht wird...).

Du wirst überall Zuschauer im Stadion finden, die eben nur Sympathisanten oder Eventfans sind. Und daher eben nicht Spieler A oder B kennen.

St.Pauli muß natürlich aufpassen, wie sie das regeln. Zwar wird bei den Verantwortlichen oft gesagt, St. Pauli ist der Verein in Deutschland der das meiste Potential verschenkt. Auf der anderen Seite hat St.Pauli eben dieses Marketing-Potential, weil sie eben dieses "Anderssein" Image haben. Und das vorhandene zusätzliche Potential wäre sehr schnell weg, wenn das Image weg ist. Aber generell habe ich den Eindruck, daß St.Pauli das gut regelt.


Wem der Kommerz im Fußball gar nicht passt, kann ja zu Altona1893 gehen, oder zum Fußballverein in der Kreisliga um die Ecke. Auch legitim.
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löwengraetscher85
31.01.2011 | 16:12 Uhr
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31.01.2011 | 16:12 Uhr
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@Rumo:
Und wievielen St.Pauli Fans wurde ein Platz weggenommen durch die VIP Leute?

Zum Thema Bezahlfernsehen:
In England gibt es auch eine Art Sportschau in der BBC. Die Samstags Spiele um 16 Uhr können sogar in UK gar nicht live gesehen werden.

In Deutschland gibt es doch jede Art von Fußball in ARD oder den Dritten zu sehen. Zudem kann man doch fast jedes Spiel via Internet im Nachhinein nochmal anschauen. Jeder noch so sozial schwache hat heutzutage i-wie Internetzugang.

Zu den teuren Karten:
Selbst bei einem Verein wie Bayern München generiert 20% seiner Einnahmen über den Ticketverkauf.
Arsenal London sogar fast 50%. Ohne die teuren Tickets, würde Arsenal noch immer im kleinen Highbury spielen, und könnte den Kampf um die Meisterschaft abschminken. Und mehr Erfolg --> mehr Zuschauer.
So einfach sehe ich das ganze nicht...
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Rumo
31.01.2011 | 16:42 Uhr
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Rumo : 
31.01.2011 | 16:42 Uhr
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Rumo : 
@ Löwengrätscher

Ich doch auch nicht. Eventuell habe ich mich etwas schräg ausgedrückt.

Ich dachte zuerst, die Sozialromantiker (momentane Protestbewegung bei Pauli) sei gegen die Kommerzialisierung per se. Das halte ich für quatsch, weil - wie Du und andere richtig sagen - dadurch der Verein überhaupt finanziert wird.

Das wollen die Sozialromantiker aber gar nicht, sondern nur den ausgehandelten Kompromiss zwischen Kommerz und (sozialromantischen) Idealen verteidigen.

der Blog greift das Thema ansich gar nicht wirklich auf. Ich wollte nur mal ansatzweise klarstellen, was die Protestbewegung überhaupt für einen Hintergrund hat, bevor man sie grundsätzlich als realitätsfern ablehnt, was sie wäre, würde sie den Kommerz als solchen vertreiben wollen.

Und das mit dem "wegnehmen" war nur als Antwort auf xxlhonks Satz :"wo steht geschrieben, dass der Fussball den sozialschwachen gehört" gedacht. Beide Sätze sind in ihrer Absolutheit natürlich quatsch
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löwengraetscher85
31.01.2011 | 16:47 Uhr
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31.01.2011 | 16:47 Uhr
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@rumo: ah, ok, dann war das ein klassisches mißverständnins.

also akzteptiert diese "sozialromantiker bewegung" die ganz normalen gegebenheiten, sie wollen nur mahnen, daß st.pauli sein einzigartiges image nicht verliert?
falls dem so ist, kommt es in der großen öffentlichkeit (bis in den tiefen süden) nicht so rüber...
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Rumo
31.01.2011 | 17:06 Uhr
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Rumo : 
31.01.2011 | 17:06 Uhr
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Rumo : 
Im prinzip ja, wobei ich sagen muss, dass ich kein organisator in dieser Bewegung bin und nur deren Mitteilungen nach Außen (Flyer, Infoblätter etc). kenne.

bei Pauli gab es vor der Saison ein Zusammentreffen von Clubführung und Interessenvertretern der Fanverbände jeglicher Form, vom Fanladen über Ultras bis zum normalen Fanclub.

Auf diesem Zusammentreffen wurden bindende Vereinbarungen zwischen Vereinsführung und den Interessenvertreten geschlossen. Bildlich beschrieben mit diesem Zwei-Säulenmodell. Darauf konnten sich alle Parteien verständigen.

Nun hat die vereinsführung versucht, diesen Kompromiss in ihre Richtung zu verschieben und sich als alleiniger Interessenvertreter einer Säule (dem Kommerz) gezeigt. Da war es wichtig, zu demonstrieren, dass auch die zweite Säule eine Stimme hat und den getroffenen Kompromiss verteidigt.

Damit kann ich mich übrigens voll identifizieren: Nackte Frauen an Stangen während dem Fussball müssen nicht sein, genausowenig wie per SMS buchbare digitale Werbung. Genausowenig kann man fordern, dass es keine VIP Plätze mehr geben soll.
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