Bei der Jagd nach den Stars von morgen hat ein regelrechtes Wettrüsten zwischen den Spitzenclubs Europas eingesetzt. Geheimdiensten gleich haben sie ein Netz von Informanten, Berichterstattern und Kontaktleuten über die wichtigsten Fußballmärkte ausgebreitet, das selbst Kinder im Alter von zwölf Jahren erfasst. Dass der globale Überwachungsapparat enorme Kosten verursacht, spielt keine Rolle – wenn pro Saison nur einer der Auserlesenen im Profikader landet, so das Kalkül, hat sich der Aufwand gelohnt.

Messi und FC Barcelona als Modellfall

Den Modellfall liefert der FC Barcelona. Im Sommer 2000 lockten die Katalanen einen 13 Jahre alten Jungen, der damals 1,43 Meter groß war und knapp 40 Kilo wog, aus dem argentinischen Departement Rosario mit seiner Familie über den Atlantik. 2005 versorgten die Barca-Bosse den Star der argentinischen Auswahl mit einem millionenschweren Profivertrag – und erklärten ihn zum unverkäuflichen Juwel. Heute ist Lionel Messi Sensation seiner Altersklasse schlechthin.

Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Gleich neben der Autobahn beleuchten über 20 Flutlichtmasten das neue Ausbildungszentrum "La Ciudad Deportiva" mit fünf Rasen- und vier Kunstrasenplätzen, das sich der Club für 68 Millionen Euro gebaut hat. Hier impfen 40 Trainer den über 200 Nachwuchstalenten endlosen Kombinationsfußball, starkes Flügelspiel und frühes Pressing ein. Kaum eine Übung geschieht ohne Ball. Der Ball läuft geradlinig und schnell. Gefoult wird kaum, gegrätscht nie. Schon die Kleinsten spielen im stets offensiv ausgerichteten System der Profis mit Viererabwehrkette, drei Mittelfeldspielern und drei Angreifern. Selbst die Spiele der Elf- bis Zwölfjährigen werden live für die 55.000 Abonnenten des Vereinssenders Barça-TV übertragen.

Bei Barça B spielen mit Marc Crosas, Alberto Botia und Gai Yigaal Assulin schon jetzt drei weitere, denen der Sprung in die erste Elf bald zuzutrauen ist. Bojan Krkic, der in den letzten acht Jahren über 900 Tore für den FC Barcelona geschossen und damit alle Jugendrekorde gebrochen hat, ist dies schon gelungen. Ebenso den Jungstars der letzten Jahre um Busquets, Pedrito, Pique und Giovanni dos Santos, der aufgrund der hohen Qualitätsdichte im Sturm 2008 zu Tottenham gewechselt ist.

Paradebeispiele aus England

Die Paradebeispiele kommen aber aus England, kurioserweise beide aus London, und heißen FC Chelsea London und FC Arsenal London. Gwyn Williams, der bei Chelsea für die weltweite Talentsicherung zuständig ist, reiste im Frühjahr 2005 von London in das Hinterland Mallorcas, um das Spiel Polen gegen die Schweiz zu beobachten. Dabei fiel ihm ein blonder Mittelfeldspieler der Schweizer auf, der brillant mit dem Ball umging, robust, trickreich und schnell war und "ein sehr gutes Auge für den Raum hatte". Sein Name: Jonas Elmer. Sein Alter: 17. Sein Verein: Grasshopper Zürich.

Noch zweimal in den folgenden Tagen observierte Williams den Youngster, gegen Spanien und gegen Dänemark, dann stand für den Chelsea-Emissär fest: unbedingt verpflichten. Und so gehörte der Gymnasiast aus der Gemeinde Stäfa am Zürichsee seit Anfang Juli 2005 zur B-Mannschaft des FC Chelsea, die Chefcoach José Mourinho systematisch zu einer Edelreserve für seine mehrere 100 Millionen Euro teure Supertruppe aufbauen wollte – was allerdings nicht gelang, so dass Elmer seit 2007 beim FC Aarau spielt.

Dass der Club des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch nun auch bei den Jugendspielern keine Mühen scheut und wie bei den Profis die Standards setzen will, verdeutlicht ein anderer Transfer: So warb der FC Chelsea den Sportdirektor des Premier-League-Konkurrenten Tottenham Hotspur Fran Arnesen ab. Der Däne, als Profi einst in den Niederlanden, Spanien und Belgien aktiv, gilt als einer der besten Kenner der internationalen Nachwuchsszene.

Nun zu Arsenal, die aus einer Not eine Tugend gemacht haben. Als sie merkten, dass sie finanziell nicht mit Liverpool, Chelsea und Manchester United mithalten können, haben sie sich auf preiswertere Jugendspieler fokussiert. Aus diesem Grund trägt ein Cesc Fabregas, der bereits mit 16 Jahren für die erste Mannschaft spielt, mit 21 Jahren auch die Kapitänsbinde. Und so passiert es auch immer öfter, dass Arsenal durch seine Jungstars um Aaron Ramsay, Jack Wilshere und Carlos Vela bei Pflichtspielen einen Altersdurchschnitt von 19,9 Jahren haben. Auch für die nächste Saison steht mit Armand Traore (19) schon der nächste Zugang fest, der unter 20 Jahre ist.

Bundesliga zieht nach

Aus wirtschaftlicher Not haben auch viele Bundesliga-Clubs ihre Personalpolitik geändert: Sie setzen vermehrt auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, allen voran Hoffenheim, gefolgt von Leverkusen und Dortmund. In wenigen Jahren, so glauben Fachleute, werden deutsche Profis wieder zum Exportschlager taugen, da unter anderem der Anteil deutscher Kicker unter 23 Jahren in den Bundesligakadern seit der Saison 2000/01 um 40% gestiegen ist. Anderseits liegt dies auch am DFB, der das Nachwuchsspielsystem umgestellt hat. Die Tage, da die Nachwuchsmannschaften des FC Bayern sich im Ligabetrieb mit Dorfclubs aus dem Münchener Umland abgeben mussten und Resultate wie ein 27:0 keine Seltenheit waren, sind passé. Die Elite ist heute unter sich: Es gibt eine dreigeteilte Bundesliga für die A-Jugend (bis 19 Jahre), fünf Regionalligen für die B-Junioren (bis 17 Jahre) und C-Jugendliche (bis 15 Jahre) messen sich auf Länderebene.

Dass Junioren-Nationalspieler, die bei prestigeträchtigen Wettbewerben auffallen, von den besten Vereinen umworben werden, ist ein Branchenreflex. So buhlten Arsenal London, der FC Chelsea und die großen Clubs aus Istanbul im Sommer 2005 um den Dortmunder Mittelfeldmann Nuri Sahin, der mit der türkischen U17 den EM-Titel gewonnen hatte und zum besten Spieler des Turniers gekürt worden war. Arsenal bot Borussia für den B-Jugendlichen vier Millionen Euro Ablöse, und Trainer Arsène Wenger lobte den Jungen aus dem Sauerland als "Europas größtes Talent". Sahin indes unterschrieb beim BVB bis 2009 – und avancierte mit 16 Jahren und 335 Tagen zum jüngsten Profi, der jemals in der Bundesliga spielte.

Zwei Nachwuchskräfte aus dem Rheinland konnten den Verlockungen großer Fußballadressen hingegen nicht widerstehen. 2005 wechselte Ron-Robert Zieler mit 16 Jahren vom 1. FC Köln zu Manchester United, Dennis Krol (Leverkusen) folgte kurz darauf im Alter von zwölf dem Ruf des FC Barcelona, um dann im Januar 2009 wieder zurückzukehren. Bayer Leverkusen hatte aus der Abwerbung Konsequenzen gezogen: Keine Jugendteams werden mehr zu den populären spanischen Einladungsturnieren geschickt.

Zukunft ungewiss

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