Stell dir vor, es ist Fußball und keiner hat's mitbekommen

Seit Dienstag bin ich in Dänemark. Ich bin extra für die U21 Europameisterschaft nach Aarhus gefahren um hier als Volunteer zu arbeiten. Und ich finde das nicht mal komisch.

Es scheint aber komisch genug zu sein, um Journalisten anzulocken, die Artikel über mich schreiben wollen, weil es anscheinend sehr exotisch ist, zu einer U21 Europameisterschaft zu fahren, um dort unbezahlt zu arbeiten und eine Youngster-EM zu sehen, bei der das eigene Land nicht einmal vertreten ist. Und auch fast allen meinen Freunden musste ich erklären, was ich denn in Dänemark will und was dort denn überhaupt stattfindet und jedem, dem ich hier erkläre, dass ich der dänischen Sprache nicht mächtig bin („So, where are you from then?") zeichnet die Schilderung meiner Situation ein riesiges Fragezeichen ins Gesicht. Und wenn dann ein kleines Strahlen über mein Gesicht huscht, weil ich direkt neben dem Stadion wohne und mich allein diese Tatsache bis ans Ende dieser Welt glücklich macht – blanke Faszination.

Wie man denn überhaupt auf eine derartige Idee kommen könne?

Ganz einfach. Von 2008 bis 2009 bin ich als Erasmus-Student in Stockholm unterwegs gewesen und habe den Fußball dort sehr konsequent verfolgt, die U21-EM in Schweden konnte man also auf diese Art und Weise kaum übersehen. So wurde ich kurzerhand Volunteer in Malmö.
Für mich persönlich war es eines der größten Fußballevents aller Zeiten. Das lag an Schweden, am Wetter, an den Fans, an den Leuten, die ich kennen lernte, Erfahrungen, mal hinter die Kulissen schauen und nicht zu guter Letzt am Verlauf, den das Turnier für Deutschland nahm. Es war eine goldene Nacht, bevor ich mich wieder auf den Weg nach Deutschland machte.

So einen Sommer vergisst man nicht. Und wenn dann zuhause viel los ist und man einfach mal weg möchte? Warum nicht Dänemark. Ein wenig gehadert über das Ausscheiden von Deutschland hab ich schon, das gebe ich zu, aber dann war auch alles wieder ganz einfach. Mal drei Wochen weg, neue Stadt, neue Leute, ein bisschen Abenteuer und vor allen Dingen ganz viel Fußball. Zwei Klicks und die Bewerbung war weg. Ein paar Klamotten, eine rot-weiße Flagge, alles schnell aufs Fahrrad geladen und ab mit dem Drahtesel in den Zug.
Und nun bin ich hier.

Und bis eben dachte ich eigentlich, der leichte Wehmut über die Abstinenz von Deutschland wäre eine persönliche Meinung. So ist es aber nicht. Auch den Dänen bereitet das Sorgen. Kein Wunder. Die U21-EM in Schweden 2009 erlangte im Laufe des Turniers immer mehr Medienaufsehen und fand durch den Verlauf des Turniers immer mehr Fans besonders in Deutschland. Die allgemeine Meinung ist schnell erfasst: Deutschland fehlt.
Nun ist Island stattdessen hier. Und die sind bestimmt in der Lage, guten Fußball zu zeigen, das möchte ich hier überhaupt nicht in Frage stellen. Den medialen Unterschied und die Anteilnahme der Fans zwischen Island und Deutschland kann sich aber sicherlich jeder selbst ausrechnen.
Und wie bereits erwähnt, musste ich diese Unwissenheit ja schon am eigenen Leib erfahren.
Das ist schade für Dänemark und es bleibt zu hoffen, dass die beteiligten Länder, und vielleicht auch ein wenig darüber hinaus, vielleicht trotzdem einschalten.

In ihrem Trailer für die U21-EM, in dem einige Hundert Fans ein paar 14-Jährige mit Trommeln und Gesang und dem Slogan „No matter who is playing, we provide the athmosphere" auf dem Bolzplatz überraschten, machen die Dänen es vor. Und so mache ich es auch. Mir ist egal, wer spielt. Hauptsache Fußball. Und wer weiß? Das Turnier heißt nicht umsonst „Stars of Today, Superstars of Tomorrow." Denken wir nur an 2009. Özil, Khedira, Schmelzer, Hummels, Neuer, um nur ein paar zu nennen. Und an die erinnert sich mit einem verträumten Blick auch jeder Däne, der hier an dem Turnier beteiligt ist.

Ich persönlich wünsche mir nun für Dänemark, dass ein paar Länder herschauen. Und dass dieser verträumte Blick vielleicht wiederkehrt, wenn es am 25. Juni, für wen auch immer, Gold regnet. Und dass die Fußballwelt dann um ein paar noch unbekannte Jungtalente reicher ist. Wer weiß, vielleicht kommen ein paar davon dann ja auch aus Dänemark?

Knæk og bræk Danmark :)