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09.02.2009 um 01:38 Uhr
Trainieren wie Oliver Kahn
Ich sitze auf einem dieser Designer-Stühle und starre auf einen riesigen Flatscreen. Ich sehe meinen Golfschwung. Ich sehe das Grauen. Trainer Jörg redet auf mich ein. "Du stehst da wie ein Mäuschen", sagt er und spielt auf meinen viel zu engen Stand an. "Man hat den Eindruck, dass du Schmerzen hast bei dem, was du da machs", legt er nach und zeigt mir zum Vergleich den Schwung von Golfstar Adam Scott. Das ist der, der seit kurzem mit Kate Hudson turtelt.

Vier Stunden später. Ich blicke auf einen Flatscreen, der mir nicht groß genug sein kann. Ich lümmle mich entspannt auf dem Stuhl und erwarte den Beginn des Videos. Der Film läuft ab: Perfektes Setup, technisch sauberer Rückschwung und eine gewaltige Explosion der Handgelenke im Treffmoment. "Wahnsinn. Das sieht ja tatsächlich so aus, als ob du was kannst. Ich bin begeistert", lobt Jörg.

Getrieben vom Gefühl, dass mir tolle Schwünge im PC-Videospiel von Tiger Woods nicht reichen, habe ich mich in die versteckt gelegene Golf-High-Tech-Zentrale von München begeben. In mir tobt ein Kampf zwischen demjenigen, der an elektronischem Schnickschnack zweifelt und demjenigen, der darin die Lösung seiner Golfprobleme sieht. Oliver Kahn trainiert schließlich auch hier.

"Hier kann ich auf die modernsten Analysetools zurückgreifen, die alle Probleme aufdecken, die man hat", schwärmt Kahn in einem Werbe-Video, das ich sehe, als ich durch die Halle blicke. Auch die Spanierin Emma Cabrera Bello, eines der großen Talente auf der europäischen Damen-Tour, nutzt die Einrichtung und Geräte, die sie nirgends sonst findet. Aber es gibt auch Stimmen, die vor Wunderdingen warnen. In erster Linie muss ja immer noch die Kompetenz des Trainers stehen.

Trainer Jörg erscheint mir durchaus kompetent. Er hat sieben Jahre als Profi auf der Tour gespielt. Bevor ich ihm zum ersten Mal begegne, faszinieren mich sofort die vielen hoch technisierte Geräte. Für die nette junge Dame, die mich empfängt, bleibt so keine Aufmerksamkeit übrig. Aus einer kahlen Lagerhalle scheint auf 300 m² Fläche etwas Einzigartiges in Europa entstanden zu sein. Kunst-Grüns mit US-Open-Geschwindigkeit – das macht Lust. Jörg begrüßt mich und erstellt mein Profil, indem er mir Fragen stellt. Begeistert wirkt er nicht.

Meine Tour durchs Trainingslabor startet mit einem leichten Einschlagen. Ich muss schauen, dass der 45-jährige Banker Peter, der neben mir die Bälle ins Netz haut, nicht zum ungünstigen Zeitpunkt zum Einsammeln geht. Ich könnte ihn abschießen. Die Bälle landen links und rechts an der untersten Ecke der Absperrung. Das Schlimmste: Ich werde beobachtet. Der kann ja nix, denken sie sicher alle. Und es stimmt auch noch. Ich soll mit drei verschiedenen Schlägern jeweils zehn Schläge machen. Es kommt zur ersten Analyse mit dem Flight Scope. Ein kleiner Kasten, der hinter mir steht und genau aufzeichnet, was ich tue.

Mit Hilfe von Radarstrahlen werden alle Parameter meines abgeschlagenen Balles ermittelt. Von der Richtung, über die Geschwindigkeit des Schlägerkopfes bis hin zur ganz genauen Länge des Schlages. Am Computer sehe ich, dass ich sehr konstant bin. Konstant katastrophal. Wenn jetzt Oliver Kahn hereinkommt. Mein Smash-Faktor ist eine Tragödie. Der Smash-Faktor ergibt sich aus Schlägerkopfgeschwindigkeit und Ballgeschwindigkeit. Habe ich beides nicht, deshalb ist mein Wert auch nicht 1,5, wie es optimal wäre, sondern 1,07.

In meiner High-Tech-Tour erfahre ich als nächstes am Sam Balance Lab mittels Sensoren in einer Bodenplatte, dass meine Gewichtsverteilung im Setup sowie während der Aushol- und Durchschwungbewegung nicht passt. Jörg hat genug gesehen. Er beauftragt seinen Assistenten Peer mich unter seine Fittiche zu nehmen und von ganz vorne anzufangen. Er selbst ist sich wohl zu schade. Hoffnungsloser Fall, das kann auch mein junger Assistent übernehmen.

Kurz erwäge ich, beleidigt zu sein. Ich muss mich vor einen überdimensionalen Spiegel stellen und an meinem Setup arbeiten. Ohne Ball nur auf Stand, Griff, Schlagfläche und Rückschwung achten und dabei schauen, wie schön das im Spiegel aussieht. Zuerst geht es um den Griff. Wenn man den Schläger falsch hält, ist es unmöglich, den Ball konstant gut zu treffen. An einem speziellen Schläger, an dem der Griff vorgegeben ist und man seine Hände nur reinlegen muss, übe ich. Bestimmt hundertmal. Solange bis es in mir abgespeichert ist.

Danach ist die Schlagfläche dran. Genauso schlimm wie der falsche Griff ist die falsche Schlagflächenhaltung. Viele Kompensations-Fehler sind die Folge. Wieder lerne ich an zig Trockenübungen, wie es technisch richtig ist. Das Gleiche machen wir noch bei der Ausholbewegung, dem Rückschwung und der Schulterdrehung. Mit High-Tech hat das Ganze in diesem Moment nichts zu tun, sondern nur mit einem kompetenten Coach, der mir die Basics nahe bringt.

Peer korrigiert mich immer wieder. Es fühlt sich komisch an. Ich spüre Muskeln am Rücken, die ich nicht kannte, aber Peer gefällt es. "Genau so, perfekt. Und immer schön locker." Es dauert, aber nach einer Zeit ist Peer so zufrieden, dass er mir einen schwarzen Stoffsack vor die Füße wirft. Ich solle jetzt einfach das eben am Spiegel Gelernte umsetzen, eine kurze Ausholbewegung machen und so fest draufhauen, wie ich kann. Es geht um den Treffmoment. Mit dem ersten Versuch bewege ich den Power Block gleich vier Meter nach vorne. "Nicht schlecht, aber Oliver Kahn haut den quer durch die Halle", sagt Peer.

Nachdem ich mich am Power Block verausgabt habe, erlaubt es Peer, dass ich wieder gegen einen Ball schlagen darf. Ich bin gespannt, verharre unglaublich lange in meiner Ansprechposition. Ich hole aus und lasse meinen Körper den Rest machen. Whooosh macht es. Was war das denn für ein Geräusch! Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich, wie es sich anhört, wenn man einen Ball so wunderbar sauber trifft. Jörg, der aus Höflichkeitsgründen mal vorbeischaut, ist beeindruckt und will sofort neue Video-Aufnahmen machen.

Danach ist die Zeit um. "Das nächste Mal werden wir Putten", verspricht Jörg. Mit Ultraschallbewegungen. "Und du wirst deinen Schwung in einer 3D-Animation sehen." Mit keinem anderen Gerät weltweit könne ein Schwung so haargenau untersucht werden. Als ich nach draußen in den Regen gehe, stelle ich mir vor, dass ich noch 22 Jahre habe, bis ich auf der Profi-Senioren-Tour spielberechtigt bin. Nimm dich in Acht, Adam Scott ;)
Aufrufe: 2354 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 6 | Erstellt:09.02.2009
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