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15.06.2010 um 19:03 Uhr
Torchancen verzweifelt gesucht!
Wenn man sich überlegt, dass Portugal und die Elfenbeinküste in Gruppe G zusammen mit Brasilien spielen, so war das Unentschieden zwischen beiden Teams fast schon zwangsläufig. Beide müssen gegen die Brasilianer mit einer Niederlage rechnen und eine zweite im heutigen Spiel wäre schon das sichere WM-Aus gewesen. Folglich darf niemand überrascht sein, dass beide nicht alles auf eine Karte gesetzt haben.

Trotzdem war es ein interessantes Spiel. Die Elfenbeinküste begann im erwarteten 4-3-3, allerdings ohne Superstar Didier Drogba. Im Gegensatz zu den vorher verbreiteten Aufstellungen kam zwar Dindane für Drogba ins Team, doch er übernahm nicht dessen zentrale Sturmposition. Stattdessen spielte Gervinho in der ivorischen Sturmzentrale, unterstützt von Dinande rechts und Kalou links. Ob dieser Schachzug von Trainer Sven-Göran Eriksson allerdings glücklich war, sei dahingestellt. Dindane zeigte jedenfalls nichts von dem, was ein Flügelspieler bringen muss und verlor das Duell gegen Portugals linken Außenverteidiger Fabio Coentrao turmhoch.

Ansonsten hatte Eriksson, wie schon vorher erwartet, den Sechser Zokora als zweiten Innenverteidiger neben Kolo Touré zurückgezogen. Guy Demel vom HSV lief als Rechtsverteidiger auf, Arsenals Emmanuel Eboué startete dafür im Mittelfeld.

Die Portugiesen begannen mit einer ähnlichen Formation. Liedson war die zentrale Sturmspitze, unterstützt von Danny (Zenit St. Petersburg), der statt Simao begann. Über rechts attackierte Cristiano Ronaldo, der allerdings im Lauf der Partie mehrfach die Seiten mit Danny tauschte. Außerdem stieß Ronaldo in einigen Situationen auch ganz nach vorne und spielte neben Liedson. Diese Offensivrochaden sollten offensichtlich den Gegner verwirren. Deco bekleidete die Zehnerposition, hinter ihm spielten Meireles als Achter und Mendes auf der Sechs. Conentrao begann hinten links, wo einige eher Duda erwartet hatten.

Der große taktische Schachzug der Partie kam von Sven-Göran Eriksson. Der schwedische Chefcoach der Ivorer wollte offenbar ein Schicksal wie 2006 vermeiden, als die Afrikaner begeisternden Offensivfußball geboten hatten, aber mit 6 Gegentoren in drei Spielen folgerichtig nach der Vorrunde ausschieden. Also straffte er die Defensive und attackierte Portugal auf ungewöhnliche Weise.

In vorderster Linie ließ er nämlich nicht nur einen oder zwei Stürmer verteidigen, sondern stellte alle drei Offensive auf eine Linie. Schon in der gegnerischen Hälfte ließ er sie konsequent Mittelfeldpressing spielen. Dazu stießen immer wieder abwechselnd die beiden Mittelfeldspieler Tioté und Eboué nach vorne, um die erste portugiesische Anspielstation im Mittelfeld (meistens Mendes) zuzustellen. Dadurch sah sich Portugal im Spielaufbau schon in der eigenen Hälfte einer ivorischen Wand gegenüber, die teilweise aus vier Mann bestand. Die ivorische Abwehr rückte hoch heraus und hielt die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen klein. Die Mitte war schon in der portugiesischen Hälfte vollkommen dicht und die ivorischen Flügelspieler stellten auch noch die Außen zu, so dass Portugals Aufbauspiel zu Ballgeschiebe in der eigenen Hälfte verkam. Bezeichnend, dass Portugals einzige Chance vor der Pause durch eine Einzelaktion von Ronaldo per Fernschuss zustande kam.

Portugal war nie in der Lage, Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte zu etablieren und verlor die Bälle häufig früh. Daraus hätten sich in der Theorie Kontergelegenheiten für die Elfenbeinküste ergeben müssen, doch die litten darunter, dass die Offensiven der Ivorer oft zu eigensinnig waren (Kalou, Gervinho), sich im eins-gegen-eins nicht durchsetzen konnten (Dindane) und generell wenig Lust auf Kombinationsspiel hatten (alle). Konsequenterweise sahen wir also (mal wieder) eine Halbzeit fast ohne Torszenen. Ich denke, daran werden wir uns gewöhnen müssen. Alle, die auf eine offensive WM gehofft hatten, müssen diese Hoffnungen inzwischen begraben. Die Frage der WM lautet nämlich nicht: Spiele ich mit einem, zwei oder drei Stürmern? Stattdessen müssen sich die Trainer fragen: Wie bringe ich den Ball überhaupt vor das gegnerische Tor?

Nach der Pause gaben die Ivorer ihr Defensivkonzept auf, zogen sich tiefer in die eigene Hälfte zurück und attackierten nur noch mit ihrem Stoßstürmer (erst Gervinho, später Drogba) auf Höhe der Mittellinie. Dahinter stand eine Fünferlinie aus Mittelfeldspielern, die ihre Viererkette abschirmte. So entstand mehr Raum auf dem Feld, doch beide Teams machten daraus ziemlich wenig, obwohl sich nun die Außenverteidiger auf beiden Seiten etwas mehr in die Offensive einschalteten, was vor der Pause gar nicht passiert war. Die Elfenbeinküste spielte etwas konsequenter nach vorne, doch wirklich klare Torchancen gab es auch der Pause fast gar nicht.

Nach Drogbas Einwechselung in der 66. Minute wurde auch klar, dass seine Abwesenheit zuvor nicht der Grund für das ungefährliche Angriffsspiel der Ivorer gewesen war. Auch er konnte kaum etwas bewirken. Erneut zeigt sich hier also das zentrale Thema dieser ersten WM-Woche: Wie setze ich meine Stürmer in Szene? Eine Antwort fanden beide Teams jedenfalls nicht, auch weil sie aufgrund der Konstellation nicht allzu intensiv nach einer suchten. Für mich bleibt allerdings eins unklar: Was machen die eigentlich, wenn sie mal ein Tor schießen müssen?

Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 2468 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 3 | Erstellt:15.06.2010
ø 7.0
KOMMENTARE
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MaVeRicK_90
15.06.2010 | 19:21 Uhr
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15.06.2010 | 19:21 Uhr
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Schöne Analyse, ich sehe das im Grunde genauso.

Allerdings muss ich sagen, mich überrascht diese destruktive Spielweise der meisten Teams überhaupt nicht! Ich war mir ziemlich sicher, dass vor allem beim 1. Spieltag der Gruppenphase wenig bis gar kein Risiko eingegangen wird.
Die Mannschaften haben gemerkt, dass es einfacher ist zu verteidigen und dass man sich mit einem Remis immer noch alle Chancen auf das weiterkommen wahrt. Vor allem die Teams aus Asien und Afrika bedienen sich dieser Taktik, da sie erstens meistens Trainer aus Europa haben und zweitens aus ihren Fehlern in der Vergangenheit gelernt haben(siehe Elfenbeinküste).

Dennoch bin ich weiterhin optimistisch was die WM angeht. Ich bin mir relativ sicher, dass der 2. Spieltag deutlcih torreicher werden wird, viele Mannschaften stehen schon unter Zugzwang, da wird bestimmt mit einem etwas offeneren Visier gespielt werden.
Hinzu kommt, dass das wahre Schmankerl einer WM, die K.O. Phase, erst noch bevorsteht. Deswegen bin ich mir eig relativ sicher, dass diese WM uns noch reichlich Tore, attraktiven Fußball und viel Freude bescheren wird.
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