30.05.2010 um 16:55 Uhr
Tod oder Tipp-Gladiolen
Algerien oder Slowenien? Und Chile oder Honduras? Es ist wieder WM-Tippspiel-Zeit
Noch wenige Wochen zum Anpfiff, und schon ist alle Welt nicht nur im WM-Fieber sondern auch im WM-Tippspiel-Fieber. Ob im Büro im Kollegenkreis, in der Schule auf dem Pausenhof, in der Umkleide des Fußballvereins und natürlich auf jeder drittklassigen Internet-Seite stellen sich für die Teilnehmer die Fragen von zentraler Bedeutung: Schlägt Algerien Slowenien, oder schaffen es doch die USA in die K.O.-Runde? Wie weit kommt der Gastgeber? Kann Nordkorea die Brasilianer ärgern? Wer wird Torschützenkönig? Wie viele Spiele werden im Elfmeterschießen entschieden? Wie viele Flitzer wird es geben? Und wie viele gelbe Karten hat sich die deutsche Elf nach den ersten 45 Minuten gegen Australien eingehandelt?
Lange vorbei sind inzwischen wohl die Zeiten in denen alle Tipps auf Zetteln festgehalten werden und dem Spielleiter übergeben werden mussten, der nach vier Wochen Turnier auf den vergilbten und zerknitterten, oftmals mit Bier überschütteten Fetzen versuchen musste, die Ergebnisse richtig zu lesen und sich bei der Punkteaddition nicht zu verzählen. Heute läuft das Ganze meist im Internet ab, genügend viele Anbieter für kostenlose Tipprunden gibt es, bei denen dann auch die ausgefallensten Fragen noch erstellt werden können.
Der Einsatz variiert vom bloßen Zeitaufwand fürs Tippen über Bierkästen bis zu unterschiedlich hohen Geldeinsätzen, und demnach gibt es in vielen Tipprunden auch nicht nur Ruhm und Ehre zu gewinnen sondern manchmal auch eine schöne Stange Geld – welches allerdings auf einer der unzähligen Public-Viewing Partys oftmals bereits im Voraus gemeinsam versoffen wurde.
Zum Erfolg bei einem solchen Tippspiel gehört natürlich das Näschen für die richtigen Tipps, und hier muss man nun einige Tipper-Typen ganz klar unterscheiden:
Der Tüftler bearbeitet seine Tipps in den Wochen vor der WM beinahe täglich. Vielleicht doch die Portugiesen, und Paraguay hat er vor wenigen Tagen auch überschätzt, außerdem muss ein Land vom schwarzen Kontinent einfach das Viertelfinale erreichen! Alle diese Überlegungen werden aber kurz vor Anpfiff des Eröffnungsspiels wieder über den Haufen geworfen. Läuft die WM erst einmal, kann der Tüftler beim Ausscheiden eines jeden Teams wenigsten von sich behaupten, dass er es ja eigentlich geahnt hatte, dann aber, leider, und das so kurz vor WM-Beginn, ach!
Der Statistiker weiß, dass Brasilien das einzige Land ist, welches außerhalb seines eigenen Kontinents den WM-Titel erringen konnte (sogar mehrmals), was das Team vom Zuckerhut sowie alle Afrikaner bei ihm diesmal automatisch zu Titelanwärtern macht. Außerdem kann er an Hand der ewigen WM-Tabelle konkrete Voraussagen treffen und analysiert seit Monaten die Bewegungen in der FIFA-Weltrangliste. Er ist von seinen Tipps überzeugt, zumindest auf einem Konfidenzniveau von 95%. Dass es am Ende doch nicht für den Titel des Tippkönigs reicht liegt an dem Umstand, dass man bekanntlich nur derjenigen Statistik trauen soll, die man selbst gefälscht hat.
Eine weitere Spezies bildet der Bauch-Tipper: Er macht sich gar nicht viele Gedanken, setzt sich hin und tippt die WM-Spiele einfach gnadenlos durch. Beim Ausrechnen der Gruppentabellen stellt er dann fest, dass er leider Spanien verloren hat, macht aber nichts. Denn wenn die Iberer später tatsächlich nach drei Spielen die Segel streichen müssen hat er es ja schon vorher gewusst. Der Bauchtipper landet beinahe immer unter den Top 3 der Abschlusstabelle.
Die Freundin bildet eine besondere Gruppe unter den Tippern. Eigentlich interessiert sie sich ja nicht besonders für Fußball, kann höchstens drei Bundesligisten korrekt beim Namen nennen und hält Louis van Gaal für den Gewinner der holländischen Variante der Superstar-Suche. Vom ihrem fußballverrückten Freund wurde sie aber zum Tippspiel überredet, und wo sie nun mal schon dabei ist kann sie sich ja auch das ein oder andere Spiel der Deutschen ansehen, den Kickern beim Trikotwechsel auf die Bauchmuskeln schauen und nach einem Tor von Schweini-Poldi-Odonkor ihre schwarz-rot-goldene Schminke verschmieren, wobei alles natürlich total geil ist. Eng wird es für die Beziehung allerdings, wenn die Freundin am Ende des Tippspiel vor ihrem Liebsten gelandet ist, der sie daher einige Tage lang gleich gar nicht mehr so lieb hat.
Der Fachmann hat seine Tipps seit Monaten im Kopf, er tippt das Turnier in fünf Minuten komplett durch, kennt er doch Chiles dritten Torwart mit Namen und kann alle Stationen in der Karriere des Slowakischen Assistenztrainers aufzählen. Natürlich hat er einen afrikanischen Geheimfavoriten der bei ihm am Ende Dritter wird. Der deutschen Mannschaft wiederum traut er nur wenig zu, Aus im Achtelfinale lautet seine Einschätzung – Gefühle haben hier keinen Platz, schließlich gilt es allen Konkurrenten sein überlegenes Expertenwissen zu beweisen!
Der Ahnunglose hat sich auf einer Party nach fünf Bier zur Teilnahme überreden lassen und auch den Einsatz gleich vor Ort berappt. Nun sitzt er verzweifelt vor dem WM-Spielplan (den er sich erst noch hatte besorgen müssen) und rätselt am Spielsystem herum. Seiner Vermutung nach sind die USA ganz weit vorne wie in jedem Sport, von Brasilien hat er auch schon mal etwas Gutes gehört und das Gastgeberland Südafrika kommt aus Sympathie bei ihm in die Vorschlussrunde. Das Tippen der einzelnen Spiele stellt er allerdings nach der Vorrunde ein – er liegt bereits aussichtslos zurück.
Der Patriot wiederum tippt Deutschland immer ins Finale – aus Prinzip. Fußball-Erzfeinde wie beispielsweise Italien oder Schmierlappen wie Cristiano Ronaldo scheitern bei ihm natürlich in der Vorrunde. Mit diesem System gelingen ihm überraschende Erfolge (WM 02 oder EM 08) oder bedingungslose Abstürze ans Tabellenende (EM 2000 und 04). Seit Lenas Erfolg beim Eurovision Song Contest ist er übrigens davon überzeugt, dass Deutschland Weltmeister wird!
Noch wenige Wochen zum Anpfiff, und schon ist alle Welt nicht nur im WM-Fieber sondern auch im WM-Tippspiel-Fieber. Ob im Büro im Kollegenkreis, in der Schule auf dem Pausenhof, in der Umkleide des Fußballvereins und natürlich auf jeder drittklassigen Internet-Seite stellen sich für die Teilnehmer die Fragen von zentraler Bedeutung: Schlägt Algerien Slowenien, oder schaffen es doch die USA in die K.O.-Runde? Wie weit kommt der Gastgeber? Kann Nordkorea die Brasilianer ärgern? Wer wird Torschützenkönig? Wie viele Spiele werden im Elfmeterschießen entschieden? Wie viele Flitzer wird es geben? Und wie viele gelbe Karten hat sich die deutsche Elf nach den ersten 45 Minuten gegen Australien eingehandelt?
Lange vorbei sind inzwischen wohl die Zeiten in denen alle Tipps auf Zetteln festgehalten werden und dem Spielleiter übergeben werden mussten, der nach vier Wochen Turnier auf den vergilbten und zerknitterten, oftmals mit Bier überschütteten Fetzen versuchen musste, die Ergebnisse richtig zu lesen und sich bei der Punkteaddition nicht zu verzählen. Heute läuft das Ganze meist im Internet ab, genügend viele Anbieter für kostenlose Tipprunden gibt es, bei denen dann auch die ausgefallensten Fragen noch erstellt werden können.
Der Einsatz variiert vom bloßen Zeitaufwand fürs Tippen über Bierkästen bis zu unterschiedlich hohen Geldeinsätzen, und demnach gibt es in vielen Tipprunden auch nicht nur Ruhm und Ehre zu gewinnen sondern manchmal auch eine schöne Stange Geld – welches allerdings auf einer der unzähligen Public-Viewing Partys oftmals bereits im Voraus gemeinsam versoffen wurde.
Zum Erfolg bei einem solchen Tippspiel gehört natürlich das Näschen für die richtigen Tipps, und hier muss man nun einige Tipper-Typen ganz klar unterscheiden:
Der Tüftler bearbeitet seine Tipps in den Wochen vor der WM beinahe täglich. Vielleicht doch die Portugiesen, und Paraguay hat er vor wenigen Tagen auch überschätzt, außerdem muss ein Land vom schwarzen Kontinent einfach das Viertelfinale erreichen! Alle diese Überlegungen werden aber kurz vor Anpfiff des Eröffnungsspiels wieder über den Haufen geworfen. Läuft die WM erst einmal, kann der Tüftler beim Ausscheiden eines jeden Teams wenigsten von sich behaupten, dass er es ja eigentlich geahnt hatte, dann aber, leider, und das so kurz vor WM-Beginn, ach!
Der Statistiker weiß, dass Brasilien das einzige Land ist, welches außerhalb seines eigenen Kontinents den WM-Titel erringen konnte (sogar mehrmals), was das Team vom Zuckerhut sowie alle Afrikaner bei ihm diesmal automatisch zu Titelanwärtern macht. Außerdem kann er an Hand der ewigen WM-Tabelle konkrete Voraussagen treffen und analysiert seit Monaten die Bewegungen in der FIFA-Weltrangliste. Er ist von seinen Tipps überzeugt, zumindest auf einem Konfidenzniveau von 95%. Dass es am Ende doch nicht für den Titel des Tippkönigs reicht liegt an dem Umstand, dass man bekanntlich nur derjenigen Statistik trauen soll, die man selbst gefälscht hat.
Eine weitere Spezies bildet der Bauch-Tipper: Er macht sich gar nicht viele Gedanken, setzt sich hin und tippt die WM-Spiele einfach gnadenlos durch. Beim Ausrechnen der Gruppentabellen stellt er dann fest, dass er leider Spanien verloren hat, macht aber nichts. Denn wenn die Iberer später tatsächlich nach drei Spielen die Segel streichen müssen hat er es ja schon vorher gewusst. Der Bauchtipper landet beinahe immer unter den Top 3 der Abschlusstabelle.
Die Freundin bildet eine besondere Gruppe unter den Tippern. Eigentlich interessiert sie sich ja nicht besonders für Fußball, kann höchstens drei Bundesligisten korrekt beim Namen nennen und hält Louis van Gaal für den Gewinner der holländischen Variante der Superstar-Suche. Vom ihrem fußballverrückten Freund wurde sie aber zum Tippspiel überredet, und wo sie nun mal schon dabei ist kann sie sich ja auch das ein oder andere Spiel der Deutschen ansehen, den Kickern beim Trikotwechsel auf die Bauchmuskeln schauen und nach einem Tor von Schweini-Poldi-Odonkor ihre schwarz-rot-goldene Schminke verschmieren, wobei alles natürlich total geil ist. Eng wird es für die Beziehung allerdings, wenn die Freundin am Ende des Tippspiel vor ihrem Liebsten gelandet ist, der sie daher einige Tage lang gleich gar nicht mehr so lieb hat.
Der Fachmann hat seine Tipps seit Monaten im Kopf, er tippt das Turnier in fünf Minuten komplett durch, kennt er doch Chiles dritten Torwart mit Namen und kann alle Stationen in der Karriere des Slowakischen Assistenztrainers aufzählen. Natürlich hat er einen afrikanischen Geheimfavoriten der bei ihm am Ende Dritter wird. Der deutschen Mannschaft wiederum traut er nur wenig zu, Aus im Achtelfinale lautet seine Einschätzung – Gefühle haben hier keinen Platz, schließlich gilt es allen Konkurrenten sein überlegenes Expertenwissen zu beweisen!
Der Ahnunglose hat sich auf einer Party nach fünf Bier zur Teilnahme überreden lassen und auch den Einsatz gleich vor Ort berappt. Nun sitzt er verzweifelt vor dem WM-Spielplan (den er sich erst noch hatte besorgen müssen) und rätselt am Spielsystem herum. Seiner Vermutung nach sind die USA ganz weit vorne wie in jedem Sport, von Brasilien hat er auch schon mal etwas Gutes gehört und das Gastgeberland Südafrika kommt aus Sympathie bei ihm in die Vorschlussrunde. Das Tippen der einzelnen Spiele stellt er allerdings nach der Vorrunde ein – er liegt bereits aussichtslos zurück.
Der Patriot wiederum tippt Deutschland immer ins Finale – aus Prinzip. Fußball-Erzfeinde wie beispielsweise Italien oder Schmierlappen wie Cristiano Ronaldo scheitern bei ihm natürlich in der Vorrunde. Mit diesem System gelingen ihm überraschende Erfolge (WM 02 oder EM 08) oder bedingungslose Abstürze ans Tabellenende (EM 2000 und 04). Seit Lenas Erfolg beim Eurovision Song Contest ist er übrigens davon überzeugt, dass Deutschland Weltmeister wird!
Aufrufe: 2943 | Kommentare: 8 | Bewertungen: 13 | Erstellt:30.05.2010
ø 9.3
KOMMENTARE
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30.05.2010 | 16:59 Uhr
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Vfb_Make_My_Day :
cooler blog, 10 punkte
1
30.05.2010 | 17:23 Uhr
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mread :
Aha, Meister Hell, du also auch hier? ;)Verdammt geiler Blog, aber nichts anderes habe ich von dir erwartet. Gratuliere! Sprachlich top, witzig und voller Wahrheiten über Tipper (ich bin übrigens der Typ Fachmann).
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30.05.2010 | 17:36 Uhr
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Bailey :
Wie geil...und so was von vollkommen richtig!Ich weiß zwar nicht, welcher Typ ich bin (das wechselt), aber ich weiß, dass ich meist im gesicherten Mittelfeld lande...genug um sich nicht zu blamieren, zu wenig um zu glänzen
10P
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30.05.2010 | 17:49 Uhr
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giovane :
zutreffend und humorvoll. 10pich werde aber wohl keiner deiner varianten gerecht. bin nämlich ein nicht-tipper!
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01.06.2010 | 19:16 Uhr
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03.06.2010 | 21:09 Uhr
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Meine Freundin gleicht das aber als Patriotin (tippt nie gegen Deutschland) wohl wieder aus!
Deshalb freuen wir uns auf die WM...und treffen uns mit den Tips wohl in der Mitte!
Schön geschrieben, humorvoll erklärt und, was immer seltener wird,mit lesbarer Rechtschreibung verfasst - und darum mit 10 Punkten honoriert!
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