Fußball zu gucken macht mir immer weniger Spaß. Und das liegt nur bedingt an den Auftritten Werders zurzeit. Denn so desillusionierend einfallslos sie in dieser Spielzeit auch erneut auf dem Platz herumwürgen mögen, gibt es doch etwas, was seit Jahren schon weitaus mehr nervt. So ist mein ganz spezieller Freund des 19. Spieltags in der 1. Bundesliga der Augsburger Matthias Ostrzolek. Dessen Auftritt in der Nachspielzeit der ersten Hälfte war einfach nur erbärmlich. Vorhang auf:
Im Augsburger Stadion läuft Minute 45+2, es steht 1:1 glücklich aus Bremer Sicht. Ecke für die Gäste, ein bisschen Hoffnung. Nicht viel, aber ein bisschen. Auch für Santiago Garcia, Werders ungestümen argentinischen Gelb-vorbelasteten Außenverteidiger. Als er die Chance sieht, im Torraum an den Ball zu kommen, springt er ab. Mit vollem Risiko, gestrecktem Bein und der so genannten offenen Sohle. Doch der am langen Pfosten postierte Ostrzolek ist schneller und drischt ihn weg, den Ball. Garcia versucht noch zurückzuziehen, segelt aber ohnehin am Augsburger vorbei. Ostrzolek interessiert das indes nicht. Er will die Karte für den Gegner, sinkt darnieder, hält sich Fuß und Gesicht, wälzt sich hin und her. Garcia bekommt Gelb-Rot.
Der Platzverweis mag ob des rücksichtslosen Einsteigens vertretbar sein, zumal der Bremer bereits zuvor nach einem Ellbogenrempler ermahnt worden war, doch darum geht es nicht. Es geht vielmehr um einen (so genannten) Sportler, der sich vollkommen ungestraft vollkommen unfair verhalten kann. Um einen (so genannten) Sportler, der sich hinterher auch noch dummdreist hinstellt und behauptet, er habe nicht geschauspielert. Verständlich, dass Werder-Trainer Robin Dutt diesen (so genannten) Sportler auf der Pressekonferenz im Anschluss an den Pranger wünscht.
Das ist eine gute Idee. Regelmäßige öffentliche und deutliche Kritik nach solchen Aktionen würde auf Dauer zu einem Imageverlust der betreffenden Spieler und - noch wichtiger - ihrer Vereine führen. Und das will in einer Zeit, in der jeder seinen Marktwert auswendig kennt, keiner der Beteiligten. Aber mal sehen: Beim Bezahlsender SKY erhielt Ostrzolek für seine Darstellung eine glatte "Sechs". Das ist ein guter Anfang. In der ARD-Sportschau, sicherlich deutlich zuschauerwirksamer, gab es dagegen keinerlei Ansatz zur Kritik. Traurig. Vergebene Chance.
Auch die großen Tageszeitungen nahmen sich des Themas auf ihren Webauftritten unterschiedlich an. So reichten die Reaktionen von keiner (FAZ, FR) über eine Verhöhnung in der Elf des Tages auf sueddeutsche.de bis zu klaren Worten (Mies!) bei bild.de, wo sogar ein Oscar für Ostrzolek gefordert wird. Kritik gab es zudem von der Werder nahestehenden Kreiszeitung Syke sowie in der Augsburger Allgemeinen, die den FCA-Akteur ob des "überflüssigen" Auftritts, "als er den sterbenden Schwan mimte", mit James Dean vergleicht. Die Note "Zwei" bekam er vom Heimblatt trotzdem. Auch das ist schade.
Denn was der Sportkamerad Ostrzolek sich in der beschriebenen Situation geleistet hat, ist leider kein Einzelfall. Häufig ist im Zusammenhang mit solchen Einlagen der Ausdruck clever zu vernehmen. Wie bitte? Das ist nichts anderes als ein Täuschungsversuch. Dieser Tatbestand hat politische Karrieren beendet (oder zumindest unterbrochen). Warum dürfen Fußballer das ungestraft immer und immer wieder machen? Selbst in der freien Wirtschaft, wo Lug und Trug vielfach zum Programm gehören, hat man inzwischen ein Gewissen entdeckt. Im Fußball aber gibt es einen Tadel, wenn man sich bei selbst der kleinsten Berührung im Strafraum nicht fallen lässt.
So lange das Zeitspiel grassiert, Schauspiel, pardon, Cleverness erwünscht ist und sich selbst um den unbedeutendsten Einwurf gezankt wird, sind die nationalen Verbände, oder noch besser die UEFIFA, gefordert, durch nachträgliche disziplinarische Maßnahmen für eine Rückbesinnung auf das Wesentliche, nämlich das wundervolle Fußballspiel zu sorgen. Bis das passiert, ist aber wohl leider noch der eine oder andere Pranger vonnöten.
Aber nicht die Spieler allein tragen an diesem "Auswuchs" einen Großteil der Schuld, sondern auch die Medien und die "unsäglichen" Kommentatoren und Moderatoren, die solchen Betrug durch "clever angenommen" oder "genügend Erfahrung,um solche Situationen anzunehmen" bagatellisieren, statt solche Aktionen rigoros anzuprangern und als das bezeichnen, was es ist. Die Reaktionen der englischen Zuschauer finde ich in dieser Richtung sehr positiv solches Verhalten auch zu "ächten". Wie lächerlich sind Situationen, wo sich "berührte" Spieler schmerzverzerrt Körperbereiche halten, die garnicht kontaktiert wurden u.wie oft habe ich schon an der Außenlinie von Physios das falsche Bein behandeln sehen. Genauso lächerlich die "Sofortheilungen" nach entsprechender Bestrafung des Gegenspielers durch den Schiri.
Wir sollten alle selbst auch solche Spieler ,auch des eigenen Teams, entsprechend kritischer gegenüberstehen und nach Möglichkeit auch zum Ausdruck bringen.
Ohne jetzt auf den Spieler einzeln einzugehen, erkennt man ja jede Menge Schauspielerei in Fussballspielen der Bundesliga. Ich denke das liegt zum großen Teil an den Schiedsrichtern, die einfach viel schneller pfeifen als Schiedsrichter andere Ligen. Als kleines Beispiel nur die Statistik des gepfiffenen Elfmeters in einem Spiel:
Dabei ist die Bundesliga in dieser Saison bei 0,32 Elfmetern/Spiel! Selbst in der Primera Division werden nur 0,29 Elfmeter/Spiel gepfiffen, wobei in England es nur 1 Elfmeter in fünf Spielen gibt (0,2 Elfmeter/Spiel). Dies zeigt ja objektiv eine starke Regelauslegung für die Offensive innerhalb der Bundesliga Schiedsrichtern, sprich, die Bundesliga pfeift offensiv-freundlicher.
Durch diese Entwicklung verändert sich ja auch das ganze Tackling Verhalten der Defensive (Angst vor gelben Karten Flut, Freistöße in guten Positionen, etc) und damit auch das Verhalten des individuellen Spielers. Um ein Foul erkenntlich zu machen, versucht er Signale an den Schiedsrichter zu setzen- und das läuft nur über Schauspielerei und übertriebene Mimik.