Das Massenschwitzen in der großräumigen Halle scheint ansteckend. An allmöglichen Geräten kleben die vertraglich gebundenen Fitnessverfallenen. Sie drücken, ziehen, strecken, reißen, heben, hetzen durch das Labyrinth der mechanischen Helfer auf dem Weg zum Traumkörper. Alle verfolgen sie ein Ziel: Perfektion. Sie sind infiziert. Schweiß rinnt über ihre Körper. Die Musik hallt und wird von den krächzenden Geräuschen der Geräte begleitet. Ab und an ein Stöhnen - mal lauter, mal leiser. Es gibt schönere Orte, aber kaum beliebtere. Fit ist in. Fit ist chic. Fit sollst du sein, sonst nichts.
Der Einstieg
Es ist alles so herrlich unkompliziert. So unverbindlich. Eine gemütliche Lounge lädt zum Entspannen ein. Bei diesem gefühlt spontan vereinbarten Probetraining weißt du noch nicht, dass du nie wieder dort sitzen wirst. Der Bereich existiert tatsächlich nur an diesem einen Tag. Man erklärt dir allerlei Gerätschaften, fragt nach deinem Level. Wie weit du bist, wie es um deine Physis steht. Hier fällt nach wenigen Übungen das Urteil über dein vorher geführtes, fitnessloses Leben. Das Urteil ist stets gleich: du musst trainieren, viel tun. Das bist du dir schuldig. Solltest du dir. Es ist ja schließlich alles nur ein Schnuppertraining. Niemand zwingt dich perfekt zu sein. Körperlich.
Die Geräte erscheinen dir wie Foltermaschinen, nicht wie etwas Förderndes. Sie machen dir Angst. Vor jeder vorgemachten Übung blickst du ungläubig durch die Halle und bewunderst die bereits fleißigen und mehr oder weniger perfekten Fitnessanhänger. Ist das echt etwas für dich? Die Geräte sind so simpel, dass du schnell deine anfängliche Angst ablegst. Das ist ja alles halb so wild. So weit wie die an den Klimmzugstangen bist du auch in einigen Wochen. Der Coach erklärt dir, dass du nach und nach die Belastung erhöhen solltest. Ob du schon Anstrengung empfindest? Kleine Schweißperlen sammeln sich auf deiner Stirn. Du verneinst.
Dein Coach ist berufsbedingt trainierter als du. Jede Übung führt er mit Leichtigkeit vor. Das spornt an. Dahin willst du auch mal kommen. Du bemühst dich um Perfektion. Er lächelt einigen attraktiven Fitnessanhängerinnen zu, die an euch vorbeigehen. Anerkennung für einen der Anführer in dieser Parallelwelt aus Gewichten, Griffen und Handtüchern. Nach einer halben Stunde seid ihr knapp zehn Geräte durchgegangen. Die Ziele werden nebenbei besprochen. Erst einmal 4-6 Wochen trainieren. Das, das, das. 3 x 10 hier, 3 x 20 dort. Ganzkörper. Danach sieht man weiter. Bereit für den Körper-TÜV. Die Unterschrift für ein Jahr Fitness fällt sonderbar leicht. Du bist bereit.
Die Lernphase
Noch an dem Abend ziehst du dein erstes Workout durch. Die einsetzende, entspannende Erschöpfung nach der Einheit macht dich glücklich. So schwer ist das doch alles gar nicht. Aber was soll daran auch schwer sein, bis auf das Gewicht, das du bewegst? Es sind simple Abläufe. Nichts davon ist komplex. Nur deine Physis entscheidet über Gedeih oder Verderb. Du redest dir trotzdem ein, dass du etwas unglaublich Großes geleistet hast. Nennen wir es den ersten Schritt, denn mehr war es nicht.
Der Morgen danach ist gezeichnet von Muskelschmerzen in den Schultern, Armen und Oberschenkeln. Es belegt, dass du in der Vergangenheit nicht so intensiver Belastung ausgesetzt warst, dass du etwas verpasst hast. Wieder ein Punkt, der dich näher an das Fitnessstudio bringt. Du fühlst dich umso mehr motiviert, dass das nie wieder der Fall sein wird. Du willst stärker sein, als du es jemals warst. Ja, du warst nur einmal dort, aber du denkst schon wie ein alter Bodybuilding-Hase.
Nach den anfänglichen Muskelkatertagen kommt rasch eine Routine in deine Trainings. Du wirbelst durch das Studio und ackerst dich an den Geräten auf einen bedrohlich niedrigen Akku-Stand. Deinem Smartphone würdest du so etwas nicht antun. Bei dir ist es aber etwas anderes, du brauchst das dringend. Stunden investierst du, bis deine Klamotten nach Hause schwimmen könnten. Du musst schließlich Jahre aufholen. Dir fehlen Definitionen. Wie konntest du nur ohne Fitness leben?
Plötzlich beschäftigst du dich mit Quatsch, den du vor 2-3 Wochen noch belächelt hast. Dir liegt viel daran zu wissen wie man leichter vorankommt. Das erste Mal liest du eine Men's Health, ohne dabei über die immer neuen Trainingsmethoden und Lebensweisheiten zu lächeln. Du stellst dein Leben langsam auf Fitness um. Trainingspläne werden genauestens erstellt. Die passenden Klamotten und Fitnessschuhe für die perfekte Einheit kaufst du nach intensiver Recherche. Alles für die bestmögliche Beziehung zu deinem neuen Zuhause, dem Studio. Da scheint jemand seine Leidenschaft entdeckt zu haben. Gewichte hin- und herzuschieben wie Schachfiguren. Nur dein Gegenspieler ist kein Taktiker, sondern ein Seilzug, und seine Figuren sechs Scheiben mit Gewichten. Fitness fängt im Kopf an, langsam merkst du sie aber auch im Körper. Die Ergebnisse pushen dich. Von jetzt an...
Die Routine
Auch wenn du dir einredest, dass das gewichtige Spiel Spaß macht, weißt du doch, dass es sehr monoton ist. Ständig die gleichen Duchläufe. Die Routine hat dich. Ab und zu würdest du am liebsten abhauen, aber noch motiviert dich die Masse an Trainierenden. Die Anderen ziehen es ja auch durch, du kannst jetzt nicht aufgeben. Die ersten Erfolge wollen bestätigt werden. Alle ackern sie für ihren Traum aus Perfektion und Anerkennung, den aber bloß niemand auszusprechen hat. Komplimente für sichtbare Erfolge schiebt man milde lächelnd beiseite. Ein Ach, das ist doch gar nichts nach außen, einen Haken in der Body-Checkliste nach innen. Ständig wird die Belastung erhöht, so verdoppelt man den Spaß. Die Adern zeichnen sich ab, der Druck steigt.
Je länger du dabei bist, desto mehr erwartest du von dir. Die ersten Helferlein gesellen sich zu dir. Eiweiß-Shakes, Power-Riegel, Vitaminwässerchen. Wieder so ein Ding, das du vor wenigen Monaten noch für Wahnsinn hieltest. Es verändert sich alles. Dein Leben ist auf Fitness eingestellt. Du siehst die Umwelt mit anderen Augen. Beim Essen achtest du auf die strikte Einhaltung der Profi-Tricks, die du erst brichst, wenn du besoffen zum Döner greifst. Nur benommen vergiftest du dich, sonst traust du dich nichts. Natürlich fühlt sich das anders an. Richtig, professionell, verantwortungsvoll. Das Training hat dich nicht nur stark gemacht. Du bist jetzt eine Maschine. Du denkst anders. In Intervallen, Regenerationsphasen und Kohlenhydraten. Reflexion der Muskelpartien, nicht deines Lebens.
Das Training ist pure Arbeit. Du fährst im steten 2-Schicht-Betrieb. Erst die Arbeit, dann das Fitness-Vergnügen. Du fühlst dich sonderbar, fast etwas wertlos, wenn du nicht in deinem Trainingstakt bleibst und mal eine Einheit verpasst. Es tut dir weh, wenn es nicht in den Armen brennt. Mittlerweile kennst du das halbe Studio. Die großzügig verspiegelte Wand vor den Hantelbänken ist dein Wohnzimmer. Dort fühlst du dich wohl. Nur noch drei Sätze, dann gehst du wirklich heim. Nur noch diese Runde auf der Bank. Diese 10 Pushes. Du drückst dich selbst aus wie eine Orange. Bis zum letzten Tropfen. Power rein, Power raus.
The Fittest
Vielleicht verlieren sich so viele in den Spiegeln, während sie das Training hinter sich bringen, weil sie sich nicht wiedererkennen, aber genau dafür bewundern. Nichts ist simpler als dieser Sport. Nichts verspricht eine so große Veränderung. Aber darin liegt auch die größte Gefahr: es gibt kein Maß. Überdefinition nimmt man unmöglich wahr, denn der Grundgedanke bleibt gleich. (Überspitzt ausgedrückt:) wer nicht zulegt, ist nicht erfolgreich. Ein Wettlauf ohne Ziellinie. Zwar schafft man die Hälfte des Rennens, aber danach geht es nicht weiter. Das Studio wird zum Hamsterrad. Dabei sucht man nur ein Ideal, das sich leider stetig verschiebt und deshalb so schwer zu finden ist.
Es gibt wohl kaum vergleichbare Orte, in denen sich jeder wie ein Sieger (über den eigenen Körper) fühlen kann. Und immer mehr verfallen diesem Trip. Sie versammeln sich in Scharen zum Persönlichkeitspimping, denn Fitness verändert nicht nur den Körper, es verändert alles. Das Selbstbewusstsein legt kräftig zu, so kräftig wie die oberflächlichere Betrachtung Anderer, die gar nicht bös gemeint ist, aber teils unausweichlich. Schließlich durchläuft man selbst eine Reihe von Veränderungen, setzt andere Maßstäbe, davon bleiben dann auch Mitmenschen nicht immer verschont. Einige entwickeln leicht narzisstische Züge, die sich bei Paraden in Bars und Clubs wunderbar präsentieren lassen. Nicht wenige werden zu Showmastern, die nicht viel reden, aber inszenieren, nämlich sich selbst.
Was so harmlos und unverbindlich begann, kann schnell zu einer Sucht werden. Eine der viel gelobten, wovon es nur sehr wenige gibt. Wer sich fit hält, ist vernünftig. Wer es übertreibt, ist eifrig, ehrgeizig, willensstark. So oder so kannst du bei diesem Sport nur gewinnen. Die Gesellschaft lebt es vor. Während alles rationalisiert, optimiert und digitalisiert wird, gilt es als unverzichtbar körperlich ebenso perfekt zu funktionieren. Neben einer Schere zwischen Arm und Reich gibt es auch eine weniger populäre zwischen Schwach und Stark. Und auf welcher Seite willst du stehen, wenn du wenigstens dabei die Wahl hast?
In diesem Sinne
tobzzzzn
also, nimms nicht persönlich aber so 100 % fresh bist du nicht, oder? Naja, scheinbar in der Tat eine Sucht mit verschiedensten, auch literarischen, Ausprägungen.
Ich persönlich hege einen gewissen Ekel vor zu krass trainierten Körpern, und dieser mcfit hype (darin beziehe ich euch nicht ein) geht mir ziemlich aufn sack. jeder meint nur weil er n bissl trainiert hat wien prolet rumlaufen zu müssen und geilt sich vor jedem spiegel oder schaufesnter an sich selbst auf. aber okay, respect vor ausdauer willenskraft und eiweiß shake mix-qualitäten.
Zum artikel: großartig dass der breitensport hier auch ein forum findet. das ist der richtige geist einer sport seite.
Ich denke jeder ist in diesem Bereich seines Glückes Schmied und ich sage ja es wird durchaus zu einer Art Sucht wird - und bei mir ist es definitiv eine!!!
So aussehen wie die Leute von der Bühne möchte ich auch nicht (zumindest wenn es Richtung Schwergewicht geht) - um Gottes Willen!!! das ist mir deutlich zu viel und empfinde ich nicht als ästhetisch, absolut nicht!
Deswegen sage ich ja die Faszination kann nicht jeder verstehen, es wäre ja auch schlimm wenn jeder da gleich wäre
es gibt auch genug Leute die in anderen Sportarten voll und ganz aufgehen oder in Musik, in schreiben, im malen was weiß ich was es da alles gibt... nur sieht man es diesen Leuten eben nicht so extrem von aussen an
Es ist nun mal mehr als einfach nur ein Sport, auf eine gewisse Art und Weise muss man schon sein Leben danach ausrichten, dass nicht jeder das nachvollziehen kann ist mehr als verständlich
Darf man fragen, wie lange du schon dabei bist?
Ich bin seit Ende Februar "im Training" und das Geschriebene spiegelt mich nur in Teilen wider. Vielmehr wollte ich die Breite der Fitnessanhänger wiedergeben, die mir in dieser Zeit aufgefallen sind. Deshalb hast du dich, GiveItAGo, vielleicht auch nur in einzelnen Passagen bestätigt gefühlt. Das ganze Thema Fitness finde ich aber sehr interessant, weil sich die Trainierenden in vielerlei Hinsicht verändern. Man kann sich dabei so unglaublich pushen. Faszinierend!
Mich hat die Sucht, die Pfostenschuss so schön beschrieben hat, nicht in der Form gepackt, da ich das nur nebenbei mache. 3-4 Einheiten á 45-60 Minuten in der Woche - ohne leistungssteigernde Präparate. :D
Fitness hat sich zu einem gesellschaftlichen Phänomen entwickelt. Ich kenne kaum noch jemanden, der nicht trainiert. Umso mehr könnte man darüber berichten, aber das Thema ist schon so populär, dass es gar nicht mehr besonders wahrgenommen wird, vielmehr erwartet man heute, dass es jeder tut.
Wie eingangs des blogs geschrieben: Fit ist in.
Wie lange seid ihr schon dabei?
In meinem näheren Umfeld, also Schule und Freundeskreis, hat eigentlich niemand Fitness betrieben. Verbreitet waren da eher Fußball oder auch Tennis, welches ich bis dahin auch gespielt hatte. Eher aus Langeweile kam ich dann mal von selbst zu der Hantelbank meines Vaters im Keller und wollte mal schauen, was ich so "gedrückt bekomme".
Und meine erste Erfahrung, die ich relativ schnell machte, war, dass mir dieser Sport eine Intensität bot, die ich so aus meinen vorheriegen Sportarten (Schwimmen, Kampfsport, Tennis), wohl auch aus Ermangelung von Ehrgeiz, so einfach nicht kannte.
Was mich einfach am meisten motiviert sind die persönlichen Erfolge, die man durch harte, ehrliche Arbeit erziehlt, sowohl beim stets steigenden Trainingsniveau, als auch am eigenen Körper.
Inzwischen trainiere ich natürlich auch im Studio mit einem 5er-Split und sehe und erlebe dort auch die von euch beschriebenen "Phänomen".
nach Anpassung meines TP´s bin ich bei 5x Woche wobei ich jedesmal ca. 45-60 reine Trainingszeit (exkl. warm machen und cool down)
Die "schweren" Gewichte habe ich jetzt erst einmal beiseite gelegt (auch den Gelenken zu liebe (Fischöl ist halt nicht sooooo lecker))
Illegale Substanzen kommen mir auch nicht in den Körper
bis Anfang dieses Jahres habe ich nichtmal Eiweißshakes zu mir genommen, bzw. unregelmäßig und dann auch nur für den Geschmack
Einen großen Teil kann man halt doch durch die Ernährung regeln (auch ohne immer mit seiner Tupperdose Pute im anschlag)
Vor dem Training gibt es nur nen starken Kaffee oder nen Booster und dann geht's los
Die Sucht hat mich auch nicht sofort erwischt, wie gesagt hat bestimmt 4 Jahre gedauert bis ich Feuer und Flamme war, aber wenn man sieht wie sich der Körper entwickelt, wie der ganze Gang sich verändert, wie aus dem verschüchterten dicken Jungen mit den hängenden Schultern ein Mann wird der Vitalität ausstrahlt - ist das einfach nur geil...
Und dann will man mehr - langsam macht man sich Gedanken um seinen TP, dann kommt die Ernährung und so geht's immer weiter
Ich kann Leute verstehen die irgendwann anfangen zu stoffen um weiter zu kommen - aber für mich kommt das nicht in Frage!!!!
Bei jedem Gang auf die Waage, bei jedem Gang an einem Spiegel vorbei, bei jeder einzelnen Mahlzeit...
Sobald der Pre-Workout-Shake einsetzt ist der Kopf nur noch auf Eisen fixiert... es gibt nichts anderes mehr!!! du willst nur noch unters Eisen... wenn die Schienbeine beim Kreuzheben immer weiter aufreissen... egal es geht weiter... das Blut lässt sich wieder abwaschen, der Erfolg bleibt... wenn du die Hanteln nichtmehr halten kannst... Scheiß drauf - wofür gibt's Griffhilfen
Bei jedem Dipp wo die Griffe unter dem Zusatzgewicht anfangen zu knarren
Bei jedem Klimmzug wo du unter Ächzen deine Brust bis unter die verdammte Stange bekommst...
Die Kurzhantel die du mit Einsatz all deiner Kraft immer wieder und wieder nach oben powerst und unten unter Dehnungsschmerzen hältst
Bei jeder einzelnen Kniebeuge wo nach der letzten Wiederholung schwärze vor den Augen auftaucht das blinzeln der Sterne
Und immer wieder der Blick in den Spiegel wie sich die Adern auf dem Bizeps abzeichen, die Ader vom Scharmbein bis hoch unter die Achsel verläuft
der Trizeps sich zu einem Dreieck verwandelt sobald du den Arm ausstreckst
Diese Faszination die nie jmd verstehen wird der nicht mit leib und seele dabei ist...
Ist gibt nichts was so befriedigend und doch zu undankbar ist... und doch liebe ich es!!!
Get ripped stay lean