Nach so vielen Jahren auf Spox.com ist es für mich nun an der Zeit, ein ernsteres Thema zu behandeln. Ein Thema, über das die meisten von euch sich schon sehr oft Gedanken gemacht haben dürften, etwas, das in vielen von euch immer wieder dieses dumpfe Gefühl der Wut, die Frage nach dem "Warum?" aufkommen lässt, aber leider auch ein Thema, das in Deutschland noch immer als Tabu gilt.
Die Stellung der Blasmusik im deutschen Fußball.
Als diese Sportart in Deutschland Einzug hielt, zu Beginn des letzten Jahrhunderts, war die Welt noch in Ordnung. Die Menschen verfolgten am Spielfeldrand ruhig das Spielgeschehen und genossen die wundervollen Töne einer Kapelle, die jede einzelne Szene fröhlich begleitete. Heute hört man in den deutschen Arenen kaum mehr solch wundervolle Musik. Spielte früher eine Blaskapelle bei jedem Tor den Radetzky-Marsch, sind nunmehr nur noch Dinge wie Scooter zu hören, Musik von der Art, wie man sie eher als Begleitmusik auf der Toilette eines McDonalds erwarten dürfte.
Ein Schlag ins Gesicht für alle Freunde dieser traditionellen Musikart, auch für Herbert Schuler, einem der größten Lobbyisten für die Blasmusik beim DFB. Ich hatte das Glück (okay eigentlich eher Pech), ihn gestern in Frankfurt besuchen zu dürfen.
Als ich zu seiner Wohnung fuhr, saß er gerade an seinem Schlagzeug und schrie sich so laut er konnte den Frust über seinen Arbeitstag bei Lidl von der Seele. Ich bin mir allerdings sicher, dass dort auch sehr viel Wut über die Vernachlässigung der Blasmusik im deutschen Fußball mitschwang.
Manchmal, dann, wenn statt der Wut die Trauer überwiegt, so erzählt er mir plötzlich, setzt er sich jedoch auch einfach nur mit seiner Klarinette ans Fenster.
Er will, so gesteht er, seine Musik mit der Umgebung teilen, die Jugendlichen, die unten rappend an seinem Haus vorbeilaufen begeistern, ihren Geschmack endlich ändern, doch was er erntet ist stets nur Gelächter.
Zugegebenermaßen ist die Wahl dieses Problemviertels in Frankfurt (um nicht zu sagen, dass ganz Frankfurt ein Problemviertel ist) vielleicht auch eine leicht unglücklich Wahl, dennoch trifft mich der Schlag, als er es mir vorführt und sofort ein lautes "Alter Schlampe da oben halt die Fresse, bisch du Mozart oder was?" zu hören ist. Die Zeiten, in denen er in der Blasmusikszene als riesiges Talent, ja als neuer Mozart galt, sind jedoch schon lange vorüber.
Nicht nur sein Traum von einer Welt, in der die Blasmusik König Pop und Rock vom Thron stößt, sondern auch seine Ehe ist mittlerweile zerbrochen.
Seine Frau hatte die Leidenschaft nie mit ihm geteilt, so erzählt er, während ihm Tränen die Backen herunterrinnen. Als er ihr letzte Weihnachten ein Tenorhorn geschenkt habe, hätte sie ihn mit hochrotem Kopf verlassen. Er wäre ein Schuft, habe sie ihm laut zugerufen, die Türe zugeschlagen und sich nie wieder blicken lassen.
Dann leite ich das Gespräch auf das Thema Fußball, ich will nicht, dass er vor mir zerbricht. Doch mein Themenwechsel hat einen gegenteiligen Effekt. Er beginnt nun laut zu weinen, erst vierunddreißig Minuten später hat er sich wieder beruhight. "Weisch", stöhnt er dann auf Schwäbisch, er wurde 1956 in Wangen im Allgäu geboren, nun ist er bereit, mir Auskunft zu geben, "wenn heute ein Blasmusikorchester sagt, komm FC Schalke 04, lass uns vor dem Spiel ein Stück mit unseren Instrumenten spielen, dann sagen die einem gleich "Hau ab, sonschd rufen wir die Polizei". Die Anzahl der Blasmusik im deutschen Fußball ist letztes Jahr auf 0,00291 Prozent gesunken, so tief wie noch nie. Ein historischer Tiefpunkt. Aber wir müssen kämpfen", nun ballt er seine Hand zu einer Faust, "wir müssen kämpfen! Es gibt auch positive Anzeichen, wusstest du zum Beispiel, dass während des Oktoberfestes eine Blasmusikkapelle während der Halbzeitpause durch die Allianz Arena lief?".
Ich schüttelte den Kopf, bin positiv überrascht. Die Bayern scheinen auch in diesem Gebiet mal wieder Vorreiter zu sein.
Und just in diesem Moment, als ich mich verabschieden und diesen starken, tollen Mann mit seiner Trauer wieder alleine lassen will, da erklingt vor dem offenen Fenster plötzlich Musik. Gehfühlvolle, wunderschöne Musik.
Ich schaue nach draußen und weiß sofort, dass dies der schönste Moment in meinem und auch meines Zimmergenossens Leben ist. Er hat es geschafft.
Unten stehen drei Jugendbliche mit Baseballcap, ihre Gesichter voller Piercing, alle drei mit Klarinette.
Gefühlvoll spielen sie Mozarts Zauberflöte und unsere sowie der ihren Herzen gehen auf, sie erblühen, sie erspringen, und das ist noch untertrieben!
Immer mehr Leute versammeln sich, Tränen fließen, das Leben, es wird gelebt!
Sollte jemand dabei gewesen sein, der stocksauer den Mittelfinger ausgestreckt hat, ich habe ihn nicht gesehen.
Und dies sollte und muss nun auch die Herren von der DFL endlich inspirieren!
Die Blasmusik MUSS endlich wieder eine höhere Stellung einnehmen!
Bitte! Ich spreche nicht für mich, ich spreche für die Gesellschaft. Ich spreche für Tausende, wenn nicht gar Millionen, nein Milliarden!!! Bitte!!!!!! HELFEN SIE UNS!!!
Euer MarcelPutz!
3 Klarinetten und Zauberflöte. Da fehlt mindestens ...
Ach lassen wir das Detail. Starke Sache Marcel und verdient 2 Punkte und eine Runde weiter.
Ups, ist ja noch nicht mal Blogpokal
Warum bedankst Du Dich bei jeden persönlich und löschst es dann
Gnanag
ich freue mich schon echt auf Euer Triell
So genug, viel Spaß allen hier bei der Blasmusik
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schon die überschrift rockt
Also es gibt noch vereinzelt Stadien in Süddeutschland, dort wird der Zillertaler Hochzeitsmarsch gespielt, wenn ein Tor fällt
Und der Blog ist ja mal richtig spitze. Den hättest du dir für den Blogpokal aufsparen sollen. Ich hätte keine Bedenken, dass du damit nicht eine Runde weiter kommst
Allein der Satz hat mich zusammenbrechen lassen: schrie sich so laut er konnte den Frust über seinen Arbeitstag bei Lidl von der Seele oder das: Als er ihr letzte Weihnachten ein Tenorhorn geschenkt habe, hätte sie ihn mit hochrotem Kopf verlassen.Herrlich
Putz verdammt damit hättest du beim Blogpokal alle geputzt
PS:
ausle
Bewahr Dir um Gottes Willen Deinen speziellen Humor ..verbunden mit deiner Art zu schreiben ist das ganz großes Kino!