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21.12.2010 um 00:02 Uhr
Ski-Klassiker #2: Stelvio
Das Rennwochenende in Gröden ist vorbei. Am 29. Dezember geht es weiter mit Abfahrtsklassiker #2.

Und zwar in Bormio, einem kleinen Touristendorf in der italienischen Provinz Sondrio, Region Lombardei. Bormio liegt nur wenige Kilometer hinter der Südtiroler Grenze, im Veltliner Tal, hinter dem 2757m hohen Stilfer Joch. Im Sommer darüber zu erreichen.

Im Winter wird es schon schwieriger, denn das Stilfser Joch ist da geschlossen. Ausgewichen werden kann über den selten hässlichen Tonalepass oder den Gaviapass, und auch vom Comer See her sind das Veltliner Tal und Bormio zu erreichen.

Die Umgebung ist Weinliebhabern wahrscheinlich bekannt, stammt von dort der bekannte Veltliner, ein Rotwein, der nicht zu den alltäglichsten Gelegenheiten aufgeschenkt wird. Den Veltliner gibt es auch in der Geschmacksrichtung Weißwein. Bormio selbst liegt etwas weiter nördlich, ist nicht nur italienisch, sondern auch noch etwas rätoromanisch geprägt. Klar, Graubünden ist nicht weit weg.

Ganz in der Nähe von Bormio liegt Santa Caternia Valfurva, das Heimatdorf der großartigen Deborah Compagnoni, einer der besten Skifahrerinnen jemals und eine Revoluzzerin mit Blick auf die heute dominante Carving-Technik.

Bormio ist keine Perle, auch wenn die Via Roma ein recht attraktives Einkaufssträßchen ist. Im Vergleich zu anderen Skiorten in dieser Region ist aber sogar Bormio recht schmuck (ich denke da an die Umweltvergewaltigungen am Tonalepass). Bekannt ist Bormio aber hauptsächlich wegen dieses einen Rennens: Die Abfahrt über die Stelvio.

Schmalz, Schmalz, Schmalz

Die Stelvio hat ihren Namen vom Stilfer Joch. Stilfs wird im Italienischen Stelvio genannt. Und rund um das Stilfer Joch gibt es einen wunderbaren Nationalpark, der eben auch in die Provinz Sondrio hineinreicht. Das nur nebenbei, denn bekannt ist die Stelvio wegen ihrer brutalen Schläge.

Eine schnelle, kurvenreiche und sehr steile Piste. Gleich vom Start weg geht's hart zur Sache, ca. 65% Gefälle. Zum ersten Mal gehüpft werden darf über den Roccasprung, ehe es fast einen halben Kilometer in allerhöchstem Tempo über den Sertorelli-Kanal hinuntergeht.

Nach ein paar flachen Metern Verschnaufpause (fontana lunga) beginnen die Kurven ("Hermelin/pian dell'orso", "Carcentina"), bis der Höhepunkt mit dem San-Pietro-Sprung folgt. Ein Satz über 40-45m ist nichts Außergewöhnliches und die Abfahrer nehmen Schwung auf für die folgende Schussstrecke (Muro und Schuss di San Pietro, eine der schnellsten Stellen im gesamten Weltcupkalender).

Die Oberschenkel brennen längst als würdest du minutenlang drauf einprügeln, aber es gibt noch ein paar Kurven (Coston, Feleit) und den Zielschuss. Fast zwei Minuten lang ist die Abfahrt, über 3,2km Länge verteilt werden fast 1000 Höhenmeter überwunden.

Die Stelvio ist nicht so einprägsam wie die Pisten in Kitzbühel, Wengen oder Beaver Creek. Aber sie hat ihre denkwürdigen Attribute, und das beginnt mit den Schlägen im Eis. Die Fahrer brauchen, wie es im Jargon so schön heißt, Schmalz in den Oberschenkeln. Nur die ganz harten können auch zum Schluss noch die tiefste Hocke fahren und die Kurven schön durchziehen.

Ich halte rein optisch Bormios Abfahrt für die brutalste im Weltcup.

Wer braucht schon Tradition?

Die traditionellste Strecke ist die Stelvio nicht. Im Gegensatz zu Kitzbühel und Wengen, wo seit der Steinzeit um die Wette gefahren wird, ist Bormio erst seit 1993 fixer Bestandteil des Alpinen Weltcups. Anno 85 fand auf verlängerter Stelvio-Piste schon mal eine Weltmeisterschaft statt, wie auch 2005.

Schaut man sich die Siegerlisten an, so fällt auf, dass hier überproportional viele Männer gewonnen haben, die sich über die Kraft definieren: Hannes Trinkl, Hermann Maier (der aber überall gewonnen hat), Andreas Schifferer, Hans Grugger oder Christof Innerhofer.

2005 wurde Bode Miller auf der Stelvio Abfahrtsweltmeister. Das hat man mittlerweile aber wieder vergessen, denn viel legendärer war Bodes Auftritt ein paar Tage früher bei der Kombinationsabfahrt gewesen. Bode war gerade ein paar Sekunden unterwegs, dann passierte das:


Diese Fahrt gilt noch heute als eine der bemerkenswertesten der letzten Jahre.

Vor zweieinhalb Jahren beim Weltcupfinale sorgte Bode anderweitig für Schlagzeilen, als er zur Pokalübergabe für den Gesamtweltcupsieger in Schlapfen und Socken, mit Augen auf Halbmast und reichlich promilleangereichertem Blut aufkreuzte. Die strahlend hübschgemachte Lindsey Vonn komplettierte eines der absurderen Siegerfotos, die ich bisher gesehen habe.

Sofern kein Weltcupfinale in Bormio stattfindet, findet das Rennen dort alljährlich Ende Dezember statt. Zwischen Besinnlichkeit, Bescherung und Silvesterkrach gehört die Stelvio für mich einfach dazu. Nächste Woche gibt es dann blaue Oberschenkel.
Aufrufe: 4751 | Kommentare: 6 | Bewertungen: 5 | Erstellt:21.12.2010
ø 8.2
KOMMENTARE
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Seminole
21.12.2010 | 16:40 Uhr
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Seminole : 
21.12.2010 | 16:40 Uhr
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Seminole : 
Bode Miller Best Skifahrer ever!

Die Abfahrt von Bormio find ich absolut grässlich. Nur ratternde Ski, keine Stelle mit Wiedererkennnugswert. Oder kaum eine.
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zecke
21.12.2010 | 17:48 Uhr
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zecke : 
21.12.2010 | 17:48 Uhr
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zecke : 
schönes ding!

aber des is äction

http://www.youtube.com/watch?v=Ae61LGEhWRw&feature=related
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korsakoff
21.12.2010 | 17:57 Uhr
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korsakoff : 
21.12.2010 | 17:57 Uhr
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korsakoff : 
@Zecke

Kitzbühel kommt noch. Alles zu seiner Zeit...
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Torres9
21.12.2010 | 22:58 Uhr
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Torres9 : 
21.12.2010 | 22:58 Uhr
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Torres9 : 
Wieder sehr schöner Blog!
Werde mir die ganze Serie weiterhin durchlesen und freue mich auf den übernächsten Blog von dir - Kitzbühel
Die Fahrt von Bode war unglaublich. Wie sehr muss denn das Bein da bitte brennen?????
Schade, dass er es nicht bis ganz herunter geschafft hat
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xxlhonk
22.12.2010 | 11:40 Uhr
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xxlhonk : 
22.12.2010 | 11:40 Uhr
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xxlhonk : 
Stark.
Aber Bormio ist in der Tat nicht wirklich ein Klassiker wie Kitzbühl etc.

Aber starker Blog, der Lust auf den nächsten Skiurlaub macht!
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Inzaghi
28.12.2010 | 16:03 Uhr
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Inzaghi : 
28.12.2010 | 16:03 Uhr
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Inzaghi : 
saubo guit gimocht la weita asou
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