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14.07.2012 um 18:45 Uhr
Sepp und die alten Herren I/III
Im Hofstaat FIFA geht alles seinen gewöhnlichen Weg. Man ist „erfreut" über die Neuigkeiten der letzten Woche. Es mag die meisten Menschen verwirren, wenn es eine Organisation „erfreut", dass ihr langjähriger Chef und aktueller Ehrenpräsident nun öffentlich und offiziell als korrupt gebrandmarkt ist. Bei der FIFA spricht man da lieber von ausländischen(!) Funktionären und feiert, dass man nun Gewissheit habe. Gewissheit darüber, dass der ehrenwerte aktuelle Präsident „nicht in den Fall verwickelt sei". Das sehen andere freilich ganz anders. Damals war Sepp natürlich noch nicht Präsident, doch als Generalsekretär hat er zumindest über alles bescheid gewusst. Was er nun auch fröhlich zugibt. Gehandelt hat er trotzdem nicht. Handeln, das macht der Sepp aus Prinzip nur mit Regierungen und Weltmarken. Und selbst dort diktiert er mehr. So wie er es gelernt hat.

Das Sponsoring großer Events funktioniert heute nach Schema F. Einige wenige Weltmarken zahlen große Summen für weitgehende Exklusivrechte. Egal ob Soft Drinks, Fast-Food-Ketten oder Bier, gleich ob Welt- und Europameisterschaft, Champions League oder Olympia. Solange die Beträge stimmen, werden Verträge geschlossen. „Beträge" sind dabei ein weitläufiger Begriff. Ein System das seit Anfang der 1980er Jahre besteht und im lauschigen elsässischen Landersheim seinen Ursprung fand. Damals, lange vor Public Viewing, gründete ein gewisser Horst Dassler, der Erbe des ebenso legendären wie fragwürdigen Adolf Dassler, die Marketingfirma „International Sports and Leisure" (ISL). Mit an Bord damals noch Kaiser Franz und sein Manager und Intimus Robert Schwan. Das Unternehmen wollte naheliegender Weise im Sport Geld machen. So entschied sich Horst für den Sponsorenrechtehandel. Später wechselte man dann in den Bereich TV-Vermarktung, aber dazu später mehr. Horst und sein treuergebener „Mann mit dem Koffer", Jean-Marie Weber, planten nicht weniger als die Herrschaft der Sportwelt. Zu diesem Zweck hatte Horst eine sagenumwobene Datensammlung über Sportler und Funktionäre angesammelt, die laut eigener Aussage „besser als die vom KGB" war.

Horst und sein Netzwerk

Um seinen Einflussbereich zu vergrößern installierte er zunächst Joao Havelange 1974 als FIFA-Präsidenten und einen gewissen Juan Antonio Samaranch als IOK-Vorsitzenden. Letzterer war in seinem Leben Franco-Anhänger, Diplomat, Antiquitätenschmuggler und angeblicher russischer Spion, und verstarb 2010 nachdem er mit der Olympia-Vergabe 2014 an Sotchi ein letztes Mal das IOK entscheidend gelenkt hatte. Mit solchen Vertrauenspersonen an den richtigen Stellen gewann man auch kurz nach der Gründung gleich die „kleinen" Kunden FIFA und UEFA. Von dem Zeitpunkt an bis zum Konkurs 2001 sollte die langjährige Partnerschaft Bestand haben. Sehr zum Vorteil der ISL. Mit einem Geschäftspartner wie der FIFA und Horst im Hintergrund hat man es auch mit anderen Verbänden leichter. Im „Vorbeigehen" wurden weitere Verbände wie das Internationale Olympische Komitee, die Weltverbände der Leichtathletik und des Schwimmens und den Tennis-Verband ATP eingetütet. Das Leben ist schön!

„Vida é bonita" denken sich vor allem Präsident Joao Havelange und sein damaliger Schwiegersohn Ricardo Teixeira. Der schwärmte damals bereits: „Alles was ich weiß und kann, habe ich von meinem Schwiegervater!" Nach den ersten Geschäften dämmerte es den Herren bei der FIFA, dass man auf einer Geldquelle ungeheuren Ausmaßes sitzt. Da hat Joao, als Sohn eines Waffenhändlers bereits einiges an Unmoral gewohnt, doch ein nettes Produkt namens Weltmeisterschaft in der Hand und so langsam fängt das Geschäft rund um den runden Ball zu brummen an. Die „Volksreligion" Fußball kriegt immer mehr Jünger und Joao thront über seinem Verband wie die die Christusfigur auf dem Corcovado über Rio de Janeiro. „Der Papst oder die Regierungschefs haben ihre Macht, ich habe meine. Ich habe die Macht über den Fußball, die nun einmal alles überragt", wird Joao laut 11Freunde zitiert. Mit solchen Vorbildern wird auch so manches Wort von Sepp relativiert. Er hat halt von den Größenwahnsinnigsten gelernt. Sepp ist damals Generalsekretär und die rechte Hand von Joao. Dessen Rechnung war simpel, die Logik in seinen Augen wasserdicht: Wenn er nun der ISL einen Vertragsabschluss ermöglichte, dann sollte er doch wie jeder Verkäufer eine „Provision" erhalten, wird sich der damals bereits betagte Mann gedacht haben. Heftiges Kopfnicken von Sepp. Da kommt dann auch einiges zusammen, aber der Reihe nach.

Sepp, der Lehrling

Für Sepp ist das Ganze nämlich auch eine persönliche Angelegenheit, hat doch ADIDAS-Horst ihn erst zu dem gemacht was er nun ist: Generalsekretär, designierter Nachfolger von Joao. Zu Anfang war er aber noch Lehrling und Hofnarr. Der Sportartikelhersteller übernahm laut dem späteren Vorstandsvorsitzenden Robert-Louis Dreyfus anfangs sogar sein Gehalt. In den 1970er Jahren war die FIFA nämlich klamm und weit entfernt vom Milliarden-Verband heutiger Zeit. Damals galt Sepp, laut dem Korsen André Kolfi, einem dubiosen und später wegen seiner Verwicklung in den Schmiergeld-Skandal des Ölkonzerns Elf-Aquitaine verurteilten Verbündeten von Horst, als „Marionette" und „Randfigur". Nachdem er zunächst bei der FIFA für die Entwicklungsprogramme zuständig war, installierte in Horst schlussendlich als Generalsekretär. Eine Freundschaft wuchs, die am Ende so eng war, dass die beiden laut Deutschlandradio ihre Geburtstage am 10. und 12. März jeweils zusammen feierten – am 11. März. Bei der FIFA traf er auf Joao und Ricardo. Die beiden grauen Eminenzen der Organisation. Der eine Präsident auf Ewig, der andere Verbandspräsident Brasiliens sowie Mitglied des Exekutivkomitees der FIFA. Endlich dort wo ich hingehöre dachte sich Sepp und arbeitete fleißig an seiner Unentbehrlichkeit. Er lernte von Horst, Joao und Ricardo schnell die Geschäftspraktiken. Wie die aussahen ist ihm schnell klar. Und was so ein Verband ist auch. So wurde Ricardo laut Journalist Thomas Kistner nach einer Parlamentsuntersuchung 2001 zum Beispiel vorgeworfen, dass sein Verband CBF "ein krimineller Ort sei, wo Anarchie, Inkompetenz und Verlogenheit herrschen".

Die ersten Verträge mit der ISL sind nicht wirklich hochdotiert. So kommen laut dem Journalisten und FIFA-Experten Jens Weinreich für die Weltmeisterschaften 1990 bis 1998 nur rund 340 Millionen Franken raus. Der Fehler lag bei der FIFA und ihrer verfolgten Planungssicherheit sowie der fehlerhaften Einschätzung der Marktentwicklung schildert Rainer Schlösser in seiner Diplomarbeit „Die Entwicklung der FIFA unter Präsident Havelange".

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