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14.04.2014 | 1614 Aufrufe | 1 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 10.0
Die Füchse gewinnen den Pokal
Reise ins Glück
Erlebnisbericht vom DHB-Pokal Final-Four

Der Morgen danach. Der Hals kratzt, die Stimme ist brüchig und so richtig ausgeschlafen sollte sich auch anders anfühlen. Nur schwer schleppen mich meine Beine ins Bad, obwohl noch immer jede Faser des Körpers wie unter Strom gesetzt ist. Selbst der Kopf hat noch an den Folgen der totalen Reizüberflutung zu knabbern und ist um Normalfunktion bemüht.

Der Blick in den Spiegel offenbart die nackte Wahrheit das Grinsen ist immer noch da. Wie selbstverständlich lacht mich der Kerl gegenüber an. Seinen Augen entnehme ich, dass eine Frage in seinem Kopf herumschwirrt: War das alles nur ein Traum? Und da weiß ich wieder woher das Lächeln rührt und mir wird schlagartig bewusst, dass mein Zustand nicht das Ergebnis eines durchzechten Wochenendes ist. Wir haben tatsächlich gewonnenich balle die Fäuste und schreie die Freude aus mir heraus.

Der Weg ist das Ziel

Angefangen hatte der ganze Irrsinn gut 50 Stunden zuvor an gleicher Stelle. Ich hatte gerade die letzten Vorkehrungen für unsere Reise nach Hamburg getroffen. Noch schnell das Trikot eingepackt und ab ging die Fahrt zum Final-Four-Turnier um den DHB-Pokal 2014. Von Euphorie durchflutet, bleibt von der Hin-Tour nicht mehr als der Schatten einer Erinnerung. Banale Gespräche, die als Ablenkung von der Aufregung dienen, überbrücken die Zeit bis zur Ankunft. Und nach schier endlosen Stunden biegen wir auf den Parkplatz und vor uns erhebt sich das blaue Ungetüm, eine Kopie unserer Berliner Version, und dennoch vollkommen anders.

Auf dem Weg zur Halle kommt es zum ersten Kontakt mit Fans aus Flensburg und Melsungen. Die Stimmung ist ausgelassen und noch dreht sich in den Gesprächen nicht alles um Handball. Zwei Stunden vor Einlass sind wir dann drin und beziehen Stellung auf unserem Posten am Fanshop der Füchse Berlin. Der perfekte Ort, um die Stimmung in der Arena aufzunehmen und um sich die Zeit bis zum Anpfiff zu vertreiben. Während die Kollegen aus Mannheim noch letzte Vorkehrungen an ihrem Stand treffen, ertönt ein Signal und eine freundliche Damen-Stimme gibt die Hallenöffnung bekannt.

Zu tausenden strömen die Handballjünger in die Arena und schnell mischen sich die Fanlager. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre. Immer wieder stimmen einzelne Gruppen Lieder an und lobpreisen Ihre Mannschaft Schmähgesänge sind keine zu hören. Es ist ein friedliches Miteinander unter den Fans, während sich die Mannschaften für das erste Halbfinale vorbereiten. Ein Eindruck, der sich über das ganze Wochenende hinweg nicht ändert. Es wird miteinander gelacht und gefachsimpelt und der ein oder andere deckt sich noch mit Souvenirs seines Vereins ein.

Mögen die Spiele beginnen

Das Spektakel auf das alle, die hier sind, so lange hingefiebert hatten, beginnt. Im ersten Halbfinale schlägt Flensburg die Löwen und zieht ins Finale ein. Der erste Flensburger, dem ich nach Abpfiff gegenüberstehe, wünscht mir viel Glück fürs Spiel, immerhin seien die Füchse der leichtere Gegner im Finale. Ich lache und rate ihm abzuwarten, doch vollkommen überzeugt bin ich zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht. Plötzlich hege ich Zweifel, zu schwer erscheint mir schon die erste Hürde Melsungen. Nervosität macht sich in mir breit, doch die positive Stimmung der mitgereisten Berliner, unter denen viele bekannte Gesichter sind, reißt mich aus meinem Stimmungstief.

90 Minuten später kennt der Jubel keine Grenzen (was sich am Sonntag als Fehleinschätzung herausstellte). In einem packenden Spiel liefern sich beide Mannschaften von Beginn an einen offenen Schlagabtausch. Kurz vor Abpfiff liegen wir mit 2 Toren vorn, als Fabian Wiede einen Anwurf in die Hände von Allendorfer spielt, der den Rückstand verkürzt. Das große Zittern beginnt und der sicher geglaubte Sieg scheint plötzlich in Gefahr. Nervös kaue ich an den Nägeln, bis ich Blut schmecke und für einen Moment bin ich mir sicher, zu spüren, wie meine Haare ergrauen. Doch dann ist Schluss und irgendwie haben gewonnen. Ein schmutziger Sieg, aber egal, denn wir stehen jetzt im Finale. Jubel, in der ganzen Halle und auch im großen Rund der Arena ist die Feierlaune groß. Während die einen biergeschwängert und Lieder singend durch die Halle ziehen, schlurfen enttäuschte Anhänger aus Melsungen und dem Rhein-Neckar-Gebiet aus der Halle.

Vollgepumpt mit Dopamin ziehen wir zum Hotel und lassen beim Abendessen das Geschehene revue passieren. Irgendwann liege ich im Bett und sortiere die Eindrücke des Tages. Bilder vom Jubelsturm der grünen Fankurve oder von schwer wankenden Flensburgern, die den Pokal am liebsten schon Samstag bekommen hätten und ich höre die Tröten in meinen Ohren, mit denen die Roten ihre Mannschaft zum Sieg antrieben. Da trifft es mich, wie eine Rechte von Klitschko: wir stehen im Finale, doch der Gegner heißt SG Flensbug-Handewitt. Zu deutlich sind noch die Erinnerungen an die herbe 31:20-Niederlage Anfang März im Fuchsbau. Irgendwann schlief ich über meinen Zweifeln ein.

Tag der Entscheidung

Die Nacht war unruhig und widerstrebend Frühstücke ich ausgiebig, auch wenn mein Magen angespannter war, als ich. Mit gedämpfter Erwartungshaltung nahm ich meinen Posten am Fanshop ein. Wie sollten wir nur gegen diese massive Abwehr etwas reißen, mit einem Andersson, der schon im Halbfinale alles wegfing, was da auf sein Tor kam? Noch dazu bei der Überzahl an Flensburger Anhängern. Was das anging, konnten wir uns der Unterstützung der Löwen sicher sein. Nicht wenige zeigten sich solidarisch und tauschten ihr gelbes Shirt gegen das Grün der Füchse.

Dann war es soweit. Die Mannschaften liefen ein und ohrenbetäubender Lärm, erzeugt von 13.000 Handballfans, setzte ein. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich wahrlich Gänsehaut, hervorgerufen durch die einmalige Stimmung, die in der Halle herrschte. Sie zu beschreiben fällt mir noch immer schwer. Ein Mix aus Vorfreude und Anspannung lag in der Luft, angeheizt von Fangesängen, Trötenlärm und der Einlaufzeremonie. Kurze Atempause vor dem Anpfiff und weiter ging die Handballparty.

In der Anfangsphase bestätigten sich meine schlimmsten Befürchtungen. Unsere Jungs starteten schlecht und lagen bald 7:2 hinten. Doch wir steckten keinesfalls auf. Unsere Gesänge wurden lauter und die Trommeln schlugen heftiger mit Erfolg. Bis zur Pause kamen wir auf 11:11 ran und alles war ausgeglichen. Plötzlich stieg der Glaube an das Unfassbare, denn jeder in der Halle wusste um das Flensburger Pokal-Trauma. Und in der Tat, kamen die Füchse besser aus der Pause und legten stetig einen Treffer vor. Es war eine wahre Schlacht und kein Zentimeter wurde verschenkt. Und während bei uns die Überzeugung reifte, dass unsere Mannschaft als Sieger die Platte verlässt, wurden die Flensburger zusehends nervöser. Ein Umstand, den wir als gutes Zeichen werteten. Zehn Minuten vor dem Ende führen wir mit einem, ehe lange nichts passiert. Flensburg kann noch einmal ausgleichen und alles riecht nach Verlängerung, doch dann wirft Romero den Ball vorbei an Andersson zum 22:21.

Was folgt, sind Minuten, die unbeschreiblich langezogen waren und in denen man um Jahre altert, wahrscheinlich sogar um Jahrzehnte. Doch dann der Abpfiff. Ich schreie meine Freude so laut heraus, dass ich mich selbst erschrecke. Unser Jubel kennt keine Grenzen und alles liegt sich in den armen, um zu feiern. Die Füchse Berlin haben den ersten Titel der Vereinsgeschichte gewonnen und ich war dabei. Wir waren dabei. Eine Erinnerung, die uns eint und die für immer bleibt.

KOMMENTARE
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ausLE
MODERATOR
15.04.2014 | 16:29 Uhr
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ausLE : 
15.04.2014 | 16:29 Uhr
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ausLE : 
Ich mag solche Erlebnissberichte!
Hätte zum Schluß noch etewas mehr sein können, aber egal.

Alles friedlich und fair, so muss das sein!!!

Gratulation nach BÄRlin zum Titel
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