Wie bereiten sich eigentlich Profi-Fußballer auf ein wichtiges Spiel wie ein Halbfinale im Uefa-Cup vor?
Eine interessante Frage, die mich als Fußball-Verrückten schon immer interessiert hat. Seit gestern bin ich nun ein bisschen schlauer. Zumindest wie die Abende davor ablaufen können…

Gestern Abend sitze ich mit einem Kumpel bei einem Bier im kleinen italienischen Restaurant "Da Salvatore" nahe dem Münchner Marienplatz und möchte mir das Champions League Halbfinal-Hinspiel zwischen Liverpool und dem FC Chelsea anschauen.
Das Spiel ist eher langweilig und hält nicht was der klangvolle Name verspricht. Vor einer Woche waren wir schon mal hier und sahen Bayerns 5:0-Kantersieg gegen dahinsiechende Dortmunder.
Aber nicht nur das tolle Spiel an sich, auch das Publikum war sehr amüsant. Neben uns hatten damals betrunkene Mexikaner Platz genommen. Ein Bier jagte das andere und die Stimmung bei unseren Tischnachbarn wurde immer ausgelassener. Ich schloss schon Wetten mit meinem Kumpel Sascha ab, welcher von ihnen als erster bauchfrei auf dem Tisch tanzen würde. Leider blieb es ruhig. Wobei, naja, ruhig ist bei Mexikanern relativ. Auch wenn die Tanzeinlage nicht stattfand, das Rumschreien konnten sie sich nicht verkneifen – selbst bei Einwurf gab…

Zurück zum gestrigen Abend. Auch wenn wir im Vorfeld wieder auf mexikanische Unterhaltung hofften, waren wir uns sicher, dass dies ein einmaliges Erlebnis bleiben würde. Wer verirrt sich schon in ein kleines, unscheinbares italienisches Restaurant um Fußball zu schauen?
Mehr Leute als man denkt. Als wir so vor dem Fernseher saßen, ging Mitte der ersten Halbzeit plötzlich die Tür auf. Hinein traten drei Typen in blauen Trainingsanzügen. Schleimige Haare, aalglattes Gesicht, Goldkette. Erst dachte ich mir nur: Na toll, hoffentlich kommen die nicht zu uns. Wer allerdings mein Glück kennt, weiß dass dies natürlich so kommen sollte. Nach kurzer Zeit an der Bar, schlurften die drei in unsere Richtung und setzten sich letztendlich an den Nachbartisch.
Die blauen Trainingsanzüge kamen mir von Anfang bekannt vor. Dann noch das Gazprom-Emblem in Kombination mit dieser kyrillischen Schrift…
Ich schaute meinen Kumpel Sascha an: "Neee…", sagte ich. "So abwegig ist das gar nicht", entgegnete er mir. "Meinst du wirklich, die Spieler von Zenit St. Petersburg suchen so ein kleines, unscheinbares und ein bisschen runtergekommenes (nichts für ungut…!) Restaurant auf um dort den Abend zu verbringen?!"
Dem schien ganz so zu sein. Alles passte. Zenit müsste zwei Tage vor dem Bayern-Match schon in der Stadt sein. Auch ihre Hotelwahl mitten in der City machte Sinn.
Wir lauschten ihren Stimmen. Deutsch sprachen sie nicht und wie italienisch hörte sich das auch nicht an. Das Trio verhielt sich anfangs sehr zurückhaltend – nicht aber was den Bier-Konsum anging…
Schon an der Bar hatten sie gut zugeschlagen. "Drei Bier!", wie uns der Kellner später erzählte. Auch am Tisch ging's munter weiter.
Was Dick wohl von dieser promilleschwangeren Art der Spielvorbereitung hält? Sollten wir sie ansprechen?
Die erste Halbzeit war vorbei und wir gingen raus um eine zu rauchen. Kurz darauf kamen auch zwei der drei Spieler raus. Ich fasste mir ein Herz und fragte einen der beiden vorsichtig auf deutsch, ob er ein Spieler von St. Petersburg sei. Er reagierte erst nicht. Ich wiederholte meine Frage auf englisch. Er nickte kurz und ging weiter. Mir viel nichts dümmeres ein als ein kümmerliches "Good luck", herauszupressen. Er drehte sich um und nickte wieder kurz: "Da!"

Die zweite Halbzeit hatte begonnen und wir gingen wieder rein. Der großgewachsene Russe mit den schleimigen schwarzen Haaren telefonierte die ganze Zeit. Kurze Zeit später kamen die anderen Beiden wieder und setzten sich zu ihm. Erneut wurde Bier bestellt. Langsam blühten die Russen auf und erinnerten uns in Ansätzen an die Mexikaner vom Dortmund-Spiel.
Die Partie wurde nicht wirklich besser. Liverpool hatte Ende der ersten Spielhälfte die 1:0-Führung gemacht und sich seitdem sehr zurückgehalten. Auch Chelsea tat nicht wirklich was für Spiel. Wir versuchten den Worten vom Nachbartisch zu lauschen – auch wenn wir dem Russischen beide nicht wirklich mächtig sind. Als einer von ihnen den Namen Ballack erwähnte, lachten alle.
Zu gern hätten wir auch gewusst, warum sie lachten. Was hatten die Zenit-Spieler über den Kapitän der deutschen Nationalmannschaft gesagt. Wie dachten sie wirklich über ihn, fernab von diversen Interviews, in denen sich Spieler nie abfällig über andere äußern.

90. Minute, vier Minuten Nachspielzeit werden angezeigt. Das Spiel ist gelaufen… oder doch nicht? 94. Minute, Riise haut das Ding ins eigene Tor. Ich drehe mich um. Das Trio schüttelt ungläubig den Kopf. Ob es ihnen wohl auch genauso gegen die Last-Minute-Dusel-Bayern ergehen wird? Angst kann ich leider keine erkennen. Das Bier hat seine Spuren hinterlassen. Statt Angst sehe ich leicht glasige Augen.
Wir zahlen und rauchen noch eine letzte Zigarette bevor wir uns verabschieden. Noch ein letztes Mal geht die Tür zur Straße auf. Das Trio tritt heraus und bleibt auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen. Was machen die denn da, dachte ich mir? Auf einmal holen alle drei ihre Zigarettenschachteln raus und zünden sich genüsslich eine an. Nett! Das Spieler rauchen ist zwar seit Kippe "Schnix" Schneider und "Super" Mario Basler nichts Neues, trotzdem ein ungewohntes Bild. Auch das findet der Dick bestimmt nicht so toll. Die Russen scheint das in diesem Moment nicht wirklich zu interessieren.

Ich fasse mir erneut Herz und geh zu ihnen hin. Ich fragte auf Englisch, ob sie Spieler von St. Petersburg wären und ob ich ein Foto mit ihnen machen dürfe. Sie stimmten zu. Einer von ihnen sprach sogar gebrochen deutsch. Ich fragte nach seinem Namen: "Kamil Contofalsky", antwortete er mir freundlich – slowakischer Nationaltorwart und Nummer zwei bei Zenit. Wir schütteln Hände.



Und wer waren die anderen? Zunächst war ich felsenfest davon überzeugt, die Beiden wären Petersburgs Star-Spieler Pavel Pogrebnyak (acht Tore im Uefa-Cup) und Andrey Arshavin (vier Tore und vier Vorlagen).
Wie ich aber dann netterweise aufgeklärt wurde (Thx Marek!), stellte sich raus, dass es sich hier vielmehr um Zenits Radek Sirl (rechts) und Ivica Krizanac (der Herr links im Bild), handelte - wohlbemerkt beide Stammpersonal und vor allem Krizanac, Zenits letzter fitter Innenverteidiger...

Was wohl Russen-Coach Advocaat zu dieser etwas anderen Art der Entspannung sagen würde? Rauchen und Saufen vor so einem wichtigen Spiel? Aber was "Super Mario" kann, kann der Russe schon längst – zumindest was das Trinken angeht.
Na dann: Prost Zenit – auf ein gutes Spiel…