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12.07.2010 um 17:48 Uhr
Niedergang des Calcio I
Schon immer galt Italien als das Land der großen Fußballtaktiker. Helenio Herrera, Giovanni Trapattoni, Fabio Capello, Marcello Lippi und Carlo Ancelotti prägten lange das Bild des Calcio, wie der Fußball in Italien genannt wird. Sie alle gewannen mindestens einmal die CL bzw. den Pokal der Landesmeister. Der bedeutenste unter ihnen ist jedoch der mittlerweile ziemlich unbekannte Arrigo Sacchi. Als Trainer des AC Mailand (1987-1991) ließ er das konsequent ballorientierte Verteidigen spielen und legte damit den Grundstein für ein Offensivkonzept, das es bis dahin so noch nicht gegeben hat. Dies leutete das Ende des reinen Catenaccio ein, welcher in den 1960er Jahren vom Argentinier Herrera bei Inter Mailand seinen Siegeszug startete. Herrera und Sacchi gewannen jeweils in zwei aufeinanderfolgenden Jahren den Pokal der Landesmeister und den anschließenden Weltpokal (1964 & 1965; 1989 & 1990).

Sacchi, Baresi, Berlusconi und die Dutch connection

Durch den Catenaccio wurde die Position des Liberos geprägt und das bis weit in die 90er Jahre hinein. Schließlich wurde der "letzte Mann" durch die von Sacchis System erforderliche Viererkette abgelöst, mit der bei der WM 2006 fast alle Teams agierten. Selten gibt es noch Mannschaften, die mit Dreierkette spielen und die Griechen gewannen mit einer kurzen Renaissance des Liberos den Titel bei der EM 2004, aber der moderne Fußball, ist ohne die Viererabwehrkette schwer umsetzbar, weshalb sie zum vorherrschenden Konzept wurde.

Schließlich schloss sich der (sportliche) Kreis, als man nach 1982 erstmals wieder eine WM gewinnen konnte. Damals mit Catenaccio, 2006 mit Viererkette.

Italien kann (neben den Niederlanden, wegen der großen Auswirkungen des Fußball Total auf das Spiel des FC Barcelona und der spanischen N11) also zurecht als das wichtigste Land in diesem Sport angesehen werden, wenn man bedenkt, wie groß der Einfluss seit den 60er Jahren auf den Weltfußball in taktischer Hinsicht ist. Auch in der Fankultur ist Italien als Ursprungsland der Ultrà-Bewegung Vorreiter. Und dass man politische und vor allem wirtschaftliche Interessen direkt mit dem Großunternehmen "Fußballverein" verbinden kann, wurde auch im Stiefelland erst so richtig populär.

Der tiefe Fall
Doch was nach der WM `06 folgte, war der steile Abstieg einer großen Fußballnation: Die EM 2008 endete bereits nach dem Viertelfinale, der ConFed-Cup 2009 und die WM 2010 jeweils in der Vorrunde. Und auch in der Champions League verlor man die seit 1989 andauernde Dominanz. Von 1989 bis 2007 gewannen italienische Mannschaften 6 Mal diesen Wettbewerb bei 13 Finalteilnahmen. In der Saison 2002/03 standen sogar drei Italiener im Halbfinale. Das Finale gewann schließlich Milan gegen Juve. Kein anderes Land kann eine bessere Quote für diesen Zeitraum aufweisen. Außerdem kamen von 1991 bis 2007 elf Weltfußballer des Jahres aus der Serie A.

Der CL-Sieg des AC Mailand im Jahre 2007 war nur auf die große Erfahrung und Klasse der alternden Weltstars zurückzuführen, von denen vier Spieler im Jahr zuvor Weltmeister wurden. Doch in den beiden darauffolgenden Spielzeiten gelang es nur dem AS Rom das Viertelfinale der Königsklasse zu erreichen, wo gegen ManUtd. Schluss war. Der Sieg Inter Mailands in der vergangenen Saison kann nicht mal als italienischer Erfolg gewertet werden. Im regelmäßigen Kader befanden sich mit Balotelli und Materazzi nur zwei Italiener. Balotelli ist eigentlich Ghanaer, der von Italienern adoptiert wurde und fiel eher durch seine Eskapaden auf. Materazzi spielte nur, wenn es nicht anders ging oder, wenn das Spiel schon entschieden war. Neben Leonardo von Milan war Jose Mourinho der einzige nicht-italienische Trainer der Serie A. Lediglich die defensive Spielweise ließ darauf schließen, dass dort eine Mannschaft aus dem Land der Mauerkünstler zu Werke ging. Die übrigen italienischen Vereine, schieden 2009/10 spätenstens im Achtelfinale aus. Juve sogar in der Vorrunde.

Doch wie kommt es, dass ein Land, welches dem Fußball mehr als nur einmal eine entscheidende Richtungsänderung gab, so abstürzen konnte? Der Wettskandal, der unmittelbar nach der WM 2006 öffentlich wurde, war im Prinzip keine schockierende Neuigkeit. Es war ein offenes Geheimnis, dass es im Calcio nicht immer sauber zuging. So ist auch der Einfluss auf den Sport nicht sonderlich groß gewesen, dass man hier eine Ursache für die negative Situation sehen könnte. Vielmehr sind die Gründe für den Niedergang in der Nachwuchsarbeit zu vermuten, die unter der plan- und maßlosen Misswirtschaft der Vereine leidet.

Alterswahn
Nimmt man sich den FC Barcelona zum Vorbild, wie es in den letzten drei Jahren viele Vereine in Europa taten, wird deutlich, wie wichtig es ist, den Fokus auf die eigene Jugend zu legen, welche bereits in der Ausbildung die Vereins- bzw. Verbandsphilosophie vermittelt bekommt. Die Erfolge der spanischen Nationalmannschaft und Barcas belegen das. Die besten Nachahmer dieser Philosophie sind die Deutschen, welche 2008-2009 die U17-, U19- und U21-EM gewannen, Vize-Europameister mit der A-N11 wurden und bei der WM 2010 als eines der jüngsten und zugleich spielstärksten Teams für Aufsehen sorgte. Darüber hinaus belegte die BL 2009/10 im europaweiten Vergleich den ersten Platz, mit Bayern München als CL-Finalisten. Bayern hatte in der Startelf vier Spieler aus der eigenen Jugend. Barca hatte ein Jahr zuvor sogar sieben Spieler aus dem eigenen Nachwuchs im Aufgebot, mit dem man das Finale gegen ManUtd. gewann. Inter hatte im CL-Finale von 2010 nicht einen Spieler aus der klubeigenen "Talentschmiede" eingesetzt. Überhaupt ist die Serie A diejenige Liga in Europa, in der die wenigsten vom eigenen Verein ausgebildeten Akteure spielen.

Absolventen von „la Masia"

Doch wo ist nun die nächste Generation der Italiener? Unter den zwölf ältesten Teams Europas sind vier Italiener; darunter Inter (10.) und AC Milan (1.). Das Geld (was diese Vereine eigentlich gar nicht haben) wird in Spieler investiert, die den horrenden Summen teilweise überhaupt nicht gerecht werden. Milan kauft grundsätzlich alternde Weltstars aus den Restbeständen englischer oder spanischer Clubs, die den Italienern schon lange enteilt sind. Und was Juve die letzen Jahre auf europäischer Bühne erreicht hat, ist wohl kaum der Rede Wert, weder mit den alten, noch mit den jungen Spielern. Einzig Inter scheint klug einzukaufen, aber eben nur Ausländer. Es entsteht der Eindruck, dass die großen Drei aus dem Norden den Nachwuchs völlig außer Acht lassen.


Teil 2
Aufrufe: 12826 | Kommentare: 6 | Bewertungen: 21 | Erstellt:12.07.2010
ø 7.6
KOMMENTARE
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BeatNadeo
13.07.2010 | 13:36 Uhr
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BeatNadeo : 
13.07.2010 | 13:36 Uhr
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BeatNadeo : 
Kommentare bitte unter dem 2.Teil ;)
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Juventino94
13.07.2010 | 16:23 Uhr
3
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13.07.2010 | 16:23 Uhr
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"Die EM 2008, der ConFed-Cup 2009 und die WM 2010 endeten jeweils in der Vorrunde"


Fehlinformiert.

Viertelfinal aus gegen Spanien im Elfmeterschiessen-2008
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vanGaalsNase
13.07.2010 | 17:43 Uhr
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13.07.2010 | 17:43 Uhr
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Wer gibt denn hier immer nur einen Punkt?^^

Aber es stimmt. Italien hat tatsächlich die Vorrunde geschafft. Weiß nicht, wie ich das übersehen konnte...
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Juventino94
13.07.2010 | 18:07 Uhr
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Juventino94 : VanGaal
13.07.2010 | 18:07 Uhr
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Juventino94 : VanGaal
Ich nicht, ich berwerte nicht.
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jimmorrison
13.07.2010 | 19:11 Uhr
5
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13.07.2010 | 19:11 Uhr
-2
Eins kann ich allen sagen, die schon den Abgesang des italienischen Fussballs feiern: Italien kommt wieder.

Das Land steckt insgesamt in einer Krise: Berlusconi hat das Land gespalten, der Fussball ist unterwándert von korrupten patriarchen und rechtsextremen Gruppierungen.

Und obwohl ich Italien im Fussball fast immer gehasst habe, und mich auch über ihre Niederlagen gefreut habe, muss ich sagen:

So ein schönes Land mit so viel Legenden (Riva, Baggio, Rossi, Maldini) hat das Potenzial wiederzukommen.

Wahrscheinlich braucht man die Erneuerung. So wie Deutschland um 1995 nach Ribbeck.

Ich würde mich freuen wenn ein sympatischeres, multikulturelles Italien in ein paar Jahren wieder aufersteht (genauso wie Deutschland jetzt).

Mit Letfiguren wie Balotelli.

Ohne diesen dummen Nationalismus, ohne diese Gockelhaftigkeit wie einst bei del Piero, Inzaghi und Buffon.

Eine Mannschaft so wunderbar wie dieses tolle Land.
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FabianPramel
14.07.2010 | 13:08 Uhr
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14.07.2010 | 13:08 Uhr
-2
ja ein weltoffenes multikulturelles junges italienisces team würde bei mir auch ganz anders ankommen als diese alten satten stars...

ich habe lange gebraucht den italienern 2006 zu 'verzeihen' aber so wie der fußball dort am boden liegt ist einfach nur traurig.

sehr wichtig im niedergang dieser fußballnation sind die ultras, deren anwesendheit in den stadien zur folge hat, dass familien sich dort nicht mehr hintrauen.

man braucht moderne stadien (em-ausrichtung wäre eine idee) und vor allem konzepte die menschen wieder ins stadion zu locken.

und man muss der schulden misere ins auge blicken. jetzt die reißleine ziehen bevor es zu spät ist. die vereine müssen den jungen italienischen spielern eine chance geben anstatt den schein zu wahren und sich mit teuren stars zu schmücken.
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