Fanrivalität im Fußball
Muss das denn wirklich sein?
Seit mehr als einem Jahrhundert existieren in Deutschland Fanrivalitäten zwischen Fans von unterschiedlichen Fußballvereinen. Aber wie entstehen eigentlich Abneigung und Hass im Fußball, einem Sport, in dem 22 Männer bloß einem Ball hinterherjagen? Und die viel wichtigere Frage: Sind diese Rivalitäten Fluch oder Segen für den Fußball? Ein Erklärungsversuch.
Der treue Fußballfan geht wie viele hunderttausend Gleichgesinnte Wochenende für Wochenende ins Stadion um seine favorisierte Mannschaft spielen, bevorzugt sogar siegen, zu sehen. Zweimal in der Saison jedoch hat das Ergebnis einen deutlich höheren Stellenwert als sonst - bei einem Derby: ein Spiel, basierend auf der besonders ausgeprägten Rivalität zweier Vereine und ihrer Fangruppen. Ein Derby elektrisiert Medien, und Mannschaften und Fans schon Wochen vor der Begegnung.
Diese meist schon langjährige, traditionelle Rivalität zweier Klubs ist der Auslöser für das überdurchschnittliche Eintrittskarteninteresse. Fanrivalität hat jedoch zwei Gesichter: einerseits schwärmen Spieler immer wieder von "Gänsehautatmosphäre" auf dem Rasen und erzählen von einem besonderen Ansporn, der manch einen mittelmäßigen Kicker während so einem Spiel über sich hinauswachsen lässt (man siehe Kevin Großkreutz, Derby für Derby). Die direkte Begegnung der Mannschaften auf dem Rasen ist für die rivalisierenden Fangruppen die Möglichkeit, sich auf den Rängen in Sachen akustischer und kreativer Unterstützung zu messen. So entsteht also ein paraller Wettkampf in den Fankurven. Besonders bei Derbys kommt man immer wieder in den Genuss höchstaufwändige Choreographien zu bewundern. Die Stimmung wirkt sich meist positiv auf das Spiel selbst aus, Derby sind erfahrungsgemäß hitzige und attraktive Fußballspiele. Andererseits hat Rivalität zwischen Fußballfans auch eine schwarze Seite. Beispiel dafür waren die gewaltsamen Ausschreitungen rund um das Revierderby im Oktober vergangenen Jahres: fast 200 Festnahmen und über tausend Polizisten waren an diesem Tag in Dortmund im Einsatz, das sind doppelt so viele Beamte als an einem gewöhnlichen Bundesligaspieltag. Im Fernseher wurden Bilder gezeigt von vermummten Randalieren, die sich Straßenschlachten mit den Einsatzkräften lieferten. Bei Derbys werden nicht nur bekannte Gewalttäter aus der Fanszene gewalttätig, auch der "gewöhnliche Stadionbesucher" wird bei einem solch emotionalen Fußballspiel oft abfällig und aggressiv.
Fanrivalitäten weisen keine klaren Entstehungsmuster auf, jede Rivalität hat ihre individuelle Entstehung. Trotzdem lassen sich häufig vorkommende Motive gliedern. Grundsätzlich ist Rivalität ein natürlicher, menschlicher Trieb. Unsere momentane Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem beruhen auf dieser Konkurrenz. Der häufigste und auch bedeutendste Grund ist die Lokalität zweier Fußballklubs. Bestes Beispiel für lokale Rivalität sind Stadtderbys: da es bei einer regionalen Rivalität meist zwei Nachbarstädte sind, besteht diese Rivalität auch aus der politischen und wirtschaftlichen Konkurrenzsituation, welche im Fußball widergespiegelt wird - das Fußballstadion als Reproduktionsort sozialer Strukturen. Auch die ersten bekannten Fanrivalitäten in England entstanden aufgrund von Klassenunterschieden, meist hieß es Oberschicht gegen Unterschicht innerhalb einer Region. Aufrechterhaltung von Vorurteilen und Stereotypen, sowie Erinnerungen an vereinzelte, oft veraltete Szenarien sorgen ebenfalls für das Bestehen von Fanrivalitäten.
Rivalität zwischen Fußballfans kann auch aufgrund von politischen Motiven entstehen. Dann treffen beim Fußball nicht nur die Mannschaften, sondern zwei verschiedene Ideologien der jeweiligen Fangruppen aufeinander, der Sport wird als Austragungsort gesellschaftlicher Konflikte genutzt. Ebenso kann Religion Entstehungsgrund einer Fanrivalität darstellen, was zwar selten der Fall ist. Das Glasgower Stadtderby "Old Firm" zwischen Celtic Glasgow und den Glasgow Rangers steht beispielhaft dafür. Die weltbekannte Rivalität der beiden Teams ist unter anderem religiös motiviert. Die Celtic-Fans sind größtenteils katholisch, wo hingegen die Anhänger der Glasgow Rangers überwiegend Protestanten sind. Auch sollte nicht vergessen werden, dass die Abgrenzung und Abneigung anderer Gruppen ein Teil des Reifeprozesses und der Identitätsbildung von heranwachsenden Menschen ist, die zu Hauf in Fankurven zu fnden sind. Fanrivalität ist zweifelsohne ein Bestandteil des deutschen Fußballs und der deutschen Fankultur.
In den Rivalitäten der Vereine wird die Geschichte der Vereine wieder aufgelebt, was einen schönen Effekt mit sich bringt: die, im modernen, kommerzialisierten Fußball in den Hintergrund gerückte Tradition der Vereine gerät in den Fokus der Fans.
Es ist definitiv nicht leicht ein Urteil über den Effekt von Fanrivalität zu fällen, da jede Rivalität unterschiedlich ausgelebt wird. Durch die populistische Berichterstattung der Medien jedoch sind die negativen Aspekte von Fanrivalität der breiten Öffentlichkeit geläufiger, was der deutschen Fankultur schadet. Fanrivalität wird noch lange seine bedeutende Rolle im deutschen Fußballzirkus behalten, so lange zwei miteinander rivalisierende Vereine regelmäßig gegeneinander spielen werden, wird auch die Rivalität Bestand haben. Den folgenden Generationen wird die Brisanz dieser Begegnung weitervermittelt. Fußball lebt meiner Meinung nach wie jeder andere Sport von der Rivalität, dem Wettkampf. Eben diese Rivalität und der Wille zum Sieg macht den Sport und besonders Fußball zu so einem besonderen Ereignis.
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KOMMENTARE
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27.09.2013 | 07:57 Uhr
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27.09.2013 | 12:17 Uhr
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In Liverpool findet wohl der friedlichste Derby der Fußballwelt statt, obwohl es ein Stadtderby ist. Warum das so ist, hätte man z. B. durchleuchten können.
Schalke und Dortmund waren sich ja nicht von Anfang an spinnefeind. Wenn ich das aus Aufzeichnungen noch richtig in Erinnerung hab, enstand diese Rivalität sogar erst in den 70er (bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege).
Und ich persönlich finde, dass das Beispiel Großkreutz falsch gewählt ist. M. E. lähmt ihn ein Derby eher als dass es ihn pusht.
Da ich aber auch weiß, wie schwer es ist, Blogs zu schreiben, kriegst du dennoch ne positive Bewertung.
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27.09.2013 | 14:16 Uhr
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käsebrot : @karmaguitar
Ich bin mir genau so bewusst, dass ein Blog eigentlich zu wenig Raum für die vollständige Ausführung des Themas bietet. Der Blog ist auch eigentliche eine grobe Zusammenfassung / Kürzung meiner Seminararbeit zum mündlichen Abitur. Habe versucht alles reinzupacken...schade, wenn es deiner Meinung nach nicht gelungen ist.
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Was die Leute eben nur vergessen: Hass gehört nicht zum Fußball. Rivalität hat auch nichts mit Hass zu tun. Eher ist es das Streben danach besser zu sein als jemand anderes. Als jemand aus der Umgebung, denn wenn wir doch ehrlich sind, werden nun mal die auch von dir erwähnten Stadt- oder Reginalderbys am meisten in diese Kategorie geschoben. Einzig vielleicht noch sowas wie der "Nord-Süd-Schlager" sind da Ausnahmen, aber das ist eben auch von den Medien so gehyped worden, weil man so noch mehr Rivalität in den Fußball bringen kann, woraus man sich gewisse Stimmungen erhofft.
Und das ist es eben auch was diese Derbys ausmacht, die ganz besondere Stimmung dabei und drumherum. Das will man ja im Fußball gerne haben und darum versucht man so viele Spiele wie möglich in so eine ecke zu bringen. Den Fans dagegen gefällt das eher weniger, sie haben ihre eigene Definition von "Derby" was eben meist der bekannte Stadtrivale oder ähnliches ist.
Man kann jedenfalls festhalten: Derbys sind ein Bestandteil der Fußballkultur und sollten auf jeden Fall auch ein Teil davon bleiben, allerdings darf man bei aller Derbyatmosphäre nicht vergessen, dass auch diese Spiele nur Teil des Fußballs sind und somit Hass darin nichts zu suchen hat. Rivalität ja, Hass nein danke!
Deinen Block finde ich übrigens soweit ganz gut, wenn auch vielleicht ein bisschen zu kurz hier und da. Aber das ist eben auch ein schwieriges Thema.