Edition: Suche...
28.08.2010 um 23:52 Uhr
Mein erstes Mal auf St. Pauli
Ich hatte mein erstes Mal auf St. Pauli. Vor ein paar Stunden. Nee, nicht was ihr denkt, ihr kleinen Ferkel, das ist schon über 20 Jahre her. Ich war auch nicht das erste Mal im Millerntor-Stadion, da ist mein erstes Mal/erster Besuch noch länger her. Nein, ich war das erste Mal bei einem Bundesliga-Spiel im VIP-Bereich, hab die Karte eines Bekannten nutzen können. Also dachte ich mir, schaue ich mir doch mal die Typen an, die beim ersten Bundesligaheimspiel von St. Pauli nach gefühlt 100 Jahren mit mir im VIP-Bereich sitzen. Danach erzähle ich ein wenig, was man als Värri Impotent Pörsn so alles geboten bekommt.
Zunächst hab ich mich auf die Suche nach dem sogenannten "Event-Fan" begeben. Dem "Fan" also, der zu St. Pauli (oder wahlweise natürlich auch ein anderes Stadion) geht, ohne dass ihn der Verein wirklich interessiert. Die Suche war kurz, sie endete in der Sekunde, als ich meinen Platz hinter dem Tor eingenommen hatte. Neben mir saßen zwei elegant gekleidete Frauen um die 30 auf Sitzen, die den Schildern nach einem Unternehmen gehören, das laut Webseite "differenziert definierte Dienstleistungen anbietet, die sich nach den individuellen Bedürfnissen zusammenstellen lassen." (jetzt wissen wir alle mehr!). Diese Firma hatte rund um "meinen" Platz mehrere Plätze. Hinter mir die beiden weiblichen Blagen meiner Nachbarin, geworfen schätzungsweise vor ca. 5 und 7 Jahren. Offenbar als Mann des Trupps entpuppte sich ein drei Reihen hinter uns sitzender Mann (kurz ER), der sowohl beim Alter als auch beim Körpergewicht nahe an die Summe der beiden neben mir sitzenden Frauen heran kommt. Man kann den Gedanken nicht ganz verhindern, dass das sie ihn wohl nicht wegen der tollen Figur oder des Sexappeals ranlässt. Aber das ist ja eigentlich gar nicht das Problem. ER würde vom Verhalten, das ich gelegentlich durch einen Blick über die Schulter wahrnahm, eher zu Bundeskanzlerin Merkel passen. Wir erinnern uns alle an die Bilder auf dem TV während der letzten beiden Weltmeisterschaften. ER findet St. Pauli bestimmt total kultig und ganz toll, jetzt, wo sie doch auch in der Bundesliga spielen. Das Schild auf der Gegengerade ("Auch das 1. Mal hier? Ist ja total kultig") bezieht ER entweder nicht auf sich oder versteht es als Willkommensgruß für die Aufnahme in die große St. Pauli-Familie. Würde ER in einer Gruppe "normaler" Fußballfans stehen, würde er nach wenigen Minuten auffallen wie ein "California Dream Boy" im Nonnenkloster. Aber immerhin schaute ER während des Spiels auf das Spielfeld. Das machten seine Frau und ihre Freundin, die beide links auf den Plätzen neben mir saßen, nämlich nur punktuell. Die restliche Zeit plauderten die beiden bei einer Zigarette nach der nächsten. Zum Glück bekam ich die Unterhaltung nicht mit, denn USP (Ultra St. Pauli) machte 10 Reihen unter mir im Stehplatzbereich einen Höllenlärm das ganze Spiel über, so dass das dumme Gequassel neben mir übertönt wurde. Danke USP! Unterbrochen wurde die nette Unterhaltung der beiden Fußball-Enthusiastinnen neben mir durch die lieben Kleinen hinter mir. Während des Spiels, dass die beiden Mädels nicht ein Stück interessierte, gerieten sie immer wieder in Streit. "Mama xxxx hat Doofe xxx gesagt" drang neben dem USP-Lärm an mein Ohr, so alle fünf Minuten in diversen Varianten. Zwischendurch wurden die beiden mal ruhig gestellt, weil die Freundin der Mama den beiden ein Eis holte. Zum Glück für Mama und die Freundin dauert ein Spiel ja nur zwei mal 45 Minuten und davor und danach kann man zu dem lecker Essen in den sogenannten Ballsaal. "Überhaupt wird man im Ballsaal viel leichter von anderen wichtigen Menschen gesehen und der Typ rechts neben uns in seinem Trikot ist bestimmt nicht wichtig. Und wenn man die Halbzeitpause noch um zehn Minuten überzieht, dauert das Spiel ja auch nur noch 80 Minuten." Solche oder ähnliche Gedanken dürften den beiden Grazien neben mir durch den Kopf gegangen sein.
So viel zu den "Fans" hinter und neben mir. In der Reihe vor mir saß auch eine Familie. Papa, Mama und Sohn (ca. 11 Jahre). Hier war anders: Alle drei interessierte hauptsächlich der Fußball. Sicher war das Essen toll, Eis gratis ist ja auch nett, aber natürlich saßen alle drei wieder auf ihren Plätzen, als die Spieler nach der Halbzeit aus der Kabine auf den Platz kamen. Die erfuchtsvolle Reaktion des Jungen, als er plötzlich neben dem noch verletzten Gerald Asamoah in Zivilkleidung stand zeigt zudem die Priorität des Jungen und, dass hier ein Fußball-Fan heranwächst.
Meiner Schätzung nach waren unter den Business-Seats-Leuten etwa die Hälfte echte Fans, die wie ich durch Zufall oder Geschäftsbeziehung an so eine Karte gekommen sind, oder eben Fans, die es in den letzten Jahren zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben und – da man normale Dauerkarten momentan nur bekommt, wenn man schon eine hat – nun auf diesem Wege für gut 3000€ im Jahr sich ihre Dauerkarte sichern. Die andere Hälfte sind klare Eventfans, die für uns normale Fans nur dazu gut sind, den Vereinen die Kasse zu füllen.

Der zweite Teil beschreibt ein wenig das Gebotene im VIP-Bereich und erscheint in den nächsten Tagen.

Teil 2
Aufrufe: 3803 | Kommentare: 3 | Bewertungen: 7 | Erstellt:28.08.2010
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KOMMENTARE
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xperte84
29.08.2010 | 10:56 Uhr
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xperte84 : 
29.08.2010 | 10:56 Uhr
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xperte84 : 
Schönes Ding, 10 Pts!

St. Pauli ist mittlerweile ein sehr professionell geführter Verein, der nicht mehr nur aufgrund seines "Kults", Freundschaftsspielen des FC Bayern und "Retter- Shirts" überlebt!
Viele haben ja eine Kommerzialisierung des Vereins befürchtet, und deinen Berichten zufolge scheint das auch zumindest tw. auf Pauli angekommen zu sein. Aber es geht halt nicht ohne, dafür ist die Marke St. Pauli zu interessant!

Lieber vom Geld solcher Neureichen "Fans" leben als von Würstchen- Ulis Bayern
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arm3nia
30.08.2010 | 14:32 Uhr
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arm3nia : 
30.08.2010 | 14:32 Uhr
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arm3nia : 
Interessanter Blog, schön zu wissen wie es bei den St.Pauli-VIPs so zu geht.

War ja klar das mit dem Aufstieg auch ein paar doch recht fragwürdige Besucher ans Millerntor kommen, aber ich denke bei uns ist das doch alles noch in einem erträglichen Rahmen.

Und ansonsten stimme ich dem letzten Satz von xperte84 absolut zu.
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DieZecke
31.08.2010 | 09:29 Uhr
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DieZecke : 
31.08.2010 | 09:29 Uhr
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DieZecke : 
Natürlich brauch St. Pauli das Geld. Aber für die kommenden zwei Spiele bin ich doch ganz froh, dass ich wieder einen "normalen" Platz habe. Ist nicht so meine Welt da.

Nachtrag: Ich wurde aber auch wirklich jedes Mal kontrolliert, wenn ich wieder in den Ballsaal wollte. Sah wohl nicht so nach VIP aus :)
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