Einstmals, es ist wohl gut zweihundert Jahre her, war Deutschland noch das Land der Dichter und Denker. Später dann leider das Land der Richter und Henker. Mittlerweile ist es das Land der Kriecher und Kränker. Denn es ist schon erstaunlich, was hierzulande aus Anlass einer Fußball-WM hervorgekrochen kommt. Wenn die WM losgeht, kommen die Eventfans hervorgekrochen, malen sich drei Streifen ins Gesicht, brüllen "Schlaaand" und suhlen sich im Sumpfe des seichten Stumpfsinns, den neutrale Medien als "Patriotismus" bezeichnen. Um Fußball geht es dabei nur am Rande – deswegen kommen die wenigsten hervor gekrochen. Der Großteil kriecht wegen der Party ans Tageslicht, wegen Stimmung, Schalala und Shakira. Fehlt das Wort "Spiel" in der Aufzählung? Vielleicht, aber wen interessiert schon das Spiel?

Nun ist die WM vorbei, und schon kriechen die einen – nämlich die Eventfans – wieder weg in ihre Löcher (auch bekannt als Büros oder Klassenzimmer). Dafür winden sich nun die anderen hervor, nämlich die Nörgler. Was für eine grottenschlechte WM, ätzen sie im Chor. Was für miese Spiele. Grotesk unfähige Schiris! Ein Finale, in dem nur getreten und gekloppt wurde. Spanien, der unverdienteste Weltmeister seit Menschengedenken. Der Untergang des Abendlandes! Der Weltfußball am Abgrund! Und so weiter. Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich etwas noch schlimmer finden könnte als betrunkene 13-jährige Gören im modischen Deutschland-Look, die es nicht verstehen können, warum der böse Serbe den Ball ins Tor schießt. Aber doch, es gibt schlimmeres. Nämlich die notorischen Miesepeter, die aufgrund ihrer weltfremden Vorstellungen von einer WM alles schlecht reden und mit nichts zufrieden sind.

Also, reden wir mal Klartext: Natürlich waren einige der Schiedsrichterleistungen bei dieser WM unter alle Kanone. Undiano, Larrionda, Rosetti und der im Finale gnadenlos überforderte Webb müssen sich zurecht vorwerfen lassen, auf Bezirksliga-Niveau gepfiffen zu haben. Aber sagt das irgendwas darüber aus, ob eine WM gut oder schlecht war? Negativ. Ich gestehe auch gerne zu, dass das Niveau der Spiele in der Gruppenphase nicht gut war. Auch ich war enttäuscht von den vielen 1:0s, dem Ballgeschiebe im Mittelfeld und der teilweise völligen Abwesenheit von Spannung.

Aber dann – ab dem Achtelfinale hat sich die WM gesteigert, und das exponentiell. Ich wage zu behaupten, dass die K.O.-Phase mehr Spannung, Dramatik und – jetzt kommts – spielerische Klasse zu bieten hatte als alles, was beim gehypten Sommermärchen 2006 im selben Turnierstadium zu sehen war. Mir fällt genau ein Spiel ein, das richtig mies war, und das war der Offenbarungseid Japan gegen Paraguay. Aber ansonsten? Sogar Partien wie Uruguay gegen Südkorea, die auf dem Papier ernüchternd klingen mögen, waren spannend und dramatisch. Ganz zu schweigen von den Auftritten Ghanas, das sich erst in einem knappen und intensiven Duell gegen die USA durchsetzte und dann im wohl emotionalsten Spiel des Turniers an Uruguay scheiterte. Oder will irgend jemand ernsthaft abstreiten, dass die Viertelfinal-Paarung Brasilien gegen Niederlande eine packende Begegnung mit Klassiker-Status war? Gibt es irgend jemanden, der die Schlussphase des Halbfinals Niederlande – Uruguay langweilig fand? Hand hoch, bitte.

Nörgler, was wollt ihr mehr? Was soll das Gerede von mangelnder spielerischer Klasse? Deutschland hat in Achtel- und Viertelfinale großartigen Fußball gezeigt, den besten des Turniers. Argentinien ließ bis zum Viertelfinale mehr als einmal Brillianz aufblitzen. Auch das viel gescholtene Brasilien konnte mit dem ein oder anderen Kabinettstückchen aufwarten. Dass im Finale ausgerechnet zwei Mannschaften standen, die eher durch Effizienz als durch Champagnerfußball auffielen, sagt nichts über die Qualität eines Turniers aus. Es sagt vielmehr aus, dass eben diese beiden Teams etwas hatten, das ihre Gegner nicht hatten, und nein, ich meine damit nicht das Glück oder die Gunst der Schiris.

Wer jetzt voller Ernst behaupten will, Spanien wäre ein unverdienter Weltmeister, den kann ich leider nicht ernst nehmen. Spanien ist genauso verdient Weltmeister wie es Italien vor vier Jahren war. Zum mitschreiben: Einen unverdienten Weltmeister gibt es nicht. Genauso wenig wie einen unverdienten deutschen Meister, DFB-Pokalsieger oder Champions-League-Gewinner. Klar hätte auch ich lieber gesehen, dass die Spanier spielerisch das zeigen, was sie eigentlich draufhaben, und dass sie in sieben Spielen mehr als kümmerliche acht Tore erzielt hätten. Aber es ist nun einmal so, dass Spanien in den entscheidenen Momenten nicht zu schlagen war, und deshalb sind sie verdient Weltmeister. Ist das in irgendeiner Form schwer zu begreifen?

Für mich war das die WM in Südafrika zumindest ab der K.O.-Phase ein tolles Turnier. Ich wurde besser unterhalten als vor vier Jahren, und erst recht als vor acht Jahren in Japan und Südkorea. Dass die WM 2010 nicht die beste aller Zeiten war, ist sonnenklar. Aber mies? Beileibe nicht. Nimmt man mal die Deutschlandbrille ab, war die WM 1990 die schlechteste aller Zeiten, und daran hat sich nach diesem Turnier nichts geändert. Ich persönlich werde mich gerne an die WM 2010 zurück erinnern, an die farbenfrohen Fanfeste auf den Tribünen und auch an packende Begegnungen mit schönen Toren. Nörgler, machts wie eure bierseligen Artgenossen beim Public Viewing und verkriecht euch! Dankeschön.