Alle waren schon mit der Diskussion um die Nachfolge von Louis van Gaal beschäftigt. Nach fünfstündiger Sitzung der Bayernbosse scheint jetzt aber klar: Van Gaal bleibt!

Nach dem Pokalaus gegen Schalke habe ich mich schon mit den offensichtlichen Baustellen (hier geht's lang)befasst. Diese Liste wurde bei dem erschreckend blutleeren und müden Auftritt gegen Hannover, als man zu fast keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, dass hier was gehen könnte, bestätigt.
Der Mannschaft fehlt die mentale und körperliche Frische.

Dadurch entstehen individuelle Fehler, dadurch gibt es kaum Aufbäumen nach Rückständen, dadurch fehlt die Laufbereitschaft bei eigenem Ballbesitz und beim Arbeiten gegen den Ball.

Dazu kommen einerseits fehlende Klasse in der Defensive, wo dringend Handlungsbedarf besteht, andererseits auch ein Machtvakuum auf dem Platz. Kein Spieler scheint wirklich der Leader während den 90 Minuten zu sein.


Erfahrungsgemäß nur eine Konsequenz

Dazu kommt van Gaals taktische Inflexibilität und die Ideenlosigkeit in der Offensive. Ballkontrolle ist eben nicht gleich Gegnerkontrolle, eine Erkenntnis, vor der sich auch in München nach dieser Woche keiner mehr verschließen kann.

Klar, wurden einerseits 'nur' drei Spiele in Folge verloren. Die Bedeutung dieser Niederlagen sowie die Art und Weise, wie sie zustande kamen, gepaart mit van Gaals Verhältnis zu Hoeneß ließen eigentlich nur einen Schluss zu: Van Gaal wird gefeuert.

Um so überraschender erscheint es daher, dass der knorrige Niederländer jetzt eine zweite Chance bekommt. Leider scheint es so, dass diese Entscheidung aus den falschen Gründen getroffen wurde.

Nämlich dass van Gaal nur im Amt bleibt, weil es keine Alternativen gibt. Prinzipiell die richtige Entscheidung. Keine der gehandelten Alternativen, ob Jol, Sammer oder auch Gerland, scheint der sofort funktionierende Heilsbringer zu sein.

Außerdem für van Gaal spricht, dass die Mannschaft nach wie vor geschlossen hinter ihm steht. Das hat auch Kapitän Philipp Lahm Christian Nerlinger noch am Abend nach dem Hannover-Spiel berichtet.


Schlüssel: Kontinuität

Die Mannschaft beruft sich dabei zum einen auf die überaus erfolgreiche vergangene Saison.
Außerdem sind Spieler wie Schweinsteiger, den van Gaal ins Zentrum beordert, Müller, Badstuber und Kraft, denen er das Vertrauen geschenkt hat, und Lahm, den er auf dessen Lieblingsposition spielen lässt, ihrem Trainer persönlich dankbar.

Dazu kommt aber: Der Schlüssel zu mittel- und langfristigem Erfolg ist Kontinuität. Nur wenn ein Verein lange einen Kurs verfolgt und seinen Kader von Saison zu Saison punktuell verstärkt, ist dauerhafter Erfolg möglich.

Diese Kontinuität ist seit langem der Wunsch und die Hoffnung der Bayernfans und eigentlich auch des Vorstandes. Nur hat man bisher immer die Reißleine gezogen, wenn entscheidende Saisonziele in Gefahr waren.


Stimmt das Gesamtpaket noch?

Dementsprechend wäre es der komplett falsche Weg, von Spiel zu Spiel die Trainerfrage zu stellen oder eine Trennung zum Saisonende zu vereinbaren. Das wäre letztendlich nicht anders als eine sofortige Entlassung, womit man wieder handeln würde wie bei Klinsmann oder Magath.

Mit van Gaal wurde nach Klinsmann der lang ersehnte Konzepttrainer verpflichtet - und bei der Etablierung einer neuen Spielphilosophie ist es normal, dass auch mal Durchhänger kommen.

Die Frage die sich jetzt also stellt lautet: Vertraut der Vorstand noch van Gaals Konzept? Traut er ihm zu, die Mannschaft weiter zu entwickeln, sie variabler zu machen und sie besser im Spiel gegen den Ball zu machen?

Außerdem entscheidend wird sein, wie intakt das Verhältnis zwischen Hoeneß und van Gaal tatsächlich ist. Sollte man sich für van Gaal aussprechen, aber in drei Wochen wieder ein Hickhack um mögliche Transfers losgehen, ist damit auch keinem geholfen.

Wenn dem Konzept van Gaals nicht mehr vertraut wird, sollte er sofort gehen, denn eine Hängepartie bis Saisonende wäre für alle Beteiligten eine extreme Belastung.

Wenn der Vorstand aber weiter Vertrauen in van Gaals Konzept hat, sollte er das Vertrauen auch ausgesprochen bekommen. Sprich er sollte auch über die Saison hinaus Trainer bleiben. Auch wenn die Champions League verpasst werden sollte.


Gefahr: Zusätzliche Verunsicherung

Ein Konzept, in dem van Gaal sich von Spiel zu Spiel hangelt oder sein Abschied zum Saisonende quasi beschlossen ist, würde die extrem verunsicherte Mannschaft noch unsicherer machen.

Außerdem muss der Verein jetzt auch eine klare Politik verfolgen. Ansonsten macht man sich nur unnötig angreifbar. Was ist, wenn man van Gaal zum Saisonende kündigen will und die Mannschaft plötzlich wieder gut spielt? Oder, andersrum, was ist, wenn die nächsten beiden Spiele verloren werden? Wer kommt dann?

Also nicht nur hinsichtlich geplanter Sommertransfers, auch hinsichtlich des Innenlebens des Vereins und der Mannschaft muss eine klare Entscheidung her.

Lange Rede, kurzer Sinn: Vertraut man dem Gesamtpaket - oder nicht? Und dann kann es nur ein pro oder contra van Gaal geben. Der Mittelweg mit einer aufgeschobenen Entlassung sollte keine Option sein.