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16.11.2007 um 17:48 Uhr
Kinder an die Macht?
Herbert Grönemeyer ist ausgewiesen ein Fußball-Fan, Bochum und so. Einst sang der deutsche Liedermacher mit der unverwechselbaren Pressstimme "Kinder an die Macht" - ein idealistisches Pamphlet an die Menschheit, dass Kinder sowieso alles besser können und generell die besseren Menschen sind.

Kinder an die Macht - so etwas ähnliches schwebt gerade Ivan Ruggeri vor, dem Präsidenten des Serie-A-Klubs Atalanta Bergamo. Statt gewaltbereiter Fans will er in Zukunft nur noch Steppkes von 6 bis 14 im Stadion sehen und die Tickets notfalls für lau verteilen. O-Ton Ruggeri: "Ich werde den Minderjährigen die Eintrittskarten schenken und will nur noch Kinder in der Fan-Kurve."

Der italienische Fußballverband und die Liga klatschen sofort Beifall, ein revolutionärer Vorschlag, ein wahrlich ehrenhaftes Unterfangen, was Herr Ruggeri da anpackt. Doch ist es mit der Ankündigung wirklich getan? Wie soll das ganze denn bitteschön aussehen?

Es ist utopisch zu behaupten, man könne alle gewaltbereiten Fans von heute auf morgen aus dem Stadion draußen halten. Irgendwer kommt trotz aller Restriktionen immer irgendwie an Karten und am Ende schafft es doch wieder ein kleiner Mob in die Kurve. Dafür sind die italienischen Ultras viel zu gut organisiert.

Und wie darf man sich das dann vorstellen? Zehn Hooligans in Reihe 10, unterbrochen von einem Wellenbrecher Kids in Reihe 11, und dann wieder ein paar Vermummte. Ob den italienischen Eltern wirklich dazu geraten sei, ihre Kinder in die maroden Bauwerke eines maroden Fußball-Systems zu lassen, stelle ich ernsthaft zur Diskussion.

So muss man sich fragen, ob Herr Ruggeri nicht vielleicht, wie es so oft getan wird, das Problem von der falschen Seite angeht. Kinder als Deeskalationstruppen - das kann es wirklich nicht sein.

Erst wenn der fanatische, gewaltbereite Mob aus den Stadien wirklich verschwunden ist, kann man solche Konzepte angehen, dann werden auch wieder die Familien in die Stadien strömen und nicht nur vornehmlich Randgruppen der Gesellschaft. England ist ein gutes Beispiel, dort hat sich der Sport Anfang der 90er Jahre nach Vorkommnissen wie Heysel oder Hillsborough selbst gereinigt und das Fanproblem nahezu beseitigt. Mit Kindern hatte das allerdings weniger zu tun.

Also, Herr Ruggeri: Ihr Anliegen in Ehren - "Kinder an die Macht" ist prinzipiell eine tolle Sache. Nur leider nicht im Land des Weltmeisters.
Aufrufe: 1201 | Kommentare: 5 | Bewertungen: 3 | Erstellt:16.11.2007
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KOMMENTARE
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Martinello
16.11.2007 | 19:09 Uhr
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Martinello : Also ich bin ja...
16.11.2007 | 19:09 Uhr
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Martinello : Also ich bin ja...
für mehr Frauen in italienischen Stadien! Und zwar für jeden Ultra mindestens zwei!
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MisterX
17.11.2007 | 17:31 Uhr
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MisterX : Heysel und Hillsborough...
17.11.2007 | 17:31 Uhr
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MisterX : Heysel und Hillsborough...
"England ist ein gutes Beispiel, dort hat sich der Sport Anfang der 90er Jahre nach Vorkommnissen wie Heysel oder Hillsborough selbst gereinigt und das Fanproblem nahezu beseitigt."
Nach Heysel durften englische Vereine fünf (Liverpool sogar noch länger?) Jahre lang nicht am europäischen Wettbewerb teilnehmen. Bin mir daher nicht sicher, ob man da sagen kann dass sich der Sport selbst gereinigt hat. Wenn, dann wurden die englischen Fans dazu eher "bewegt", und durch die Geschehnisse sensibilisert.
Ich weiß nicht ob der Verweis auf Hillsborogh hier passend ist, wo es in Italien doch um Randale geht, oder?. Damals wurden in Sheffield einfach zu viele Menschen in einen Block gelassen, wenn ich mich richtig daran erinnere. Da ging es eher um Sicherheitsvorkehrungen allgemein, entsprechend dann auch das Umdenken: In England wurden u.a. wegen der Katastrophe mit dem überfüllten Block in Sheffield die Stehplätze und die Zäune abgeschafft.
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FlorianBogner
REDAKTEUR
17.11.2007 | 17:40 Uhr
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FlorianBogner : Schon richtig...
17.11.2007 | 17:40 Uhr
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FlorianBogner : Schon richtig...
...dass in Hillsborough nicht primär Randale die Ursache für die Todesopfer war, aber Fakt ist, dass sich dort die Masse der Liverpool-Fans unkontrolliert Zugang zu dem betroffenen Fanblock verschafft hat und die Polizei machtlos war.

Natürlich ist die Formulierung "selbst gereinigt" nicht ganz korrekt, natürlich gab es auch neue Gesetze, neue Sicherheitsbestimmungen von Außen und neue Polizei-Konzepte, die dafür gesorgt haben, dass Randale nicht mehr vorkommt.

Und du hast Recht, Liverpool musste meines Wissens sieben Jahre in Europa zusehen.
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MisterX
17.11.2007 | 17:52 Uhr
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MisterX : ist das nicht die Geschichte...
17.11.2007 | 17:52 Uhr
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MisterX : ist das nicht die Geschichte...
...in der die verkauften Exemplare einer Zeitung genau deswegen in Liverpool extrem zurückgegangen ist, weil die Leute die Zeitung boykotiert haben? Die hatte damals behauptet, dass die Fans der Ausgangspunkt der Katastrophe waren, und sich während der Geschehnisse im Stadion auch noch daneben benommen haben. Aber Untersuchungen hatten damals wohl ergeben, dass es eben die schlechten Sicherheitsvorkehrungen allgemein waren.
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FlorianBogner
REDAKTEUR
17.11.2007 | 17:59 Uhr
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FlorianBogner : Aus Wikipedia
17.11.2007 | 17:59 Uhr
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FlorianBogner : Aus Wikipedia
Rund eine Stunde vor dem Spiel war der Andrang so groß, dass der Druck vor den äußeren Toren immer größer wurde. Daraufhin ließ die Polizei ein zusätzliches Tor öffnen (Gate C), um den Druck zu reduzieren. Dadurch konnte aber auch die Menge der Fans, die in den Mittelblock stürmte, nicht mehr kontrolliert werden, was schließlich zur Katastrophe führte. Das führte unter anderem dazu, dass der Mittelblock voll war, während ein Seitenblock noch halb leer war (die Außenblöcke waren durch Zäune vom Mittelblock getrennt). Ein möglicher Grund für den großen Andrang war, dass es für den gesamten Block mit 10.000 Stehplätzen nur 7 Drehkreuze gab.

Außerdem hat die Polizei, als bereits Fans gegen den Zaun gedrückt wurden, die Tore zum Spielfeld nicht sofort öffnen lassen und auch später, nachdem die Tore geöffnet waren, hat die Polizei die Fans daran gehindert, weiter aufs Spielfeld vorzudringen und so den Stau abzubauen.

Nach der Hillsborough-Katastrophe fiel die Auflage der Boulevardzeitung The Sun in Liverpool von 400.000 auf nur noch 12.000. Unter dem Titel „The Truth" (die Wahrheit) hatte die Zeitung behauptet, Liverpool-Fans hätten Rettungsversuche der Polizei behindert, Opfer beraubt etc.

Dieses Unglück, nur vier Jahre nach Heysel, trug nach einer Untersuchung und dem abschließenden Taylor Report langfristig dazu bei, dass es heute in englischen Stadien nur noch Sitzplätze und keine Zäune mehr gibt. Das Stehplatzverbot wurde einige Jahre, nachdem es in England eingeführt wurde, von der FIFA und UEFA für internationale Spiele übernommen.
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