Am Anfang war der Schmerz. Dann, ganz langsam aber dennoch mit absoluter Vehemenz kam auch das Bewusstsein wieder zurück. Kevin M. öffnete seine Augen, sein Kopf dröhnte noch immer wie ein alter 12-Zylinder. Was war passiert ? Eben waren sie noch auf der Flucht vor der verdammten Polizei, er, der Maik und der Dave. Dann wurde es plötzlich dunkel. Kevin versuchte sich aufzurichten doch scheinbar hatte er noch nicht wieder die Kontrolle über seinen Körper.

Gedanken kreisten durch seinen Kopf: Was mache ich hier? Wie ist es dazu gekommen?Unwillkürlich fielen ihm wieder Fragmente seiner Jugend ein. Damals, als er noch zuhause im kleinen Oberursel gelebt hat, als er noch von allen gehänselt wurde. Sicher, er war nicht unbedingt schlank und die Schule war auch irgendwie doof weil er nicht so schnell war wie die Anderen aber immerhin wusste er sich zu verteidigen. Immer wenn sie ihn geärgert haben gab es ein paar aufs Maul, denn Kevin war immer schon etwas grösser als der Rest und das sollte ihnen eine Lehre sein. Trotzdem verstand Kevin nicht warum sie es trozdem immer wieder versuchten

Dies alles hatte ein Ende nachdem seine Familie nach Frankfurt gezogen ist. Dort kannte ihn niemand aber leider interessierte sich auch keiner für Ihn. Die meiste Zeit verbrachte er alleine zu Hause und schaute Fernsehen. Nachdem er endlich mit der Schule fertig war sollte endlich alles Besser werden. Eigener Job, eigene Bude, vielleicht auch mal eine Freundin. Doch irgendwie kam es wieder anders. Mit seinem Abschluss bekam er keine Lehrstelle und so musste er sich irgendwann arbeitslos melden. Auf dem Amt traf er dann schliesslich Maik. Maik war gut 6-8 Jahre älter, kräftig und trug eine Glatze. Sie unterhielten sich und Kevin war von ihm fasziniert. Maik war sehr selbstsicher, schien vor nichts Angst zu haben und machte jeden „platt" der ihm dumm kommen wollte. Er erzählte Kevin davon dass er regelmässig mit ein paar Kumpels zu Fussballspielen fährt um dort mal ordentlich Stimmung zu machen und um zu zeigen wie richtige Männer ihren Verein vor den „Idioten" von ausserhalb verteidigen.

Also begann auch Kevin damit regelmässig Fussballspiele zu besuchen. Maik nahm ihn mit zu seiner Gruppe, der „Mainbrigade" und Kevin fühlte sich gleich wohl. Hier gab es Viele denen es genauso ging wie ihm, sie hatten keine Arbeit, keine Freundin und die meisten hatten ausser dieser Gruppierung auch kaum andere Freunde. Aber sie hielten zusammen und Kevin fühlte sich endlich nicht mehr allein. Also zogen sie Woche für Woche los und und freuten sich bereits Tage vorher auf das nächste Spiel.

Wobei „Spiel" vielleicht noch untertrieben ist. Schliesslich ging die Party ja schon vor lange dem Spiel los. Meistens traf man sich schon mittags und kippte zum warm werden schon mal ein paar Bierchen und eine Flasche Goldkrone zusammen. Danach geht es dann immer mit der S-Bahn Richtung Stadion. Hier hat man die grössten Chancen, die ersten Auswärtsfans zu erwischen. Die Ahnungslosen Deppen können dann schön schon mal ein wenig angepöbelt werden und falls sie dann Streit suchen gibt’s halt ein paar aufs Maul denn das hier ist UNSER Revier.

Vorm Stadion geht’s dann weiter, noch ein paar Bierchen zischen und dann ins Stadion. Dort angekommen wird dann ordentlich gegröhlt und gesungen, vor Allem wenn die Gegner wieder mit so viel schwarzen „Affen" antreten wie der Maik immer sagt Und dann gibt’s da natürlich immer die Bengalos vom Dave. Das sieht immer total cool aus wenn er und die Anderen anfangen die Dinger zu schwenken. Einmal ist ihm einer runter gefallen und unten im Block gelandet aber zum Glück war der Dave ja vermummt und hat sich gleich aus dem Staub gemacht. Damals hat er wohl zwei Typen da unten ein wenig verbrannt. Selbst Schuld, sollen sie halt aufpassen wenn sie unten in der Kurve stehen die Idioten.

Nachdem Spiel geht’s dann auch immer noch weiter. Entweder man hat gewonnen und sucht sich ein paar Gegner um sich schön über die Assis lustig zu machen oder man hat verloren, dann sollten die Anderen aber zusehen dass sie uns nicht provozieren, sonst gibt es gleich wieder aufs Maul.

Kevin kam langsam aber sicher wieder richtig zur Besinnung.

So war es doch auch heute oder? Wir haben verloren und wollten im Park noch ein par Bierchen trinken als plötzlich diese Kids vor uns auftauchten mit ihren ganzen Schals und dem Dreck. Der eine hatte Maik die ganze Zeit grinsend angeschaut und das hat er auch sofort bereut, als der Maik dann zu ihm rübergekommen ist. Als Strafe wollte er ihm seinen Schal abnehmen und als er sich gewehrt hat bekam er direkt erst mal eine runtergehauen. Wir sind dann sofort dazugekommen und haben den Großmäulern erst mal gezeigt wie der Hase hier in Frankfurt läuft. Leider kam sind dann plötzlich die Bullen dazugekommen und wir sind dann schnell abgehauen.

Kevin begann sich zu erinnern: Sie flüchteten direkt in die City, liefen um die Kurve und BAM, er lag auf dem Boden. Das war es. Er hatte sich umgedreht um nach den Verfolgern zu sehen und war betrunken direkt gegen ein Straßenschild gelaufen. Er versuchte sich aufzurichten. Seine Kumpels waren weg, niemand hatte ihm geholfen. Stattdessen hielt irgendjemand seinen Arm fest. „So Freundchen, du kommst jetzt erst mal mit uns" schallte es mit gefühlten 120 Dezibel in sein Ohr. Kevin stand auf und hielt sich die blutende Stirn.

Dummheit kann tatsächlich wehtun. Sogar auf ganz verschiedenen Wegen...