Die Deutsche Nationalmannschaft ist Confed-Cup-Sieger, Weltmeister und Favorit auf den nächsten Titel im Sommer 2018 in Russland. Na und? Muss ich jubeln? Oder darf ich das auch egal bis doof finden?
Wenn ich das Wort Länderspielpause höre, bekomme ich Brechreiz und Migräne. Weil es für einen Fußballfan wie mich nichts Schöneres als einen Bundesligaspieltag gibt, aber weil eben auch die Nationalmannschaft bei diesem Fußballfan das gleiche Interesse wie die neue Staffel Deutschland sucht den Superstar weckt. Nullkommanull. Es ist nicht so, dass ich mich nicht freue, wenn die Deutsche Nationalmannschaft Titel und Spiele gewinnt. Es ärgert mich schon fast.
Es ist keine Abneigung gegenüber Länderspielen an sich. Natürlich, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften das sind Highlights, auch für mich. So wie 1998, Frankreich. Das erste große Turnier, an das ich mich erinnere. Da waren die Brasilianer um diesen Ronaldo, der alle verzauberte. Da war Zidane, der eine Mannschaft, ja ein ganzes Land zum Titel trug. Da waren die Holländer und Kroaten, die leidenschaftlichen Fußball spielten.
Natürlich, 2006 habe auch ich das Sommermärchen geträumt. Aber es gibt eben auch andere Teams, die es verdient hatten und haben. Aber die deutsche Mannschaft, das war damals noch meine Mannschaft. Spieler wie Mike Hanke oder Bernd Schneider, die gefühlt auch nebenan hätten wohnen können. Das waren noch meine Jungs.
Jetzt ist das Verhältnis zur Nationalmannschaft immer mit zwei zentralen Fragen verbunden:
1. Wieso muss ich einer Mannschaft zujubeln, nur weil die Spieler die gleiche Sprache sprechen wie ich?
2. Warum mag man eine Mannschaft?
Die erste Frage ist schnell beantwortet. Nein. Denn ich juble ja genauso, wenn die nichtdeutschen Spieler meines Vereins ein Tor schießen. Ich bin eben auch der Typ Fan, der nicht allen deutschen Teams im Europapokal die Daumen hält. Wenn ich ein Team nicht mag, dann auch nicht auf internationaler Ebene. Aber du musst doch zu Deutschland halten, kommt es dann von einem der zigtausenden Bundestrainer. Eben jene, die einem leidenschaftlichen Fußballfan wie mir, dann während eines Großereignisses mit schwarzrotgoldenen Auotspiegeln oder den weißbierbekleckertsten Stammtischparolen das Spiel erklären wollen - als wäre ich ein Ahnungsloser. Die Fans, die aber weder von abkippendem Sechser noch von 90 Prozent der Bundesligaspieler, die eben nicht auf der großen Bühne auflaufen, etwas gehört haben. Du kannst doch nicht für andere Länder sein! Vielleicht fehlt mir der nötige Funken an naivem Patriotismus, vielleicht bin ist mein Verstand nicht mit der einfachen Stricknadel eingepflanzt worden. Vielleicht sind mit andere Länder, andere Mannschaften auch einfach sympathisch - auf Vereinsebene oder eben bei einer EM oder WM.
Die Frage, warum man Fan oder Sympathisant einer Mannschaft ist, ist da schon schwieriger zu beantworten. Liegt es an den Werten, für die ein Team steht? Bodenständigkeit, Tradition, Familie, Fans, Leidenschaft, Erfolg oder sonstige Tugenden? Liegt es vielleicht an Spielern oder Vorständen, die man sympathisch findet oder eben weniger sympathisch findet? Liegt es an einem einzelnen Ereignis, dass man mit einem Verein verbindet, sei es ein spontaner, zufälliger Stadionbesuch? Liegt es in den Genen von Opa und Papa? Oft ist auch unklar, ob die Zuneigung und Liebe der Mannschaft oder gleich dem ganzen Verein gebührt. Klar ist aber, das der Gund dafür bei jedem ein anderer ist. Bei Nationalmannschaften ist die UrsachenforschunG noch komplizierter. Letztlich stehen da dann elf Spieler auf dem Platz, die ich nicht anfeuern möchte, nur weil sie den sie den Bundesadler tragen. Oder eben nicht anfeuere, weil sie nicht den Adler, sondern drei Löwen tragen. Überhaupt, der Funke von Jogis Elf ist nie übergesprungen auf mich.
Da stehen zu viele Spieler, zu viele Menschen, von denen ich eben kein Fan bin. Das ist keine Mannschaft, deren Fan ich sein will, für die ich mich freuen will, wenn da ein Titel rausspringt. Natürlich gibt es einzelne Spieler, denen ich den Erfolg wünsche. Das gibt es aber eben auch bei einigen anderen Ländern.
Deswegen freue ich mich, wenn die Deutschen bei der WM 2018 scheitern sollten. Und ich juble dann, wenn die Brasilianer gewinnen. Oder die Argentinier. Oder die Portugiese, Italiener, Franzosen. Auch bei den Engländern.
Die Mannschaft, wie sie mittlerweile heißt, ist für mich nur irgendeine Mannschaft. Eine, mit der keine Liebesbeziehung entsteht. Und wir können auch keine Freunde bleiben.
Und ja, ich bin für andere Länder bei einer Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft. Das geht tatsächlich. Auch wenn man das beim Public Viewing vielleicht nicht zu laut sagen darf. Aber Public Viewing meide ich am besten sowieso.
Achja: Zeit, dass es wieder Samstagnachmittag, 15.30 Uhr ist. Und Bundesliga läuft.
Mir sind Länderspiele inzwischen völlig egal. Das betrifft jede Sportart die mich interessiert, jede Sportart die ich selber je gespielt habe. Bei der Handball WM 2007 war ich nochmal kurz so was wie ein Sportpatriot, aber das war auch nur ein kurzes aufflammen. Deshalb bin ich jetzt mal noch radikaler als du: Mir ist Länderspielfußball alles in allem komplett egal. Ab und an schaue ich in ein Spiel rein, aber halt weil Fußball (bzw. Handball bzw wasauchimmer ist), und nicht weil ich auch nur den geringsten Bezug zu der Mannschaft die da spielt hätte. Im Clubfußball gehts mir da ähnlich. Ich schaue zwar von Zeit zu Zeit schon auch CL und EL, aber halt auch mal J-League, drittligastreams im MDR oder österreichische erste Liga (ich meine die 2. Liga). Emotional wird's nur wenn meine zwei Vereine spielen, sonst ist mir das worscht.
Bei mir ist es relativ einfach. Quali+Test tangieren mich gegen 0. Beim Turnier kommt aber der Patriot und Fan durch. Ob vor ein paar Wochen die U17WM, im Sommer U21, letztes Jahr Oly und natürlich die EM/WM der N11.
Eine kleine Idee habe ich schon, warum bei einigen Fußballfans das Interesse abgebaut ist:
Das Sommermärchen und der darauffolgende Kommerzialisierung mit Fähnchen, Public Viewing und der irrsinnige Empfang am Brandenburger Tor mit jeder maximalen Kameraeinstellungen und Stimmen, wie Helene F.
Das zieht natürlich eine große finanzstarke Gruppe an und jene feierten Poldi und Schweini, aber wissen die Abseitsregel jedoch nicht.
Dazu die Preise. Ob Ticket oder Fanartikel. Hatte ich hier in Leipzig noch jedes Spiel der N11 im Stadion gesehen, habe ich die letzten Beiden ausfallen lassen (60 Eus für einfache Sicht)
Trotzdem werde ich nächstes Jahr zur WM am TV mitfiebern und die Daumen drücken.
Aber die Aussage des Blogs kann ich nicht ganz nachvollziehen. Du sagst, dass da Spieler auf dem Platz stehen, die du nicht anfeuern möchtest. Ist das denn bei anderen Nationen anders?
Also ich verstehe nicht ganz, warum du die Mannschaft dann scheitern sehen willst und es dir nicht einfach egal ist.
Ich schaue die Länderspiele mit großem Interesse und das liegt denke ich ausschließlich daran, dass da eine Mannschaft bestehend aus extrem talentierten Spielern auf dem Platz steht. Ich mag die meisten und freue mich, wenn sie so erfolgreich sind. Deutsche Spieler werden im Ausland so gut wie immer unterschätzt - da finde ich es cool, wenn sie regelmäßig um Titel mitspielen können und dabei sogar so eine Art Benchmark für den internationalen Fussball darstellen.
Alles was Branding angeht,ist einfach Bullshit - zumindest für uns Deutsche, da wir wissen, dass "die Mannschaft" ein künstlich geschaffener Begriff ohne Tradition ist. Aber für die internationale Vermarktung funktioniert das glaube ich ganz gut. "Der Klassiker" wird mittlerweile auch in jeder englischen Berichterstattung genannt und so dargestellt, als würden wir jedes FCB-BVB Spiel so nennen.
@Loola: Na klar stehen da talentierte Spieler auf dem Platz, das will ich auch ga rnicht bestreiten und es gibt kaum ebssere Teams als Deutschland. Es geht mir nur um die Frage: Warum MUSS ich, wie ich es so oft zu hören bekomme, unbedingt den Deutshen die Daumen drücken? Kann ich nicht auch für die Franzosen, Engländer, Portugiesen etc. sein?
Mich nervt einfach dieses: "Du MUSST doch für UNS jubeln". Da wird, besonders zu Großereignissen, ein riesiges Wir-Gefühl aufgebauscht, dass ich einfach nicht fühe und einfach ne pure Doppelmoral ist. Die Art und Weise wie Deutsche sich dann auch "freuen", nämlich eher über den anderen herzzuziehen (sei es Holländer, Italiener, Ronaldo) kommt dazu.
Mir stößt die Art und Weise auf, das Drumherum, aber eben auch dieMannschaft auf dem Platz, von denen ich schon in der Bundesliga vielen "die Pest an den Hals wünsche".
Gutes Beispiel: Götze war 2014 der Held einer ganzen Nation, ein Jahr vorher war er noch der "Judas", der seinen verein verraten hat. Das war nach seinem Tor plötzlich allen egal. Ich kann das halt einfach nciht ausstellen, nur weil plötzlich jemand ein anderes Trikot trägt, mag ich ihn nicht einfach.
Bis 2006, mit Abstrichen noch 2008 und 2010, war die deutsche Nationalmannschaft für mich eine Nationalmannschaft wie jede andere auch, man konnte sich "identifizieren", taktisch und rein optisch wurde es deutlich anspruchsvoller und ansehnlicher.
Dann aber wurde es zunehmend befremdlicher - nicht die rein spielerische Verbesserung, sondern eher das Drumherum. Ein eigenes Camp bauen? Ok, kann man vielleicht noch machen, wenn man wirklich alles für den Erfolg tut - aber wozu braucht eigentlich eine Nationalmannschaft einen Manager? Am Anfang konnte man sich noch drüber lustig machen, dass Bierhoff quasi ein gutbezahlter Hotelbucher war, aber auf einmal wuchsen gefühlt sprunghaft die Termine für Sponsoren an, für sinnlose Freundschaftsspiele mit völlig unnötigem Verletzungsrisiko, und der Gipfel war dann die Pressemitteilung, man möge doch bitte die Nationalmannschaft ab sofort nur noch "Die Mannschaft" nennen - der Manager hatte gesprochen. Ich kam mir beim Lesen unwillkürlich so vor, als sei ich kein Unterstützer, sondern ein Angestellter der "Die Mannschaft"-GmbH, Fanclub powered by Coca Cola und Mercedes Benz, featuring Nivea.
Wenn man es mal etwas platt formulieren will, nicht die Spieler haben mich verloren, sondern die Riege rund um Bierhoff und Löw, die inzwischen nicht mehr wie die Anhänger eines Sports wirken, sondern wie die Manager eines DAX-Konzerns, rücksichtslose Gewinnmaximierung auf Kosten der Vereine.