Edition: Suche...
Von: Sebastinho
21.05.2013 | 2473 Aufrufe | 3 Kommentare | 4 Bewertungen Ø 7.8
Ein Blick hinter die Kulissen - Brands Hatch
Inside DTM
Ein mySPOX-User gewährt Einblick in das Innenleben des DTM-Teams von Mercedes-Benz.
Freitag

Morgens, halb 4 in Deutschland. Der Wecker klingelt und wird mit einem instinktiven Wisch auf dem Smartphone unmittelbar zum Schweigen gebracht. Etwas mehr Schlaf wird doch noch drin sein. Und sei es nur für ein paar Minuten. Nun, aus den ein paar Minuten werden knapp eineinhalb Stunden. Von wegen entspannt frühstücken und mit der Bahn zum Flughafen fahren! Stattdessen startet der Tag mit einem geschockten Blick auf die Uhr und hektischen Anruf in der Taxizentrale. Immerhin: Trotz allem erscheine ich pünktlich am Terminal, unter anderem dank der weisen Entscheidung, den Koffer am Abend zuvor zu packen. Eine weitere Erkenntnis jenes Morgens: Erstaunlich, wie hellwach man plötzlich sein kann, wenn man in Eile ist...


Das Media Center und die Boxengasse in Brands Hatch

Nach der Ankunft in London geht es direkt per Shuttlebus Richtung Longfield. Der Ort, der zur englischen Grafschaft Kent gehört und sich eine dreiviertelstündige Autofahrt von Englands Hauptstadt entfernt befindet, dürfte bei den allermeisten Personen nur ein Stirnrunzeln verursachen. Weitaus bekannter dürfte der Name jener Rennstrecke sein, die sich in Longfield befindet: Brands Hatch, langjähriger Formel 1-Austragsort und zweite Station im diesjährigen DTM-Rennkalender.

Im Gegensatz zu Hockenheim ist Brands Hatch völliges Neuland für mich, von daher beginnt der Arbeitstag mit einer Begehung der Anlage. Schnell fällt mir auf, wie vergleichsweise klein und kompakt das Areal ist. Eine Besonderheit stellt die Trennung zwischen dem Fahrerlager inklusive Boxengasse einerseits und dem Motorhome sowie der Teamhospitality andererseits dar. Dieser Umstand ist auf die Start-Ziel-Gerade zurückführen, die zwischen jenen Bereichen verläuft. Nichtsdestotrotz fallen die Wege kurz aus, weil ein Tunnel unterhalb der Strecke verläuft.


Die drei britischen DTM-Fahrer während der Pressekonferenz: Jamie Green, Andy Priaulx und Gary Paffett

Der erste Termin an diesem Wochenende ist die internationale Pressekonferenz, die im Media Center stattfindet. Zu Gast sind die drei britischen Fahrern im Feld, namentlich Jamie Green, Andy Priaulx und Gary Paffett. Letzterer darf getrost als Lokalmatador bezeichnet werden, denn Bromley, Paffetts Heimatort, und Longfield sind lediglich 30 Autominuten voneinander entfernt. Wenig verwunderlich, dass bei Gary eine besondere Vorfreude herrscht. Erst recht nach der Pole und dem Sieg im Vorjahr.

Im Anschluss an die Pressekonferenz geht es zurück in die Teamhospitality, denn als Nächstes steht ein Termin mit der ARD auf dem Programm. In diesem Zusammenhang wird Gary Paffett zum kontroversen Zwischenfall mit Martin Tomczyk beim Saisonauftakt in Hockenheim interviewt. Unterstützung erfährt Paffett von seinem Markenkollegen Robert Wickens, der kurzerhand dazustößt und seine Meinung zum Thema äußert.


Gary Paffett und Robert Wickens äußern sich zum Tomczyk-Zwischenfall in Hockenheim

Nach weiteren Interviewterminen unserer Fahrer endet der Tag an der Rennstrecke letztlich mit dem obligatorischen Teamabend, der nicht zuletzt wegen des Buffets immer wieder freudig erwartet wird. Im Rahmen der Veranstaltung wird ein Videorückblick mit Bezug auf den Saisonauftakt abgespielt. Die damit verbundene Botschaft ist eindeutig: An Hockenheim anknüpfen und um den Sieg fighten!

Samstag
Im Gegensatz zum Vortag beginnt der Morgen erfreulicherweise ohne Schrecken. Stattdessen geht es frisch erholt und frohen Mutes in den Tag. Nach einer kurzen Teambesprechung am Morgen, bei der der Tagesablauf und kurzfristige Änderungen besprochen werden, verlaufen die Stunden bis zum Qualifying relativ entspannt. Zwar stellt das Rennwochenende in Brands Hatch ein Kontrastprogramm zu jenen am Hockenheimring, dem Norisring oder Nürburgring dar, bei denen ein Termin auf den anderen folgt. Langeweile kommt dennoch nicht auf, denn die angesetzten Termine können im Gegenzug länger ausfallen, wie zum Beispiel die Videodrehs für Mercedes-Benz UK.


Robert Wickens während des Drehs für Mercedes-Benz UK

Als das Qualifying endlich beginnt, ist die Erwartungshaltung im gesamten Team groß, trotz des zurückhaltenden Beginns im Freien Training am Samstagmorgen. Umso größer ist die Ernüchterung nach Beendigung aller vier Qualifikationsegmente: Kein einziger Mercedes-Pilot schafft es in die Top 10. Und das ausgerechnet in Brands Hatch, gilt doch die als Brands Hatch Indy Circuit bezeichnete kurze Version der Strecke mit 1,93 Kilometer Länge alles andere als überholfreundlich. Entsprechend verhalten fallen die Kommentare der Fahrer mit Blick auf das Rennen aus. Ob der Regen, der für den Sonntag angekündigt ist, für ein besseres Abschneiden sorgen kann?

Ablenkung verschafft den Fahrern die Meet the Drivers-Veranstaltung, bei der sie den Fans für Autogramme zur Verfügung stehen. Dabei erhalten sie prominente Unterstützung, denn Paul di Resta , der 2010 die Gesamtwertung in der DTM auf Mercedes gewann und seit 2011 in der Formel 1 für Force India an den Start geht, ist als Gast vor Ort, um bei seinen alten Bekannten vorbeizuschauen. Darüber hinaus steht Di Resta auch für Interviews zur Verfügung, zum Beispiel für britischen TV-Kollegen von ITV.


Paul di Resta, DTM-Meister 2010 und aktueller F1-Fahrer bei Force India, während des Interviews mit ITV

Als letzter größerer Programmpunkt auf dem Ablaufplan steht ein Shooting für den Teamsponsor Thomas Sabo an. Hierfür finden sich die Fahrer auf der Start-Ziel-Geraden ein, um für Gruppenfoto zu posieren. Für gute Stimmung sorgen die Spaßeinlagen von Roberto Merhi und Gary Paffett, die nicht nur bei den Fahrern großes Gelächter verursachen. Kleine Notiz am Rande: Im Gegensatz zur wahnwitzigen Aktion am darauf folgenden Tag stört sich niemand daran, als der für das Shooting verwendete Wagen quer über die Fahrbahn gezogen wird...


Der Mercedes-Benz-Fahrerkader während des Shootings für Thomas Sabo

Sonntag

Infolge des mäßigen Qualifyings werfe ich unmittelbar nach dem Aufstehen einen Blick aus dem Fenster. Doch vom berühmt-berüchtigten britischen Wetter ist nicht die geringste Spur auszumachen. Ganz im Gegenteil! Entgegen der Wetterprognosen vor dem Rennwochenende, Stichwort 90%-ige Regenwahrscheinlichkeit am Samstag und Sonntag, scheint die Sonne. Wenn das der Kachelmann wüsste!


Formel 1-Weltmeister Jenson Button während des Interviews auf der Showbühne

Meine Gedanken richten sich allerdings schnell auf ein ganz großes Highlight: Jenson Button, der sich auf Einladung von Mercedes-Benz die Ehre gibt. Bereits vor dessen Ankunft versammelt sich eine riesige Menge vor der Showbühne und euphorischer Jubel brandet auf, als Button endlich erscheint. Keine Frage, die britischen Motorsportfans gelten nicht von ungefähr als besonders leidenschaftlich. Das Warten dürfe sich für die Anhänger bezahlt gemacht haben, denn JB, wie er in der Presse gerne genannt wird, punktet mit einem äußerst smarten und sympathischen Auftritt.

Gary Paffett gibt Jenson Button die letzten Anweisungen vor dessen Fahrt im DTM-Renntaxi

Im Anschluss daran zieht sich Button kurz ins Motorhome zurück, um sich dort für die anstehenden Fahrten im DTM-Renntaxi umzuziehen. Unter einem großen Medienaufkommen instruiert ihn anschließend sein guter Freund und McLaren-Mercedes-Kollege Gary Paffett über das DTM Mercedes AMG C-Coupé, ehe der Formel 1-Weltmeister der Saison 2009 selber ins Lenkrad greift, um glückliche Gewinnspiel-Sieger um den Kurs zu fahren.


Weltmeisterliche Geburtstagsglückwünsche bekommt man auch nicht alle Tage

Anders als in Deutschland startet das Rennen aufgrund der Zeitverschiebung bereits um 12:30 Uhr Ortszeit und somit eine Stunde früher als üblich. Kaum zu glauben, wie schnell die Zeit bis dahin vergeht. Anders als sonst verfolge ich das Rennen von der HWA-Box aus und siehe da: Trotz ausbleibendes Regens verläuft es überraschend positiv. Mit starken fahrerischen Leistungen, einer guten Strategie und dem nötigen Quäntchen Glück kämpfen sich gleich vier Mercedes-Fahrer nach vorne. Gary Paffett und Robert Wickens, von Platz 11 beziehungsweise 13 ins Rennen gegangen, überqueren sogar als Dritter und Vierter die Ziellinie. Christian Vietoris (Startplatz 16) als Achter und Pascal Wehrlein (Startplatz 20) als Zehnter runden das insgesamt gute Mannschaftsergebnis ab.


Die HWA-Box während des Rennens

Unmittelbar nach dem Rennen zeichne ich in der Boxengasse die Statements unserer Fahrer auf, als Robert Wickens an der Reihe ist, der sich mit dem Rennverlauf und vermeintlichen vierten Platz zufrieden zeigt. Vermeintlich, weil er mitten im Gespräch von einem Kollegen der ARD aufgeregt darüber informiert wird, dass er aufgrund einer Fünf-Sekunden-Strafe für Gary Paffett plötzlich Dritter ist und deshalb schnell zum Podium joggen muss. Es versteht sich wohl von selbst, dass jeder allen voran Wickens - in diesem Moment verdutzt gewesen ist.


Obligatorische Aufgabe für die Fahrer: Das Wiegen im Anschluss an das Rennen

Unterm Strich kann ich auf ein ereignisreiches und am Ende turbulentes Rennwochenende zurückblicken. Umso angenehmer war es nach dem Rennen zusammen mit den Kollegen in Ruhe auf meinen Geburtstag anstoßen zu können. Selbstverständlich hätte ich diesen Tag gerne mit der Familie und meinen Freunden verbracht, aber wenn es für mich einen adäquaten Ersatz gibt, dann ist es die Arbeit an einem Rennwochenende.


Goodbye, Brands Hatch!

In diesem Sinne: Bis in zwei Wochen! Dann gastiert der DTM-Tross am Red Bull Ring im österreichischen Spielberg.
KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
Sanna
21.05.2013 | 11:21 Uhr
0
0
Sanna : 
21.05.2013 | 11:21 Uhr
0
Sanna : 
In einem Wort: Großartig. Vielen vielen Dank wieder für diesen klasse Blog, solche Einblicke sind genau das, was man als Motorsportbegeisterte(r) gerne mehr lesen würde. Ich habe leider nur die letzten zwei Runden mitbekommen, aber dafür den Trouble, als es um die Strafe für Paffett ging und Wickens auf einmal im Laufschritt los musste zur Siegerehrung. Die Rennleitung hat da ja ziemlich schnell reagiert und eine Strafe festgelegt, die auch mal (im Gegensatz zur F1 in letzter Zeit) schon nachvollziehbar war. Kannst du vielleicht noch einmal kurz erklären, was es mit dieser Gelbphase und der Strafe auf sich hat? Und wieviele Tage braucht ihr im Schnitt an der Rennstrecke, um alles aufzubauen?

Klare 10 Punkte, falls das hier irgendwie von Belang ist.

P.S.: Ich beneide dich ja jetzt schon ein bisschen Und leite mal ab: herzlichen Glückwunsch nachträglich!
0
RoyRudolphusAnton
21.05.2013 | 17:13 Uhr
0
0
21.05.2013 | 17:13 Uhr
0
Hey Sebastinho! Einfach klasse, danke und nachträglich alles Gute

Spielberg wird sicher ebenfalls ein tolles Erlebnis, ich liebe ja die Strecke in dieser malerischen Landschaft
0
Sebastinho
MODERATOR
23.05.2013 | 21:55 Uhr
0
0
Sebastinho : 
23.05.2013 | 21:55 Uhr
0
Sebastinho : 
@Sanna: Meinen Informationen zufolge wird die Hospitality für die Gäste innerhalb einer Woche komplett aufgebaut. Unser Motorhome hingegen kreuzt erst am Dienstag/Mittwoch an der Rennstrecke auf, weil viele Elemente fest verbaut sind und das Fahrzeug im Vergleich zur Hospitality kleiner ausfällt.

Was die Strafe angeht: Da Paffett in einer Gelbphase seine Geschwindigkeit nicht ausreichend reduziert hatte, erhielt er nachträglich eine Fünf-Sekunden-Strafe. Konkret müssen die Fahrer seit dieser Saison in dem betroffenen Sektor mindestens eine halbe Sekunde unter der in der vorhergehenden Runde erzielten Zeit bleiben.

Die Regelung ist jedoch umstritten, erst recht in Brands Hatch, denn wegen der vergleichsweise sehr kurzen Streckenlänge benötigen die Fahrer durchschnittlich knapp 13 Sekunden je Sektor. Folglich ist das Verlangsamen um eine halbe Sekunde viel Zeit. Neben Paffett, dem prominentesten Opfer, erwischte es in Brands Hatch auch noch Juncadella, Glock, Priaulx, Tambay und Priaulx.

Wie auch immer... Vielen Dank für die nachträglichen Geburtstagsglückwünsche!

@Roy: Auch dir ein großes Dankeschön!

Ich freue mich bereits sehr auf Spielberg. Die Strecke zählte in F1-Rennspielen stets zu meinen Favoriten und was das Drumherum angeht, höre ich nur gutes. Hoffentlich kann ich es im nächsten Blog entsprechend vermitteln.
0
COMMUNITY LOGIN
Du bist nicht angemeldet. Willst Du das ändern?
Benutzername:
Passwort:
 

Wir aktualisieren unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzrichtlinie. Wir haben neue Community-Richtlinien zur Inhaltsnutzung - Verhaltenskodex eingeführt und mehr Informationen darüber bereitgestellt, wie wir Ihre Daten erheben und nutzen. Indem Sie unsere Website und unsere Dienste weiterhin nutzen, stimmen Sie diesen Aktualisierungen zu.
Neueste Kommentare
redwhitepassion
Artikel:
"defensive wird durch erfahrene weltklassespieler wie emre can und mats humm
06.05.2024, 15:44 Uhr - 2 Kommentare
TorstenMattuschka
Artikel:
Danke lieber Gott
06.05.2024, 15:43 Uhr - 4 Kommentare
Hassel_the_Hoff
Artikel:
Hat Denzel Dumfries schon sein Okay gegeben?
06.05.2024, 15:42 Uhr - 12 Kommentare
Asterix9199
Artikel:
Holt den Streich für ein Jahr und gut ist.
06.05.2024, 15:37 Uhr - 85 Kommentare
Leonidas_1
Artikel:
Pescarese, stimme dir zu. Auf diesem Niveau entscheidet echt die Tagesform,
06.05.2024, 15:36 Uhr - 12 Kommentare
MensHealth
Artikel:
Lewy bei PSG ?!, um Gottes Willen. Aber nun ja .. er spielt trotzdem bei un
06.05.2024, 15:36 Uhr - 0 Kommentare
AgileBeast
Artikel:
Bei uns natürlich auch keiner. Hoffe nur, dass kein strittiger Elfmeter ents
06.05.2024, 15:35 Uhr - 32 Kommentare
Klimbimklaus
Artikel:
Müsste nicht dieser ganzen Murks längst verjährt sein? Zahlungen von 2004?!
06.05.2024, 15:34 Uhr - 4 Kommentare
riquelminho
Artikel:
die verhandlungen für seinen letzten großen vertrag kommen aus tahs sicht zu
06.05.2024, 15:26 Uhr - 5 Kommentare
Lakersthrone
Artikel:
Knicks in 5. Traue den Pacers nicht viel zu.
06.05.2024, 15:26 Uhr - 14 Kommentare