09.03.2011 um 16:32 Uhr
Hooliganismus - Eine Analyse IV
Nachdem zwei unterschiedliche theoretische Ansätze zum Hooliganismus vorgestellt wurden, ergeben sich mehrere Anschlussfragen: 1) Ist der Hooliganismus wie von Heitmeyer und Peters beschrieben ein neues Phänomen? 2) Lassen sich die kulturgenetische und die sozialwissenschaftliche Perspektive synthetisieren? 3) Wenn die MSC auf den Hooliganismus zutrifft, welche Maßnahmen können dann zur Bekämpfung des Hooliganismus überhaupt erfolgreich sein?
Die erste Frage zielt auf eine Kritik an Heitmeyers' und Peters' Erklärungskomplex ab, der den Hooliganismus als Resultat von Disziplinierungsmaßnahmen durch Institutionen, Identitätsgefährdung durch Individualisierung und Kommerzialisierung des Fußballs darstellt. Gewalttätige Ausschreitungen zwischen Fußballfans gab es allerdings auch schon vor den 1980ern. Bereits im Jahr 1909 kam es nach einem Spiel zwischen Celtic Glasgow und den Glasgow Rangers zu schweren Ausschreitungen, bei denen Fans beider Mannschaften nach Spielende versuchten das Spielfeld stürmten (vgl. Guardian 2009). Trotzdem halte ich Heitmeyers und Peters These in ihrer Erklärung der Radikalisierung des Hooliganismus ab 1980 für sehr gelungen, da sie mehrere wichtige Faktoren in ihre Analyse einbeziehen.
Die Antwort auf die Frage, ob die MSC mit der Entwertungsthese vereinbart werden kann, kristallisiert sich relativ schnell heraus, wenn die Bestandteile der Entwertungsthese als Stressoren verstanden werden. Sodann ergibt sich das Bild, dass die von kooperierenden Fangruppen empfundene Entwertung als maximaler Stress wahrgenommen und auf diese Weise die Gründung der modernen Hooligankulturen ausgelöst wird. Die Verknüpfung der Theorien eröffnet somit die Möglichkeit, die modernen Hooligankulturen noch genauer zu beschreiben.
Wie kann der Hooliganismus bekämpft werden, wenn er durch MSC Ereignisse überhaupt erst entstanden ist? Auf diese Frage gibt es zwei mögliche Antworten: Kooperierende Hooligangruppen dürfen entweder keinen maximalen Stress mehr empfinden oder ihn nicht mehr positiv bewerten, damit die „Enkulturierung" der Regel Gewaltanwendung verhindert werden kann. Durch kollektive Stadionverbote für bekannte Hooligankulturen, die ja bereits verhängt werden, könnte eine Verlagerung und weiteren Verschärfung der Gewalt ausgelöst werden. Insgesamt ist festzuhalten, dass durch MSC erzeugter Hooliganismus in Zukunft kaum zu verhindern sein wird, es kann lediglich versucht werden mögliche Stressoren, zum Beispiel die Entwertung frühzeitig zu erkennen und diese zu minimieren.
Was haltet ihr von der maximal-stress-cooperation? Welche Maßnahmen haltet ihr für geeignet, damit sich Ereignisse wie beim Spiel Italien-Serbien nicht wiederholen?
Ich hoffe, dass der Text halbwegs verständlich war...Über Anregungen und Kritik würde ich mich sehr freuen.
Aufrufe: 5370 | Kommentare: 12 | Bewertungen: 4 | Erstellt:09.03.2011
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KOMMENTARE
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10.03.2011 | 11:22 Uhr
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P.s. Guttenberg hat alle Studenten, Doktoranden, Professoren stark unter Druck gesetzt :)
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10.03.2011 | 19:48 Uhr
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Ich denke einen wesentlichen Unterschied im Vergleich über die Jahrzehnte hinweg dürfte schon die veränderte Gesellschaftsnorm sein; Gewaltbereitschaft war früher viel allgegenwärtiger als heute. Die gute alte Tracht Prügel für Kinder war unumstritten und völlig normal ("hat noch kinem geschadet", hiess es ja noch lange), und noch vor hundert Jahren konnte der Hausherr ja z.B. auch sein Personal züchtigen und war abei vom Gesetz gedeckt. Vom Alltag in Heimen jener Zeit mal ganz zu schweigen... Man wusste Bescheid und hielt das für gut und richtig. Dem steht heute eine grundsätzlich andere Einstellung in weiten Teile der Gesellschaft gegenüber. Ich denke, sowas hat schon Auswirkungen zumindst auf die Ursachen von Gewalt im Stadion und in dessen Nähe.
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11.03.2011 | 18:45 Uhr
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Das ist mir zu theoretisch. Hypothesen muessen getestet werden um sie belegen oder widerlegen zu koennen.
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12.03.2011 | 11:19 Uhr
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12.03.2011 | 18:41 Uhr
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Rodnox :
Das ist phantastisch geschrieben, aber ich muss sagen es ist auch verdammt trockener Stoff. Ich habe heute Morgen so gegen 11.00 Uhr angefangen das zu lesen ... bin seit 10 min fertig. Mehr als eine Seite pro Stunde kann man sich nicht in die Zellen quetschen. Und Worte kennst du .... *staun* .... da musst ich über einige Absätze 2x lesen um den Sinn zu verstehen. "enkulturierten" musste ich sogar nachschlagen.
Aber das liegt wohl in der Natur der Sache, dass solche Arbeiten eher Highlightlos sind.
Nichtsdestotrotz, phantastische Arbeit. Thumbsup.
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13.03.2011 | 11:28 Uhr
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Friccs :
Lass dich nicht beirren. Finds immer interessant wie Leute die noch nie selber eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben haben immer meinen alles besser zu wissen. (ging mir bei meinen Abschlussarbeiten auch nicht anders) Einige scheinen auch den Unterschied zwischen theoretischer Arbeit und empirischer Forschung nicht zu kennen. Der Text liest sich flüssig, halt kein Bild-Zeitungsniveau, aber sonst? War das die komplette Hausarbeit oder nur ein Ausschnitt?
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14.03.2011 | 13:53 Uhr
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14.03.2011 | 15:40 Uhr
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Resettozero : @Friccs
Weisst du echt, wer hier unter den Antwortenden schon eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben hat und wer nicht? Hut ab...
Aber auch eine wissenschaftliche Arbeit kann im Ton unterhalten ohne deswegen unseriös zu wirken. Ich finde dasThema und den Blickwinkel ehrlich wertvoll, denke aber, dass nicht viele Leute alle vier Teile lesen, selbst wenn sie sich an sich für's Thema erwärmen können. Genau das finde ich aber schade, denn es wäre wichtig, dass mehr Leute darüber auch nachdenken. Dieses Mehr an Lesern muss man abholen.
Das macht dann eine solche Arbeit nicht nur wissenschaftlich wertvoll, sondern auch zum Genuss. Da schliesst das eine das andere nicht aus.
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14.03.2011 | 15:52 Uhr
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Dennoch ist dieser Text recht anstrengend und nicht unbedingt leserfreundlich; etwas Leichtigkeit im Ton hätte zum Verständnis beigetragen. Das muss dann ja nicht bedeuten, dass man das Problem auf die leichte Schulter nimmt.
Was mich wirklich beeindruckt ist die Angabe von Quellen; ich hätte nicht gedacht, dass dieser Gegenstand offensichtlich eine nicht unbedeutende Rolle in der wissenschaftlichen Forschung spielt. Das Fazit springt mir aber ein bisschen zu kurz, weil Gewalt in den Stadien recht traditionell ist und auch schon für die 20er und 30er Jahre zumindest für Deutschland belegt ist (ich weiss, dass es zu der Thematik ein Buch gibt und auch Forschungsergebnisse, aber sowohl Titel als auch Autor sind mir entfallen). In diesem Zusammenhang wäre es noch interessant zu erfahren, inwiefern hier die sich verändernde Gesellschaft zu voneinander zu unterscheidenden Gründen für Gewalt im Stadion geführt hat.