Stimmen im Profifußball die Ergebnisse nicht mit den vor der Saison gesteckten Zielen überein, dauert es meist nicht lange, bis man irgendwelche Experten oder Vereinsoffizielle von "Mechanismen" sprechen hört, die unumgänglich seien und leider auch in diesem Verein, in diesem Fall greifen. In Wirklichkeit sind diese Mechanismen keine Mechanismen im pluralen Sinne, sondern ein einziger simpler Mechanismus: Trainer raus! Danach wird es besser oder auch nicht. Für die Spieler aber ist dieser Mechanismus die Möglichkeit alles auf Null zu stellen, die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen und nochmal neu anzufangen.
Borussia Dortmund wehrt sich gegen diesen Mechanismus. Der BVB predigt, anders zu sein. Für ihn und vor allem für Jürgen Klopp soll dieser Mechanismus, der eigentlich schon hätte vor Wochen greifen sollen, einfach nicht gelten. Ich denke, ich lehne mich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass in 90 Prozent der Vereine, die 1:0-Niederlage vor einigen Wochen gegen Hannover 96 das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hätte. Nicht so in Dortmund. Klopp durfte weitermachen und eigentlich stand auch nie etwas anderes zur Debatte. Auch die Medien verhalten sich, was Klopp angeht, nach wie vor überraschend ruhig. Ja, die Kritik wird lauter, aber man will partout nichts darüber lesen, dass dieser Trainer doch eigentlich unhaltbar geworden ist.
Die Niederlage gegen Hannover durch den Freistoß von Kiyotake war die fünfte Niederlage in den letzten sechs Bundesligaspielen. Die vierte Niederlage in Serie - gegen in dieser Saison schier übermächtig scheinende Schalker, Hamburger, Kölner und Hannoveraner...
Klopp durfte bleiben. Immerhin hat dieser Trainer in den vergangenen Jahren unfassbar gute Arbeit geleistet, hat den BVB aus dem Abstiegskampf zu zwei Meistertiteln und in ein CL-Finale geführt. Mit der Art von Fußball die Dortmund spielte, machte es Klopp sogar eingefleischten Bayern-Fans schwer, diesen BVB nicht irgendwie ein klitzekleines bisschen zu mögen. (Ich bin kein Bayern-Fan. Eigentlich eher BVB, seit Klopp da ist.)
Auf CL-Leistungen möchte ich hier explizit nicht eingehen. Zu viel wurde von den Medien immer der Fokus darauf gelegt, warum Dortmund in der Champions League so toll spielt und in der Liga nicht. Doch, vielleicht zwei Sätze dazu: Weder Galatasaray noch Anderlecht machen wirklich den Eindruck in der Bundesliga in der oberen Tabellenhälfte auftauchen zu können. Gegen Arsenal wurde einmal toll und einmal schlecht gespielt. Auch in Anderlecht war nicht alles gut und zuhause spielte man gar nur Unentschieden. Galatasaray schien unter Prandelli mehr gegen den Trainer als gegen den Gegner zu spielen. Ein Punkt aus sechs CL-Spielen spricht Bände.
Zurück zur Bundesliga. Dass man gegen Bayern die 6. Niederlage im 7. Spiel kassierte, möchte ich Klopp und dem BVB nicht vorwerfen. Eine Halbzeit lang spielte der BVB stark mit, führte sagen wir semi-verdient und war am Ende mindestens einen Subotic schlechter als die Bayern. Eine Entlassung Klopps nach diesem Spiel schien nicht angebracht.
Nun sollte alles besser werden. Gladbach wurde bezwungen. Letztlich einzig und allein weil Christoph Kramer das (Eigen)Tor des Jahres produzierte. Dortmund spielte stark, hätte aber wohl nur 0:0 gespielt. Die Abschlussschwäche war eklatant.
Klopp sprach von Aufschwung und wie immer sah der gesamte BVB die Tabelle schon wieder drei Spieltage im Voraus. Man rechnet ja immer damit, die nächsten drei Spiele zu gewinnen, eine Serie zu starten....blabla...also sagen wir grob über den Daumen gepeilt hat man ja schon 9 Punkte mehr.
Mitnichten. Wer 2:0 in Paderborn führt, hat da gefälligst zu gewinnen. Wer das nicht tut, hat in der Bundesliga nichts verloren. Dass es Dortmund passiert, ist einfach nur peinlich.
Wiedergutmachung war angesagt, doch Dortmund unterliegt auch in Frankfurt. 0:2. Mal wieder ohne eigenes Tor. Wie Klopp das überlebt hat, ist mir ein Rätsel. Das war nach Hannover bereits das zweite Mal, dass ich einen Trainerwechsel für, wie Frau Merkel sagen würde, alternativlos erachtete.
Doch Dortmund scheint Spaß daran zu haben, die Arbeit der letzten Jahre wieder einzureißen. Klopp blieb, sprach aber das erste Mal mysteriös davon, dass er sich nicht in den Weg stellen werde, wenn die Vereinsführung eine bessere Lösung präsentieren könne.
Heimspiel gegen Hoffenheim: Dortmund gewinnt zum zweiten Mal in den letzten 11 Spielen. 1:0. Klar: Die letzten 13 Spiele waren allesamt ein großer Betriebsunfall. Jetzt kann es losgehen.
Klassischer Fall von "Denkste". Dortmund verliert 0:1 in Berlin, bei dieser furchteinflößenden Hertha, die geradezu durch die Liga marschiert....äääh...warte: Doch nicht. Gegen einen völlig formschwachen Abstiegskampfskonkurrenten. Wenn alle guten Dinge drei sind, fliegt Klopp jetzt oder er geht freiwillig.
Im Team scheint es nicht zu stimmen. Vor ein paar Tagen las ich in der ZEIT, dass Per Mertesacker sagte, die goldene Regel eines Fußballer-Interviews sei, NIE NIE NIE NIEEEE einen Mitspieler öffentlich zu kritisieren. Dass Medienprofi-Hummels das wohl nicht wusste, als er Weidenfeller anzählte, ist sehr verwunderlich. Dass Piszczek den gleichen Fehler in Richtung Subotic nochmal macht, unverzeihnlich.
Beim BVB stimmt nichts, aber auch gar nichts. Der Tabellenplatz hat nichts mit Spielpech, Verletzungspech oder sonstigem zu tun. Dortmund hat in 15 Spielen 9x verloren. Es reicht gegen schwächste Teams nicht mal zu Punkteteilungen. In 15 Spielen traf Dortmund nur 15x. Nur Hamburg traf seltener. Der Tabellenplatz ist keine Momentaufnahme, Dortmund steckt seit Wochen da unten drin und kommt einfach nicht raus. Wenn Klopp davon spricht, dass die Klarheit im Spiel gefehlt habe, dann hätte das ein Kreisklasse-Trainer so ausgdrückt: "Wir waren einfach grottenschlecht, haben keinen Ball an den Mann gebracht. Eine Frechheit, was wir gespielt haben." Klopp hat nicht zu wenige Spieler aktuell, sondern zu viele. Von denen bringt er aber so gar keinen in Form. Man kann auch darüber sprechen, ob die falschen Spieler eingekauft wurden, aber das erklärt nicht Tabellenplatz 16. Würde man aktuell auf Platz 5 stehen, müsste man angesichts des Kaders auch von einer Krise sprechen.
Irgendwo in Spanien in San Sebastian sitzt wohl gerade ein Mann namens David Moyes und reibt sich verwundert die Augen. "Trainer in Dortmund müsste man sein.", wird er sich denken. Die letzte Saison von ManU ist das Beispiel, das mir noch am lebendigsten in Erinnerung ist, wo eine Mannschaft, die vor der Saison als Titelkandidat auserkoren war, Woche für Woche den Ansprüchen hinterher hinkte und jeden Tag in den Medien von Trainerentlassung die Rede war. Nach 15 Spieltagen war ManU wohlgemerkt Tabellen-9. mit 22 Punkten und 5 Niederlagen. Dortmund ist 16. mit 14 Punkten und 9 Niederlagen. Brendan Rodgers, Trainer von Liverpool, steht nach schwachem Saisonstart in England mächtig in der Kritik und angeblich kurz vor dem Rauswurf. Er hat im Gegensatz zu Moyes mit Liverpool schon mächtig was erreicht. Liverpool ist 9. mit 21 Punkten. Auf dem drittletzten Rang stehen in England mit 4 Siegen, 2 Unentschieden, 9 Niederlagen die Queens Park Rangers. Ein Aufsteiger, der überraschend schlecht ist diese Saison. Drittletzter ist auch Dortmund mit 4 Siegen, 2 Unentschieden, 9 Niederlagen. Letztes Jahr CL-Viertelfinalist, vor zwei Jahren CL-Finalist....
Dortmund ist nicht schlecht, Dortmund ist grottenschlecht. Dortmund ist peinlich, hat offensichtlich ein Kopfproblem. Gerät das Team in Rückstand hat es verloren. Es kommt NIE zurück. Nach 0:1 gelingt nichtmal der Ausgleichstreffer. Dortmund verliert 0:1. Gegen hertha, gegen hamburg, gegen hannover. Gegen Frankfurt kriegt man wenigstens noch das zweite. Der BVB ist nicht in der Lage zurückzukommen, gewinnt gleichzeitig noch nichtmal zuverlässig bei eigenem Vorsprung. Letzte Beispiele: Paderborn und Anderlecht.
Wer jetzt noch rechnet, nach Europa seien es nur 9 Punkte. Also dreimal gewinnen und dann ist alles wieder im Lot, hat nichts verstanden. Dortmund hat in der Bundesliga insgesamt erst viermal gewonnen. Am Mittwoch kommt der Tabellenzweite aus Wolfsburg. Zu verschenken haben die sicher nichts. Die 10. Niederlage droht, der direkte Abstiegsplatz kommt wieder näher.
Jürgen Klopp hat viele Chancen bekommen, das Ruder in dieser Saison rumzureißen. Er hat keine genutzt. Er hat keine Idee, wie es besser gehen kann. Er hat vieles versucht, nichts hat geklappt. Nichtmal der Torwartwechsel hat wirklich was gebracht.
Jürgen, es ist Zeit zu gehen. Und wenn du das nicht tust, so entlassen Sie ihn Herr Zorc. Einen Nachfolger hätte ich schon in petto - falls dieser noch kein Vorvertrag in Leipzig unterschrieben hat. Erfahrung mit Mannschaften, die mal von Jürgen Klopp trainiert wurden, hat er. Mit seiner Art würde er perfekt nach Dortmund passen. Und Jürgen Klopp kann die letzten Jahre in Dortmund niemand mehr nehmen. Jetzt gilt es zu retten, was Klopp aufgebaut hat. Ohne Klopp.
Herr Tuchel, übernehmen Sie.
