06.11.2012 um 02:25 Uhr
Hässlicher Fußball?
Erinnern wir uns ein paar Monate zurück. Wir schreiben den 19. Mai 2012, es ist bereits spät in der Nacht. Der FC Bayern München hat gerade das Champions League-Finale im eigenen Stadion gegen den FC Chelsea im Elfmeterschießen verloren. Nach stundenlangem Anrennen gegen die Defensive der Engländer hatte Müller die Bayern kurz vor Schluss in Führung gebracht. Es war dann noch kürzer vor Schluss, als Drogba den Ausgleich schaffte und die Verlängerung erzwang, die später dann im Elfmeterschießen gipfelte, das dem Abend den dramatischen Höhepunkt lieferte.
Sky-Experte Matthias Sammer bezeichnet den Titelgewinn Chelseas als "Katastrophe" und "problematisch, wenn das die Zukunft des Fußballs sein soll".
Sky-Reporter Jan Henkel stellt Chelsea-Trainer Roberto di Matteo die Frage, ob er den erfolgreichen Stil seiner Mannschaft schön fände und wird gerechtfertigterweise einfach stehen gelassen, nicht ohne jedoch festzustellen, dass keine Antwort auch eine Antwort sei.
Es ist logisch, dass die Enttäuschung und der Frust aus diesen Menschen spricht. Genauso, wie er in den folgenden Tagen und Wochen auch aus unzähligen Deutschen auf den Straßen spricht, die Chelsea für den unverdientesten Champions League-Sieger seit Menschengedenken halten, oder zumindest seit Gründung des Wettbewerbs.
Erstaunlich ist allerdings, dass die Resonanz nur hierzulande derart negativ zu sein scheint. Dass in England Freude über den Titelgewinn herrscht, ist ebenso nachvollziehbar wie der Frust in Deutschland, auch wenn ein Großteil der Frustrierten wohl nicht wirklich mit den Bayern sympathisiert, sondern nur mal wieder einen internationalen Titel in Deutschland sehen wollte.
Der Frust über den letzten Endes doch nicht gewonnenen Titel ist aber meines Erachtens deutlich zu weit über das Ziel hinaus geschossen.
Dass selbst ein Reporter, der im Licht der Öffentlichkeit steht und eigentlich zumindest im Ansatz Neutralität beweisen sollte, mit derart provokanten und subjektiven Fragen auf den Trainer des siegreichen Teams losgeht, ist ein Trauerspiel, ein deutlich größeres sogar als die Elfmeter von Ivica Olic, Arjen Robben und Bastian Schweinsteiger.
Wut hin, Frust her, für mich gebietet alleine schon der Anstand und Respekt in einer solchen Situation, dass man dem Gegner gratuliert. Dass man dann aber versucht, das Spiel und die Art des Spiels des Gegners schlecht zu machen und ihm auf diese Art und Weise versucht, die Freude über den Titel zu schmälern, ist beinahe schon eklig.
Meines Erachtens ging die Nachberichterstattung im deutschen Fernsehen viel zu sehr auf das Spiel von Chelsea ein als auf das Ergebnis. Da hätte man als fairer Sportsmann oder Kommentator über der ganzen Sache stehen und die Leistung des Gegners anerkennen müssen. Denn - die Floskel ist zwar uralt, aber dennoch richtig - wer ein Finale gewinnt, hat das auch verdient.
Chelsea hatte im Verlauf des Turniers immerhin den FC Barcelona ausgeschaltet und sich auch gegen Mannschaften wie Neapel und Leverkusen durchgesetzt.
Dass die Bayern es auch verdient hätten, steht außer Frage. Ich hätte mich auch gefreut, wenn sie es geschafft hätten. Doch ich gönne es auch dem FC Chelsea, auch wenn er in seinen Reihen einige Unsympathen beherbergt.
Und den Fußball, den die Mannschaft in ihrer siegreichen Saison gespielt hat, als hässlich oder Katastrophe zu bezeichnen, verbietet sich schlicht und ergreifend. Auch wenn ich eine solche Aussage einem Mann wie Matthias Sammer aufgrund seiner damaligen Anstellung beim DFB und seiner dadurch entstandenen Involviertheit in die Fußballkünste der deutschen Nationalmannschaften noch eher verzeihen kann als einem Anzugträger mit gestriegelter Frisur wie Jan Henkel, der es wahrscheinlich selbst mit dem FC Barcelona schaffen würde, in Spanien das internationale Geschäft zu verfehlen. Trotzdem hätte ich mir ehrlich gesagt auch von Matthias Sammer, der schließlich ein hohes Ansehen in Fußballerkreisen genießt, eine fundiertere Analyse gewünscht.
Auch drängt sich mir die Frage auf, was hässlicher Fußball eigentlich sein soll. Wer genau entscheidet, dass Fußball hässlich ist und wer hat überhaupt das Kriterium festgelegt, dass Fußball schön sein muss?
Ich persönlich finde beispielsweise das äonenlange Ballgeschiebe zwischen Iniesta, Xavi und Busquets im spanischen bzw. barcelonarischen Mittelfeld ebenfalls nicht schön, obwohl dies wohl momentan als absolutes Nonplusultra angesehen wird und jedes ranzige Dorfteam versucht, nach diesem Vorbild aufzuspielen.
Doch obwohl ich diese Art, Fußball zu spielen nicht unbedingt vom ästhetischen Standpunkt her anziehend finde, akzeptiere ich dennoch den Stil. Der FC Barcelona hat eben, genauso wie die spanische Nationalmannschaft, die Spieler, die man für ein solches Spiel braucht.
Genauso, wie der FC Chelsea die Spieler hat, die man für ein Defensivkonzept braucht.
Was passiert, wenn man mit Chelsea anders spielen will, hat AVB eindrucksvoll (oder eher doch nicht so eindrucksvoll) gezeigt.
Daher kann ich persönlich für Chelsea nur ein Lob aussprechen, das sich besonders auf seinen Trainer bezieht. Gratulation, dass mit einer Mannschaft, in der ein guter Teil des Kaders seinen Zenit bereits überschritten hatte und mit der selbst Jose Mourinho es nicht geschafft hat, die Champions League zu gewinnen, genau dieser Titel gewonnen wurde. Und Glückwunsch an den Trainer, der augenscheinlich genau das richtige Konzept gefunden hat.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: ich wünschte, es gäbe mehr Mannschaften, die defensiven Fußball spielen würden. Ich persönlich bin ein Freund des gepflegten Abwehrspiels und freue mich über jedes Spiel ohne Gegentor. Einmal abgesehen davon, dass diese Fähigkeit auch der deutschen Nationalmannschaft nicht schaden könnte, wie die Spiele gegen Italien und Schweden eindrucksvoll dargelegt haben.
In diesem Sinne, liebe Reporter und Experten. Zeigt den Mannschaften und Offiziellen den Respekt, den sie für ihre Leistungen verdienen.
So wie es beispielsweise Portugals Nationaltrainer Luis Felipe Scolari 2004 nach dem verlorenen EM-Finale gegen den Prototypen des Defensivfußballs, Giechenland, tat, als er die Worte "Griechenland hat verdient gewonnen, weil seine Mannschaft sehr geschickt verteidigt hat" über die Lippen brachte.
Diese Worte werden wahrscheinlich auch Otto Rehhagel mehr gefreut haben als "Katastrophe" oder ähnliches.
Sky-Experte Matthias Sammer bezeichnet den Titelgewinn Chelseas als "Katastrophe" und "problematisch, wenn das die Zukunft des Fußballs sein soll".
Sky-Reporter Jan Henkel stellt Chelsea-Trainer Roberto di Matteo die Frage, ob er den erfolgreichen Stil seiner Mannschaft schön fände und wird gerechtfertigterweise einfach stehen gelassen, nicht ohne jedoch festzustellen, dass keine Antwort auch eine Antwort sei.
Es ist logisch, dass die Enttäuschung und der Frust aus diesen Menschen spricht. Genauso, wie er in den folgenden Tagen und Wochen auch aus unzähligen Deutschen auf den Straßen spricht, die Chelsea für den unverdientesten Champions League-Sieger seit Menschengedenken halten, oder zumindest seit Gründung des Wettbewerbs.
Erstaunlich ist allerdings, dass die Resonanz nur hierzulande derart negativ zu sein scheint. Dass in England Freude über den Titelgewinn herrscht, ist ebenso nachvollziehbar wie der Frust in Deutschland, auch wenn ein Großteil der Frustrierten wohl nicht wirklich mit den Bayern sympathisiert, sondern nur mal wieder einen internationalen Titel in Deutschland sehen wollte.
Der Frust über den letzten Endes doch nicht gewonnenen Titel ist aber meines Erachtens deutlich zu weit über das Ziel hinaus geschossen.
Dass selbst ein Reporter, der im Licht der Öffentlichkeit steht und eigentlich zumindest im Ansatz Neutralität beweisen sollte, mit derart provokanten und subjektiven Fragen auf den Trainer des siegreichen Teams losgeht, ist ein Trauerspiel, ein deutlich größeres sogar als die Elfmeter von Ivica Olic, Arjen Robben und Bastian Schweinsteiger.
Wut hin, Frust her, für mich gebietet alleine schon der Anstand und Respekt in einer solchen Situation, dass man dem Gegner gratuliert. Dass man dann aber versucht, das Spiel und die Art des Spiels des Gegners schlecht zu machen und ihm auf diese Art und Weise versucht, die Freude über den Titel zu schmälern, ist beinahe schon eklig.
Meines Erachtens ging die Nachberichterstattung im deutschen Fernsehen viel zu sehr auf das Spiel von Chelsea ein als auf das Ergebnis. Da hätte man als fairer Sportsmann oder Kommentator über der ganzen Sache stehen und die Leistung des Gegners anerkennen müssen. Denn - die Floskel ist zwar uralt, aber dennoch richtig - wer ein Finale gewinnt, hat das auch verdient.
Chelsea hatte im Verlauf des Turniers immerhin den FC Barcelona ausgeschaltet und sich auch gegen Mannschaften wie Neapel und Leverkusen durchgesetzt.
Dass die Bayern es auch verdient hätten, steht außer Frage. Ich hätte mich auch gefreut, wenn sie es geschafft hätten. Doch ich gönne es auch dem FC Chelsea, auch wenn er in seinen Reihen einige Unsympathen beherbergt.
Und den Fußball, den die Mannschaft in ihrer siegreichen Saison gespielt hat, als hässlich oder Katastrophe zu bezeichnen, verbietet sich schlicht und ergreifend. Auch wenn ich eine solche Aussage einem Mann wie Matthias Sammer aufgrund seiner damaligen Anstellung beim DFB und seiner dadurch entstandenen Involviertheit in die Fußballkünste der deutschen Nationalmannschaften noch eher verzeihen kann als einem Anzugträger mit gestriegelter Frisur wie Jan Henkel, der es wahrscheinlich selbst mit dem FC Barcelona schaffen würde, in Spanien das internationale Geschäft zu verfehlen. Trotzdem hätte ich mir ehrlich gesagt auch von Matthias Sammer, der schließlich ein hohes Ansehen in Fußballerkreisen genießt, eine fundiertere Analyse gewünscht.
Auch drängt sich mir die Frage auf, was hässlicher Fußball eigentlich sein soll. Wer genau entscheidet, dass Fußball hässlich ist und wer hat überhaupt das Kriterium festgelegt, dass Fußball schön sein muss?
Ich persönlich finde beispielsweise das äonenlange Ballgeschiebe zwischen Iniesta, Xavi und Busquets im spanischen bzw. barcelonarischen Mittelfeld ebenfalls nicht schön, obwohl dies wohl momentan als absolutes Nonplusultra angesehen wird und jedes ranzige Dorfteam versucht, nach diesem Vorbild aufzuspielen.
Doch obwohl ich diese Art, Fußball zu spielen nicht unbedingt vom ästhetischen Standpunkt her anziehend finde, akzeptiere ich dennoch den Stil. Der FC Barcelona hat eben, genauso wie die spanische Nationalmannschaft, die Spieler, die man für ein solches Spiel braucht.
Genauso, wie der FC Chelsea die Spieler hat, die man für ein Defensivkonzept braucht.
Was passiert, wenn man mit Chelsea anders spielen will, hat AVB eindrucksvoll (oder eher doch nicht so eindrucksvoll) gezeigt.
Daher kann ich persönlich für Chelsea nur ein Lob aussprechen, das sich besonders auf seinen Trainer bezieht. Gratulation, dass mit einer Mannschaft, in der ein guter Teil des Kaders seinen Zenit bereits überschritten hatte und mit der selbst Jose Mourinho es nicht geschafft hat, die Champions League zu gewinnen, genau dieser Titel gewonnen wurde. Und Glückwunsch an den Trainer, der augenscheinlich genau das richtige Konzept gefunden hat.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: ich wünschte, es gäbe mehr Mannschaften, die defensiven Fußball spielen würden. Ich persönlich bin ein Freund des gepflegten Abwehrspiels und freue mich über jedes Spiel ohne Gegentor. Einmal abgesehen davon, dass diese Fähigkeit auch der deutschen Nationalmannschaft nicht schaden könnte, wie die Spiele gegen Italien und Schweden eindrucksvoll dargelegt haben.
In diesem Sinne, liebe Reporter und Experten. Zeigt den Mannschaften und Offiziellen den Respekt, den sie für ihre Leistungen verdienen.
So wie es beispielsweise Portugals Nationaltrainer Luis Felipe Scolari 2004 nach dem verlorenen EM-Finale gegen den Prototypen des Defensivfußballs, Giechenland, tat, als er die Worte "Griechenland hat verdient gewonnen, weil seine Mannschaft sehr geschickt verteidigt hat" über die Lippen brachte.
Diese Worte werden wahrscheinlich auch Otto Rehhagel mehr gefreut haben als "Katastrophe" oder ähnliches.
Aufrufe: 13700 | Kommentare: 52 | Bewertungen: 46 | Erstellt:06.11.2012
ø 6.9
KOMMENTARE
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07.11.2012 | 18:17 Uhr
-5
inFamous :
super bloggenau meine meinung, über fußball geschmack lässt sich streiten kick-and-rush ist ja auch nicht unbedingt hässlich, aber hey.....
10 Punkte!!
5
07.11.2012 | 18:41 Uhr
-19
tschupan :
Wohl Chelski-Fan, wie? Selbst du musst zugeben, dass die zum Titel gekommen sind wie die Jungfrau zum Kind. Musste wohl so sein, denn so einen schlechten Fußball hat wahrscheinlich noch kein Sieger gespielt und soviel Glück werden die nie mehr in ihrer Geschichte haben
7
07.11.2012 | 19:05 Uhr
-1
Und genau das ist es was den vielen Bayern Fans auch so sauer aufstößt. Die Chancen waren da, en masse. Man schaue sich einfach mal die blanken Zahlen an. Und die ganzen Chancen wären nicht zustande gekommen wenn Chelsea wirklich dieses Defensivmonster von Mannschaft gewesen wäre als die sie hier oft hingestellt werden. Das Einzige wo Chelsea wirklich klar und deutlich besser war, war die Chancenverwertung und das ist schließlich das was am Ende ausschlaggebend ist.
Ansonsten stimme ich mit dir weitesgehend überein.
18
07.11.2012 | 19:18 Uhr
-5
fcbjojo :
Inter Mailand 2010...das war guter Defensivfußball. Und das kann man auch problemlos anerkennen.Chelsea 2012 war Glück bzw Schicksal. Die ganze CL-Saison über hat sich Chelsea doch von einer Runde in die nächste gemogelt.
15
07.11.2012 | 19:18 Uhr
-5
BigFred :
tja derjenige der keine steine wirft möge sich erheben und man siehe jeder bleibt sitzen... was hier jahrelang gegen Bayern abging da ist das ja nur Kinderkram...
1
07.11.2012 | 19:21 Uhr
-11
SIe haben es sich schon verdient gehabt.
9
07.11.2012 | 19:24 Uhr
-7
BigFred :
defensifkonzept sicherlich aber ein defensivkonzept eher nicht
1
07.11.2012 | 19:32 Uhr
0
Beckhs :
Das die Bayern Chancen en masse hatte stimmt so nicht. Von ihren 40 Schüssen auf den Kasten vom Cech wurden die Hälfte geblockt, von ihren 20 Ecken war keine einzige auch nur annähernd gefährlich. Ich kann mich lediglich an zwei bis drei Aktionen erinnern die man als gute Chance hätte durch gehen lassen können.Der damalige Spielstiel gefällt mir nicht, allerdings muss man anerkennen das sie in dem Finale einfach brutal konsequent verteidigt haben! Natürlich hatten sie auch ungemein Glück das ein Robben den Elfer verschießt oder das Drogba die erste und einzige Chance nutzt aber so ist Fußball. Und wie die Amis sagen: "Offense wins Games, Defense wins Championships"
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inhaltlich absolut zutreffend und dazu zeigst du die guts das öffentlich zu publizieren.