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21.11.2007 um 12:48 Uhr
Gewinnen ist überbewertet
Im Sport lautet das Ziel immer gewinnen. Und am Ende des Spiels werden in schöner Schwarz-Weiß-Malerei die Gewinner in den Himmel gelobt, die Verlierer dagegen werden in Sippenhaft genommen und allesamt zu Versagern erklärt. Mir ist das zu einfach, vor allem in Mannschaftssportarten. Deshalb will ich heute mal zwei Verlierer loben.

Kandidat Nummer 1: Jon Kitna. Der verlor mit seinen Detroit Lions gegen die New York Giants und , ja, er hat drei Interceptions geworfen. Was diese Statistik nicht zeigt: Kitna stand gegen die starke Defensive Line der Giants unter Dauerdruck. Und Lions-Offensive Coordinator Mike Martz ist Fluch und Segen zugleich für seine Quarterbacks. Denn einerseits schickt er jede Menge Spieler auf Passrouten und gibt seinem Quarterback viele Anspielstationen. Andererseits bleibt nur noch die Offensive Line zum Blocken, wenn alle Running Backs und Tight Ends ausschwärmen. Und wenn ein Linienspieler Probleme bekommt, dann ist keiner mehr da, der ihm hilft. Den Preis zahlt der Quarterback. Und Kitna zahlte ihn.

In der Statistik stehen für die Giants am Ende lediglich drei Sacks, alle durch Michael Strahan. Keine gute Bilanz für die Lions, aber zumindest auf dem Papier auch keine Katastrophe. Was nicht da steht: Kitna bezog bei fast jedem Pass Prügel. Denn es sind ja nicht nur die Sacks, die ein Spielmacher zu spüren bekommt. Zu jedem Sack kommen vermutlich vier oder fünf Situationen, in denen der Spielmacher den Ball gerade noch los wird, um anschließend ungespitzt in den Boden gerammt zu werden. Ein harter Job, allerdings auch gut bezahlt, wenn man gut ist.

In jedem Fall hielt Kitna (fast ohne Laufspiel) sein Team im Spiel, steckte ein, was die Giants austeilten und versuchte es wieder. Dafür die Tapferkeitsmedaille für Herrn Kitna. Und was die letzten zwei Interceptions angeht: die erste davon war ein etwas unterworfener langer Ball auf Shaun McDonald. Nicht perfekt, aber auch kein Desaster. Kann schon passieren, dass der Receiver den Ball nicht bekommt. Aber dann sollte er zumindest die Interception verhindern. Und dann bekamen die Lions den Ball noch einmal. Wieder Pass auf McDonald, der lässt ihn durch die Hände rutschen - die nächste Interception. Keine Schuld beim Quarterback. So geht's eben im Football: der Receiver macht den Fehler, aber in der Quarterback-Statistik taucht er auf. Genau deshalb sollte man lieber die Spiele anschauen, statt nur die Statistik zu lesen.

Kandidat Nummer 2: Jason Campbell bei der Niederlage seiner Redskins gegen Dallas. Eins muss ich vorweg schicken: allzu viel hatte ich von Campbell in der NFL noch nicht gesehen und das, was ich gesehen hatte, war nicht sonderlich berauschend. Aber am Sonntag hielt er seine Redskins (gegen einen übermächtigen Gegner) bis zuletzt im Spiel und hatte kurz vor Schluß noch die Chance zu gewinnen. Besonders beeindruckend: als die Cowboys in der zweiten Hälfte offensiv drei Gänge hochschalteten und drohten davon zu ziehen, da war Campbell in der Lage, das angeschlagene Tempo (fast) mitzugehen. Ohne nennenswerte Unterstützung durch ein Laufspiel. Schade, dass ihm am Ende eine Interception unterlief, das war ein Schlußpunkt, den seine Vorstellung nicht verdient hatte. Und jetzt gilt für Campbell das, was für jeden jungen Spieler gilt: du hast ein gutes Level erreicht. Um ein richtiger Topspieler zu werden, musst Du es wieder tun. Und dann nochmal und immer wieder. Konstanz auf höchstem Niveau trennt die Spreu vom Weizen.

NFL hin oder her: diese Woche freue ich mich besonders auf den Grey Cup. Zum 95. Mal spielt die CFL ihren Champion aus und ich bin ein echter Fan dieser Liga, auch wenn ich in den letzten Wochen kaum Spiele anschauen konnte, weil einfach zu viel anderes los war. Bevor die CFL auch in Deutschland im Fernsehen lief, hatte ich sogar eine Zeitlang einen Deal mit einem Kanadier, der mir CFL-Videos zugeschickt hat. Zwar läuft das Spiel diese Woche nicht live, aber knapp 24 Stunden zeitversetzt ist allemal besser, als drei Wochen auf die Videokassette zu warten.

Für darbende Fans der NFL Europe waren schon die Halbfinals äußerst interessant. Schauen wir nur mal auf die Quarterbacks: die B.C. Lions mit Jarious Jackson (Barcelona Dragons) empfingen Saskatchewan, angeführt von Kerry Joseph (London/ Rhein Fire). Und im anderen Halbfinale empfing Toronto mit Michael Bishop (Frankfurt Galaxy) Winnipeg, deren Kevin Glenn allerdings nie in Europa gespielt hat. Doch als er sich im vierten Quarter den Arm brach, kam Ryan Dinwiddie (Hamburg Sea Devils) und brachte das Spiel nach Hause. Durchgessetzt haben sich mit Winnipeg und Saskatchewan übrigens die beiden Außenseiter.

Mein spezieller Liebling ist übrigens Saskatchewans Kerry Joseph. 1997 kam der in die (damals noch World League) und war zweiter Quarterback der London Monarchs. Für die bestritt er ein paar Spiele, bevor er sich verletzte. Zurück in der NFL wollten ihn die Washington Redskins zum Running Back umschulen, allerdings ohne Erfolg. Also ging er wieder nach Europa und tauchte bei Rhein Fire auf - als Safety. Im World Bowl Jahr 2000 war Joseph einer der überragenden Fire-Akteure. Seine guten Leistungen brachten ihm einen NFL-Vertrag bei den Seattle Seahawks ein, wo er auch regelmäßig eingesetzt wurde. Als es in der NFL nicht mehr weiter ging, machte Joseph den Schritt nach Kanada, wieder als Quarterback. Bei den Ottawa Renegades erkämpfte er sich den Starterposten, musste aber mit ansehen, wie das Team wegen kommerzieller Erfolglosigkeit geschlossen wurde. Nun ist er also in Saskatchewan gelandet und kann seinem World Bowl-Sieg nun noch einen Grey Cup hinzufügen. Eine beeindruckende Karriere, auch wenn ein großer Teil davon nicht in der NFL stattfand. Aber es gibt nicht viele Spieler, die drei verschiedene Positionen auf Profi-Level spielen können. Respekt, Kerry, und viel Glück am Sonntag,

Andreas

P.S.: Nächste Woche gibt's dann mal eine Art Kommentatoren-Tagebuch. Am Sonntag bin ich in Hoffenheim und kommentierre die Partie gegen Köln. Was in der Woche vorher so alles passiert, darum geht's dann beim nächsten Mal.
Aufrufe: 2450 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 3 | Erstellt:21.11.2007
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KOMMENTARE
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Hans_Farmer
22.11.2007 | 08:55 Uhr
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Hans_Farmer : Sorry
22.11.2007 | 08:55 Uhr
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Hans_Farmer : Sorry
Sorry Andreas, daß es so verstanden werden konnte, daß ich Dich gemeint haben könnte von wegen Englischkenntnissen.
Hast Du doch immerhin auch schon für NASN in eben dieser Sprache kommentiert.
Das war ein Missverständnis. Gemeint sind die Pisaversager, die jahrelang die Englischstunden ihrer Schulen besuchen und mit null Ergebnis dort hinausgehen.

Der Rest meiner Aussage allerdings bleibt bestehen.
Noch nie waren die Zeiten paradiesischer, als heute.
Ich habe damals mit Pontel angefangen, ein Spiel. Dann die Steigerung auf zwei Spiele. Dann kam der Sportkanal. Als der eingestellt wurde habe ich Gott sei Dank jemanden in Wiesbaden aufgetan, der mir die Spiele von AFN aufnahm.
Anschließend DF1 mit DSF und DSF+, als auch sehr viel übertragen wurde. das war eine gute Zeit.
Danach die immer magerer werdenden übertragungen auf Premiere.

Jetzt, mit NASN, kann es eigentlich nicht mehr besser werden.
Von der Spitze gibt es nur noch eine Richtung, nach unten.
Wenn das bedeutet, NASN muss aufgeben, was wohl über kurz oder lang so kommt, dann begnügt man sich gerne wieder mit den Brotkrumen von Premiere.
Solange es Zeikanalton gibt, ist es besser, als gar nichts.

Und wenn Premiere dann beleidigt ist und keine NFL mehr übertragen möchte... Es steht immer noch mein NTSC Rekorder in Wiesbaden, dann geht es zurück in die Bronzezeit.
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