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Von: KEMPERboyd
13.06.2013 | 9364 Aufrufe | 3 Kommentare | 12 Bewertungen Ø 9.1
Was Robert Lewandowski noch lernen kann aus...
Fünf Transfers in der Bundesliga
Fotos, Anwälte, Versprechen

Früher, als alles besser war, da sprach die von kleinbürgerlicher Vereinswelt geprägte DFB-Jurisprudenz noch von Lizenzspielerverträgen. Wenn mich mein rudimentäres Sportrechtswissen nicht ganz täuscht, ist das auch heute noch der terminus technicus für das Stück Papier, das Berufsfußballspieler in der Bundesliga für einen begrenzten Zeitraum an einen Verein kettet, der heute in der Regel ein Unternehmen ist. Knebelverträge, die einen jungen, ambitionierten Menschen für 60 Monate und mehr verpflichten, zweimal täglich zum Training zu erscheinen, ausgerechnet samstags, wenn alle Altersgenossen sich ausgehfertig machen, 90 Minuten Fußball zu spielen und sich zwischen den Spielen mit Erster-Klasse-Flügen von Spielort zu Spielort karren zu lassen. Das einzige, was einen dieses servile Dasein aushalten lässt, ist die in der Regel fürstliche Honorierung.


Da das Schicksal eine launige Hure ist, will es der Zufall nicht selten, dass sich mitten in der Laufzeit eines dieser menschenunwürdigen Kontrakte die Chance auf eine neue "Herausforderung" ergibt. Die besteht wahlweise darin, dass ein Profi, der bisweilen die eigene Muttersprache kaum beherrscht, eine neue Kultur kennenlernen kann. Oder dass ein neuer Sklavenhalter...äh Arbeitgeber eine bessere sportliche Perspektive offeriert. Wenn dann der alte Chef partout nicht mitspielen und die Freigabe erteilen will, dann werden auch Menschen, die sich auf dem grünen Geviert als Holzfüße erwiesen haben, kreativ. Robert Lewandowski ist nicht der erste, der trotzig mit dem Schussbein aufstampft. Er wandelt in den Spuren berühmter Vorgänger. Was Lewandowski von seinen fünf berühmtesten, im Geiste verwandten Vorgängern lernen kann.


5. Heiko Herrlich

Ein Mann, ein Wort.

Die Mutter aller Transfertheater inszenierte der Marco-Reus-Urahn. Dem Fohlen-Knipser hatte man nicht nur den Stimmbruch vorenthalten, sondern auch den Hinweis auf das Schriftformerfordernis in den Sklavenhalterurkunden, die man damals wie gehört Lizenzspielerverträge nannte. Also berief er sich auf eine mündliche Zusage des Gladbacher Managers Rüssmann, 1995 Mönchengladbach Richtung Dortmund (!) verlassen zu dürfen. Rüssmann bestritt vehement. Herrlich verweigerte einfach die Arbeit und bekam am Ende nach Arbeitsprozess und Mediation durch den DFB seinen Willen.


Was Robert Lewandowski daraus gelernt hat, erklärt sich wohl von selbst. Der Mann hat aus dem Drama übrigens ein Wanderstück gemacht. Der Präsident von Lech Posen soll unser aller Lewy 2009 dasselbe Versprechen gemacht haben wie jetzt Herr Watzke. Hinweis auf den Ausgang: Lewandowski musste bis 2010 in Posen bleiben, wurde Meister und Torschützenkönig, um dann doch zu wechseln. Glück auf, BVB. Nur nebenbei: die U17 welches Bundesligaclubs übernimmt der Ex-Unterhaching-Coach jetzt gleich wieder? Sagen wir es mit Jörg Dahlmann: "Der liebe Gott hätte ihn 'Wunderbar' nennen können, aber er nannte ihn einfach...". Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


4. Rafael van der Vaart

Ein Mann, ein Bild

Will man die Ketten abwerfen, ist subtiles Vorgehen nicht erfolgsversprechend. We shall overcome. Also packte unser liebster Dreikäsehoch den medialen Holzhammer aus. Als der HSV ihn 2007 nicht zu seiner Großmutter ziehen lassen wollte, programmierte der heute-wieder-HSV-Spielmacher den Selbstauslöser seiner Analogkamera und posierte für ein Erinnerungsfoto mit dem Fledermaushemdchen. Was tut man nicht alles für den Verein, in dessen Bettwäsche man schon als Kind geschlafen hatte.


Dietmar Beiersdorfer hatte aber keinen Sinn für die Kleinkunst der Provokation und blieb standhaft. Ein Jahr später durfte Rafael dann aber doch zu seinem Wunschverein. Gut, das war jetzt ein anderer und er spielte auch nicht in der Heimatstadt seiner Großeltern, Valencia. Es war aber der größte Club der Welt. Lewy hat daraus gelernt. Nicht nur hat er nach dem CL-Finale nicht das Trikot getauscht. Obwohl dann kostenlos tausende Erpressungsfotos entstanden wären. Er hat auch bis heute die Worte "Bayern" und "München" nicht in den schweigsamen Mund genommen. Wechselt er in sechs Wochen oder einem Jahr zu Chelsea, ManCity, Real, Barcelona, ManUtd oder oder oder, lassen sich sämtliche Transferankündigungen nonchalant umdeuten.


3. Demba Ba

Ein Mann, zwei Medizinchecks

Das Hoffenheimer Herbstmärchen war kaum ein halbes Jahr alt, da wollte der aus dem Senegal stammende Stürmer einen neuen Dialekt kennenlernen. Vom badischen Sinsheim sollte es in die schwäbische Häuslebauermetropole gehen. Der öffentlichen Schlammschlacht folgte die intime sportmedizinische Untersuchung. Das Ergebnis wurde aber zwangsläufig publik: durchgefallen. Also kein neuer Dialekt, keine Gomez-Nachfolge. Dafür aber ein neuer Vertrag bei 1899. Ohne Ausstiegsklausel.


13 Monate später wollte Demba Ba eine ganz neue Kultur kennenlernen. England hatte es ihm angetan. Hoffenheim verwies auf den gerade verlängerten Vertrag. Ba pochte auf, naaa? Genau. Eine mündliche Zusage, wechseln zu können. Die Kraichgauer bestritten halbherzig. Ba streikte sich zu Stoke City. Blöd nur, dass auch in anderen Kulturen der medizinische Fortschritt nicht unbekannt ist. Ba flog nach Stoke-on-Trent und die dortigen Ärzte kamen zum selben Ergebnis wie die schwäbischen Berufskollegen. In West Ham ließen sie 7 Millionen gerade sein und nahmen ihn. Danach gings nach Newcastle und Chelsea und wenn er nicht gestorben ist, dann wechselt er noch heute. Was RL daraus lernt? Also neben der verbalen Zusage, an die sich keiner außer ihm erinnert und dass man alle zwei Jahre was neues kennenlernen sollte? Schlimmer geht immer und der Senegalese wird ihm den Platz auf dem Titel jedes Fußball-Söldner-Handbuchs vor der Nase wegnehmen.


2. Thomas Helmer

Kein schöner Land

Der Mann hatte Anfang der 90er in Dortmund freiwillig unterschrieben, was man dem armen polnischen Angreifer jetzt zwangsweise und formlos schmackhaft zu machen versucht. Eine Ausstiegsklausel nur für's Ausland. Für 3 Millionen DM hätte Thomas Helmer das Land der Dichter und Denker verlassen dürfen. Damals gab es noch keine Investoren im Fußball. Abramowitsch findet solche Summen wohl regelmäßig in der Sofaritze. Wie dem auch sei.


Der junge Verteidiger hatte wohl kein Interesse an neuen Währungen. Wie RL heute wollte TH damals nur zum FC Bayern. Der BVB sperrte sich zwar nicht generell, wollte aber als Aufpreis weitere 4,5 Millionen DM für die Stärkung des Konkurrenten kassieren. Geboren war eine skandalöse Idee, nennen wir sie Leasinggate. Der ruhmreiche AJ Auxerre sollte Helmer für den Auslandspreis kaufen und ihn dann an den FC Bayern mit Kaufoption über dieselbe Summe verleihen. Wüsste man es nicht besser, könnte man das für eine der genialen Bilanztricks von Dr. Niebaum halten. So dachte wohl auch Thomas Helmer und gab, nachdem der Transfer dann doch nach alter Väter Sitte über die Bühne gegangen war, zum besten: "Am Ende haben die Bayern (sic) und ich dieses Modell abgelehnt." Aja. Lerneffekt für den Bayern-Wunschstürmer: viele Wege führen nach München.


1. Miroslav Klose

Das Beste aus zwei Welten

Der Mann hat persönlich den Mario-Götze-Skandal durchgespielt, Jahre bevor es den Mario-Götze-Skandal gab. Zwei Tage vor dem UEFA-Cup-Halbfinale gegen Espanol Barcelona 2007 wurde Werders Miroslav Klose am Flughafen mit Bayern-Offiziellen gesehen. O.k., Espanol Barcelona verhält sich zu Real Madrid ungefähr so wie, nun ja, wie die technische Begabung von Miroslav Klose zu der von Mario Götze. Aber dafür war der Mann nicht von einer BILD-Schlagzeile zur Geisterstunde um den Schlaf gebracht worden, sondern hatte die Chuzpe, die Vorbereitung auf das wichtigste Saisonspiel für ein Treffen mit dem Bremer Gott-sei-bei-uns Uli Hoeneß am helllichten Tag zu unterbrechen. Und das alles, nachdem er Tage zuvor den Reverse-Lewandowski-flic-flac gemacht und betont hatte, er wolle nur ins Ausland. Pfui.


Das Spiel in Barcelona ging übrigens 0:3 verloren, beim mit 1:2 vergeigten Rückspiel flog er nach Tätlichkeit vom Platz. Ein paar Wochen später wechselte er zum Rekordmeister. Lektionen für unseren Robby: in Gedanken beim neuen Arbeitgeber in wichtigen internationalen Spielen die alte Mannschaft mit einer Tätlichkeit zu schwächen, ist suboptimal. Oh...wait, der Zug ist abgefahren, aber ist ja gutgegangen. Naja, viel wichtiger ist: Hannover hat einen Flughafen! Und der Flughafen hat Lounges, in denen man fast ungestört verhandeln kann.


Wenn er die Bundesligageschichte kennt, ist das Programm der nächsten Wochen für Lewa und seine Beraterimitatoren also straff. Am Samstag, hört man, soll erst mal geheiratet werden. Dann muss der Wechsel eingetütet werden.


Schritt 1: ab zu Karstadt Sport das neue Mia-san-mia-Oberteil kaufen. Einmal über den Kopf das Ding (Kucharsky hilft bestimmt beim Anziehen), Smartphone-Auslöser gedrückt, das Bild im Fratzebuch hochladen. Fertig. Übrigens aufpassen, dass die frisch Angetraute nicht zuguckt. Die Supertalent-Jurorin hatte damals kurz später mitgeteilt, dass ihr Göttergatte das Foto nicht gemacht hätte, wenn sie zu Hause gewesen wäre.


Schritt 2: Arbeit in Dortmund verweigern, Termin beim Arbeitsgericht machen, DFL um Schlichtung bitten.


Schritt 3: Transfer zum AJ Auxerre aushandeln, parallel Leihvertrag mit Kaufoption zwischen den Franzosen und den Bayern vermitteln (wofür hat man zwei Berater). Hat auch den großen Vorteil, dass der alte Arbeitgeber, der einen Verkauf zum FC Bayern endgültig ausschloss, mit ein bisschen Rabulistik das Gesicht wahren kann.


Schritt 4: vorab gründlichen Checkup beim Hausarzt machen lassen. Nicht dass der Alain Delon unter den Medizinern wie bei Götze noch was findet, was sie in Dortmund übersehen haben.


Schritt 5: rechtzeitig von Uli, Kalle oder Matze mündlich zusichern lassen, dass man bei einem Angebot bis 15.05.2015 vorzeitig wechseln darf.


Und schon ist der nächste Leibeigenenvertrag unter Dach und Fach. Willkommen beim Triple-Sieger.

KOMMENTARE
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Schnumbi
14.06.2013 | 12:44 Uhr
3
-1
Schnumbi : 
14.06.2013 | 12:44 Uhr
-1
Schnumbi : 
Wie immer Klasse
3
OlDirtyBastarddd
15.06.2013 | 21:34 Uhr
3
-1
15.06.2013 | 21:34 Uhr
-1
Schön geschrieben und noch dazu amüsant, zudem trotz Deiner Bayern-Sympathie nicht von Sticheleien gegen den BVB geprägt. Sehr lesenswert!
3
wdreessen
16.06.2013 | 01:05 Uhr
0
-1
wdreessen : 
16.06.2013 | 01:05 Uhr
-1
wdreessen : 
Lieber KEMPERboyd,
so ähnlich könnte es nähmlich ausgehen. Wenn Dortmund das ganze Theater leid ist, wechselt der liebe LEWI nähmlich spätestens in ein paar Wochen direkt zum 6fachen Gewinner, dem FC Bayern München, und das auch ablösefrei, weil LEWI seinen Vertrag fristlos kündigt. Das ist dann die WIN WIN Situation. Von wegen, er hat es nicht schriftlich. LEWI hat sich auf das mündliche Versprechen verlassen, dass er ablösefrei diesen Sommer zu Bayern gehen darf. Das wird ein Fall für die Juristen.
Wir werden es sehen. Willkommen im schönen München, lieber LEWI.
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