Nach dem Aus gegen Inter ist der Frust groß - die Saison liegt endgültig in Scherben. Dass Bayern Inter selbst in die nächste Runde gebracht hat, dürfte außer Zweifel stehen. Zwischen der 15. und der 45. Minute hat die Mannschaft mit das Beste gespielt, was ich als Bayernfan bisher von meiner Mannschaft sehen durfte. Im zweiten Durchgang wurde das Spiel dann aber wieder, wie schon so oft in dieser Saison, in der Defensive hergeschenkt. Zugegebenermaßen, gegen ein überaus abgezocktes Inter. Drei Schüsse gingen aufs Tor, alle drei waren drin. Dass von den eigenen Schüssen neun aufs Tor, aber nur zwei ins Tor gingen, spricht Bände.

Das Problem war erneut eine merkwürdige Passivität im zweiten Durchgang, gepaart mit schlicht und ergreifend unzureichender Qualität in der Abwehr. „Das ist jedes Mal! So haben wir schon vier, fünf Mal den Sieg weggegeben.", war Louis van Gaal sichtlich angefressen. Spontan fallen dem in dieser Saison dahingehend leidgeprüften Bayernfan die Spiele in Köln, in Leverkusen, in Gladbach und in Wolfsburg ein.

Man könnte quasi eine Schablone drauf legen. Die Mannschaft erspielt sich im ersten Durchgang ein klares Übergewicht und mehrere klare Torchancen, von denen allerdings viel zu wenige genutzt werden. Statt nach der Pause weiter nach vorne zu spielen, wirkt die Mannschaft komplett lethargisch und zieht sich immer weiter zurück. Was bei der aktuellen Defensive regelmäßig und im Prinzip von jedem Gegner bestraft wird.

"Wir machen es einfach nicht"

Einen interessanten Punkt bringt dabei Bastian Schweinsteiger auf:„Der Trainer gibt es vor, sagt, wie der Gegner steht. Aber wir machen es einfach nicht. Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Ich bin sehr enttäuscht."

Bemerkenswert: Zum wiederholten Male wird deutlich, dass die Spieler offensichtlich nicht das umsetzen, was der Trainer vorgibt. Auch Arjen Robben schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Wir machen die Fehler. Man kann immer wieder über die Fehler reden, aber wir müssen das auf dem Platz umsetzen. Der Trainer macht eine gute Vorbereitung, wir auch."

Dabei wird noch mehr deutlich. In der Offensive wurde offensichtlich einerseits an der Variabilität gearbeitet. Robben, Ribery und Müller rochieren deutlich mehr als noch gegen Dortmund, Schalke und Hannover. Dadurch ergeben sich viele Torchancen, einzig in der Verwertung hapert es noch. Andererseits erscheint es genau so offensichtlich, dass gerade Ribery und Robben merklich erleichtert sind, seitdem klar ist, dass van Gaal zum Saisonende geht.

Abwehr? Wer hat noch nicht, wer will nochmal...

Das komplette Spiegelbild ist dagegen die Defensive. In jedem Spiel ändert van Gaal etwas an der Viererkette. Entweder er stellt um, oder er tauscht auch komplett aus. Zunächst sollte der zum Bankdrücker und reinen Zerstörer degradierte Tymoshchuk in der Innenverteidigung helfen, plötzlich ist der ebenfalls auf die Bank beförderte van Buyten wieder der Heilsbringer. Breno war zuerst zu schwach in der Spieleröffnung, jetzt soll er es richten.

Es ist nicht verwunderlich, dass in der Abwehr keine Kontinuität rein kommt, dazu gab es noch gar keine Möglichkeit. Außerdem sind die Abwehrspieler, wenn sie dann mal ran dürfen, komplett verunsichert, da sie befürchten müssen, beim nächsten Fehler wieder auf der Bank zu sitzen.

Gegen Inter gab es mit der Innenverteidigung van Buyten – Breno übrigens eine Formation, die seit dem 20. November so nicht mehr zusammen gespielt hat.

Hinterfragen müssen sich also viele. Die Stürmer, weil sie, trotz Verbesserungen, viel zu fahrlässig und egoistisch mit ihren Chancen umgehen. Die Abwehrspieler, denen aber schlicht auch die Klasse zu fehlen scheint.

Und van Gaal, der in der Abwehr bis auf Philipp Lahm jeden einzelnen Spieler mittlerweile komplett verunsichert hat, indem er auch nach weit über der Hälfte der Saison noch immer keine Abwehrformation gefunden hat. Außerdem muss er sich vorwerfen lassen, die Mannschaft nicht mehr zu erreichen. Die versteht zwar scheinbar, worum es geht, setzt van Gaals Forderungen aber nicht um.

Wer übernimmt die Verantwortung?

Der Abgang von Mark van Bommel hat in der Hierarchie doch eine größere Lücke hinterlassen, als van Gaal das kalkuliert hatte. Es fehlt ganz deutlich sichtbar ein Spieler, der die Mannschaft auf dem Platz führt. Schweinsteiger kann das, keine Frage, aber er befindet sich derzeit schlicht in einem Leistungstief.

Auch Mario Gomez sieht das Problem: " Wir haben zu passiv gespielt. Jeder hat die Verantwortung weitergeschoben." Die Mannschaft scheint im Moment nicht über die nötige Kompaktheit zu verfügen, um brenzlige Spiele zu überstehen. Es ist jetzt auch die Zeit gekommen, in der Lahm und Schweinsteiger die Mannschaft auf dem Platz führen müssen.

Und daraus folgt?

Jetzt hat in München niemand ernsthaft den Titel in der Champions League erwartet, vor allem nicht nach dem bisherigen Saisonverlauf insgesamt. Aber das Aus gegen Inter ist absolut symptomatisch für die bisherige Saison, und das macht es auch so frustrierend. Man hat das Gefühl, das gleiche wieder und wieder zu erleben - und irgendwie stimmt es ja auch.

Auf den Punkt gebracht: Ineffizienz und Pech in der Offensive, mangelnde Qualität und durch den Trainer verursachte Unsicherheit in der Abwehr und eine Mannschaft, die die Forderungen des Trainers nicht umsetzt. Dazu kommt die merkwürdige Passivität, die schwer zu erklären ist.

Es waren wohl mit die frustrierendsten drei Wochen in der jüngeren Bayern-Geschichte. Aber man sollte zumindest aus den Niederlagen lernen. Das heißt: In die Abwehr investieren! Mindestens ein Innenverteidiger und ein Außenverteidiger müssen her.

In der Offensive müssen Alternativen zu Ribery, Robben und Müller her. Um allen eine Pause gönnen zu können, um variabler zu werden und um auch ein wenig Konkurrenzkampf zu schaffen. Insgesamt müssen hochkarätige Alternativen her, um auch mal einem Schweinsteiger oder einem Lahm eine Pause gönnen zu können.

Außerdem bedeutet das unmittelbar, dass die Mannschaft in den Spielen konzentrierter zu Werke gehen muss. Forderungen des Trainers müssen umgesetzt und Leichtsinnsfehler dringend abgestellt werden.

Und in dieser Saison?

Platz Drei ist absolut in Reichweite und muss jetzt das Mindestziel sein, damit das aktuelle Seuchenjahr zumindest keine Auswirkungen auf die nächste Saison hat. Dafür hat die Mannschaft natürlich das Potential, muss jetzt aber schnell den Kopf wieder frei bekommen.

Eine gefährliche Situation - aber gleichzeitig eine Chance. Mit voller Konzentration auf die Bundesliga und dem Wunsch, der gesamten Mannschaft, nächstes Jahr Champions League zu spielen, muss sie jetzt dafür kämpfen.

Oder, um es mit den Worten von Kapitän Lahm zu sagen: "Wir wissen, wie es ist, in der Europa League zu spielen. Da wollen wir nicht spielen. Bayern gehört in die Champion League." Es wird Zeit, auf allen Vereinsebenen diesem Anspruch gerecht zu werden.