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13.07.2010 um 17:29 Uhr
Fan sein oder nicht Fan sein?
Die Blogs, die ich mir nach der WM bisher durchgelesen habe, betreffen meist das Thema Public Viewing und wer denn nun wirklich "Fan-Sein" darf und wer nicht. Vor allem in Bezug auf Public Viewing wurde schon oftmals der ein oder andere Standpunkt kontrovers und auch persönlich angreifend diskutiert. Letztlich blieb und bleibt die Frage offen: Wer darf sich Fan nennen?
Die einfachste Antwort auf diese Frage lautet: Alle, die meinen Fan zu sein.
Letztlich liegt man damit nicht sehr weit von der Wahrheit entfernt, nur bleibt dabei die Wahrheit außen vor. Warum ist das so?

Zunächst sollten wir uns darüber im Klaren sein, das vor allem Public Viewing nur noch zu einem sehr geringen Teil etwas mit Sport zu tun hat. Das liegt an der Neutralität, die sich durch die hohe Zahl der Besucher ergibt. Vor allem aber liegt es daran, dass Public Viewing eher als ein Grund fürs Feiern angesehen wird. Feiern funktioniert nur durch das Vorhandensein mehrerer Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. In einen Tanzclub geht man, um zu tanzen, in einen Fußballclub tritt man ein, um Fußball zu spielen oder Fußball zu erleben (passive Mitgliedschaft). Beim Public Viewing starren mehrere tausend Menschen auf eine Leinwand, um zu sehen, wie eine Mannschaft ein Spiel gewinnt - oder es versucht.
Das Feiern ergibt sich durch den positiven Ausgang des Spiels. Verliert die Mannschaft, ist die Stimmung schnell im Keller und nach Feiern sollte dann eigentlich niemandem mehr zu Mute sein. Dass dennoch gefeiert wird, liegt daran, dass das Sportereignis tatsächlich nebensächlich ist. Der Wettkampfcharakter, das Fairplay, Spiel-Philosophien, das Ziel der Mannschaft gerät in den Hintergrund. Letztlich zählt das Event - das Spiel ist dabei nur Teil des Ganzen. Mit Sport hat das weniger zu tun. Der "Event"-Fan identifiziert sich dann dadurch, dass er Bestandteil einer großen Gruppe ist, die den Sport an sich als Bestandteil eines Rahmenprogrammes sieht. Seine emotionale Bindung zur Mannschaft definiert sich durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das fälschlicherweise als "Patriotismus" deklariert wird. Würde es bei Bayern-Spielen Public Viewing in Dortmund geben, sind die Dortmunder Bayern-Fans weniger Bewohner des Freistaates Bayern als viel mehr Westfalen, die eine Mannschaft anfeuern, mit der sie sich identifizieren, aber Patriotismus ist das nicht. So ähnlich stelle ich mir den Patriotismus der DFB-Fans auf der Fanmeile vor.

Der andere Fan ist ein echter Experte. Er weiß neben den drei WM-Titeln ('54, '70, '90) auch noch die Vize-Titel und dritte Plätze innerhalb von drei Sekunden auf zu sagen. Seine Identifikation mit der DFB-Elf ist in der Historie begraben, die seines Gefühls nach der einzig wahre Bezugspunkt für Identifikation ist. Er war hocherfreut, als Andi Brehme 1990 den Elfmeter ins Tor schoss, er war tief traurig als Christian Wörns '98 die rote Karte sah und Deutschland sang- und klanglos ausschied. Er hat die Jahre 1997 - 2004 ertragen, hat die Hände über den Kopf zusammengeschlagen als Erich Ribbeck 1998 DFB-Trainer wurde und die Mannschaft zu peinlichsten Auftritt ihrer Geschichte führte (EM 2000). Kurzum: Dieser Fan hat eine emotionale Bindung zur Mannschaft, die durch Erfahrung begründet ist. Das Problem dieses Fans seine Skepsis, seine Angst, seine Vorahnungen: Er ist vorsichtig, sogar nahezu ängstlich und sehr kritisch. Er ist eine Art Schwarzmaler, der nur sehr schwer vom Gegenteil zu überzeugen ist. Euphorie ist ihm fremd. Jeder dieser Fans hat "oh nein" gerufen, als Trochowski gegen Spanien auflief - und sie sollten Recht behalten. Das nicht gegebene Tor Frank Lampards im Achtelfinale sorgte dafür, dass Deutschland "mit Glück" weiter kam. Das Ausscheiden war somit absehbar und überrascht diese Fans nicht mehr.
Dieser Fan sieht sich als Experte, der nicht zum Public Viewing geht, weil die Leute dort "keine Ahnung" haben.
Ist das so? Natürlich haben die Fans der Fanmeile nicht das Fachwissen dieses Fans und sie haben auch nicht so viele Spiele gesehen, wie der in der Historie verfangene DFB-Fan. Aber sie haben keine Angst, sie sind nicht skeptisch, sie sind optimistisch - zu Beginn des Spiels. Der Optimismus weicht der Euphorie im Falle eines Sieges, im Falle einer Niederlage wird ein Schuldiger gesucht. Beim Serbien-Spiel war diese "Schuldige" Lukas Podolski, beim Spanien-Spiel war man ratlos und flüchtete sich ind Pauschal-Aussagen wie "wir sind noch nicht so weit", womit man das selbe Gefühl hatte wie die Kicker. Identifikation pur und das, obwohl man "keine Ahnung" hat.

Was also tun, um beide Gruppen zueinander zu bringen? Die unterschiedliche Wahrnehmung der Fan-Gruppen spaltet sie und stört das Existieren der Fußballfankultur in Deutschland. Ich finde das sollte verhindert werden.
Auf jeden Fall sollten beide Fan-Gruppen mal darüber nachdenken, wie sie ihren Standpunkt definieren und wie sie über die andere Fangruppe denken. Denn letztlich finde ich diese Diskussion, ob Fan oder nicht, ziemlich sinnlos. Sich gegenseitig die Existenz des Fanseins abzusprechen halte ich persönlich für den falschen Weg, da das alles unnötig Kraft kostet. Wir haben es mit zwei unterschiedlichen Fan-Gruppen zu tun, die sich untereinander zumindest respektieren sollten. Wenn nicht mal das möglich ist, dann sollte man sich fragen, ob Fansein überhaupt noch Sinn macht.
Aufrufe: 1227 | Kommentare: 5 | Bewertungen: 9 | Erstellt:13.07.2010
ø 9.0
KOMMENTARE
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ANDARSful
13.07.2010 | 17:55 Uhr
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ANDARSful : 
13.07.2010 | 17:55 Uhr
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ANDARSful : 
Der Blog sieht gut aus!

Die Blogs, die ich mir nach der WM bisher durchgelesen habe, betreffen meist das Thema Public Viewing und wer denn nun wirklich "Fan-Sein" darf und wer nicht...

Da habe ich kapituliert

Bitte nicht schon wieder das Thema

Trotzdem gut gelungen 10 Punkte
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Voegi
MODERATOR
13.07.2010 | 17:57 Uhr
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Voegi : 
13.07.2010 | 17:57 Uhr
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Voegi : 
gebe dir recht. es ist in der tat sinnlos, sich gegenseitig das fansein absprechen zu wollen. die frage ist doch, und darum ging es mir in meinem blog, in welchem umfeld man sich wohlfühlt. ich selbst kann mit mallorca-pv nicht viel anfangen und lehne es für mich ab. meinetwegen kann es das ruhig geben, für mich ist es nichts. das muss man aber aussprechen dürfen.

eine einschränkung will ich dann aber doch machen: ganz unproblematisch ist dieser ganz hype mit all seinen begleiterscheinungen nicht. denn er kann eine gewisse rückwirkung haben - auf die stimmung, auf die berichterstattung, auf die öffentliche wahrnehmung. ich wünsche mir jedenfalls nicht, dass die medien ihre berichterstattung auf die event-fans zuschneiden.

ach und noch etwas: ich glaube nicht, dass der deutsche fan traurig war, als christian wörns anno 98 die rote karte sah. es war eben christian wörns. ;)
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galatasaray2010
21.07.2010 | 21:03 Uhr
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21.07.2010 | 21:03 Uhr
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Sehr guter Blog. Hat wirklich Spaß gemacht, diesen zu lesen.
Naja, es gibt halt nunmal diese Gruppe von Fans und die andere Gruppe von Fans. Aber, letztendlich sollte eigendlich der Fußball im Vordergrund stehen.

Naja, ein 10er.
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Maulwurfen
21.07.2010 | 21:17 Uhr
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Maulwurfen : 
21.07.2010 | 21:17 Uhr
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Maulwurfen : 
Sachlich und respektvoll geschriebener Blog ! Jeder muss für sich entscheiden, in welchem Umfeld er die Spiele genießen möchte.

Klarer 10er
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DorfMaradona
21.07.2010 | 21:23 Uhr
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21.07.2010 | 21:23 Uhr
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Ein Fan [fà25Bn] (englisch fan [fæn], von fanatic „Fanatiker") ist ein Mensch, der längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem für ihn externen, öffentlichen, entweder personalen, kollektiven, gegenständlichen oder abstrakten Fanobjekt hat und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Ressourcen wie Zeit und/oder Geld investiert.


ich bin ein fußball-liebhaber hehe
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