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30.10.2009 um 10:21 Uhr
Einer von uns - diesmal wirklich
Nun haben wir ihn also, unseren ersten richtigen Deutschen in der NFL: Sebastian Vollmer von den New England Patriots. Und ich weiß, dass jetzt viele von Euch fragen werden: Der Erste? Was war denn bitte mit Tom Nütten? Also, Tom Nütten war ein US-Amerikaner mit kanadischem Vater und deutscher Mutter, der zwischen seinem dritten und 16. Lebensjahr in Westfalen aufgewachsen ist. Dann folgte er seinem Vater über den großen Teich und begann Football zu spielen. Den haben die deutschen Medien (vor allem Sat.1 und die ARD, aber nicht nur die) in ihrem verzweifelten Versuch, die NFL ihrem Publikum zu verkaufen, als "Deutschen" angedreht. Falls ihr es noch nicht gemerkt habt: Das Fernsehen lügt.

Bei Sebastian Vollmer ist das nun nicht mehr nötig. Beim Spiel seiner New England Patriots gegen die Tennessee Titans wurde Vollmer zum ersten deutschen Nicht-Kicker, der je in der Startformation eines NFL-Teams stand. Nur die beiden Kicker Uwe von Schamann und Horst Mühlmann hatten das vor Vollmer geschafft (wenn man das bei Kickern überhaupt "starten" nennen kann). Und Defensive End Constantin Ritzmann stand zwar für ein paar Spielzüge bei den Atlanta Falcons in der NFL auf dem Platz. Aber nie durfte er von Beginn an auflaufen.

Vollmer hat also für den deutschen Football einen Riesenschritt gemacht. Schließlich hatte er schon Neuland betreten, als ihn die Patriots als ersten Deutschen im April in der zweiten Draft-Runde ausgewählt hatten. Nicht als Free Agent nach der Draft. Nicht irgendwo in einer der späteren Runden, wo Spieler oft nur menschliche Manövriermasse im Kader darstellen. Nein, in Runde zwei, wo ein NFL Team eine richtige Investition in einen Spieler tätigt. Vollmer hat seine erste Football-Million bereits verdient. Und deshalb wird er bei den Patriots die Chance bekommen, sich zu beweisen. Das heißt nicht, dass er unbedingt ein Star wird (ist eh schwer, auf seiner Position). Auch nicht, dass er sich durchsetzt und langfristig zum Starter wird (kurzfristig ist er wegen Verletzungen in die Startformation gerutscht). Aber: Er wird ganz sicher die Chance dazu bekommen.

Zu Verdanken hat er das Patriots Offensive Line-Coach Dante Scarnecchia. Der Kalifornier coacht seine 28. Saison in der NFL (26 davon bei den Patriots) und hat Vollmer bei einem College-All Star-Spiel entdeckt. Und seinen Head Coach Bill Belichick von Vollmers Qualitäten überzeugt, obwohl sie möglicherweise nicht offensichtlich waren. Denn zur "Scouting Combine", dem alljährlichen Auftrieb, zu dem alle draftwürdigen Collegespieler eingeladen werden, war Vollmer nicht geladen worden. Wohl dem, der genau hinschaut.

In seinem ersten Start gegen die Tenessee Titans erlebte Vollmer gleich einen denkwürdigen 59:0 Sieg über die Tennessee Titans in einem Schneesturm. Und hatte seinen Gegenspieler Kyle Vandenbosch (immerhin ein gestandener NFL Profi) unter gütiger Mithilfe des rutschigen Bodens voll im Griff.

Beim Spiel in London gegen die Tampa Bay Buccaneers lief es dann nicht ganz so gut. Bis auf eine Angriffsserie im dritten Viertel spielte der Deutsche souverän. Aber diese eine Serie hatte es in sich: Zwei Strafen wegen Festhalten seines Gegenspielers Stylez G. White à 15 Yards taten richtig weh. White war zwei Mal mit viel Tempo rechts an Vollmer vorbei in Richtung von Quarterback Tom Brady gelaufen, weil der Deutsche es nicht geschafft hatte, dem Gegner die Hände auf die Brust zu setzen. Vollmer war zu weit von seinem Gegenspieler weg und verlor beim Versuch, White doch noch zu erreichen, zwei Mal die Balance.

Das Festhalten war dann die Notlösung, um einen Sack gegen Brady zu verhindern. So dass wenigstens dem Patriots-Superstar die Schmerzen erspart blieben. Zwischen den beiden Holdings hatte White Vollmer noch einmal verladen. Indem er angetäuscht hatte, wieder rechts an Vollmer vorbei sprinten zu wollen, dann aber doch den Weg nach innen gewählt hatte. An Vollmer wäre er vorbei gekommen. Doch Patriots-Guard Logan Mankins hatte aufgepasst und kam seinem Mitspieler zu Hilfe. Glück gehabt.

Diese Spielzüge zeigen, dass Vollmer noch eine Menge lernen muss in der NFL. Immerhin, ein Anfang ist gemacht und der war viel versprechend. Vollmer selbst scheint entschlossen, seine Chance zu nutzen. Wie ihr in unserem Interview nach dem London-Spiel sehen bzw. lesen könnt. Allerdings: Große Töne spuckt er keine. Im Gegenteil, er scheint von den Patriots schon für den Umgang mit den Medien geschult worden zu sein. Die Belichick-Methode: Antworten ja, etwas preisgeben nein. Das macht Interviews mit ihm vielleicht nicht sonderlich spektakulär. Aber es erhöht seine Chancen, sich langfristig durchzusetzen. In dieser Saison zählt nämlich nur eins: Zeigen, dass man im Notfall zuverlässig seinen Job erledigt. Und sonst nicht groß auffallen.

Kuriosität am Rande: Nach dem Spiel drängelten sich deutsche und amerikanische Journalisten um Vollmer, um eine Aussage von ihm zu erhaschen. Die englischen Fragen beantwortete er auf Englisch. Worauf auch die deutschen Journalisten anfingen englische Fragen zu stellen. So dass am Ende Deutsche untereinander Englisch sprachen. Auch nachdem alle Amerikaner bereits das Weite gesucht hatten.

Und weil er (siehe letzte Frage) noch nicht bei Bradys zu Grillen eingeladen war, habe ich die Frage nicht mehr stellen können, die euch sicher alle am meisten interessiert. Und zwar: Wie schmeckt eigentlich der Kartoffelsalat von Gisele Bündchen? Sorry dafür, das erfahrt ihr dann beim nächsten Mal.

Bleibt noch die Frage: Was bringt unser Deutscher in der NFL eigentlich dem Football in Deutschland? Na ja, ich würde mir nicht zu viel erwarten. Zumindest was die öffentliche Wahrnehmung angeht. Nicht einmal ein Dirk Nowitzki hat verhindern können, dass die NBA in Deutschland eigentlich nicht mehr im Fernsehen stattfindet. Und das Rudel Deutsche, das sich mittlerweile in der NHL tummelt hat das Interesse am amerikanischen Eishockey auch kaum befeuert. Da wird ein Offensive Lineman in der NFL keine Wunder bewirken. Aber eins zeigt er: Man kann auch als deutscher Nachwuchs-Footballer den Sprung in die NFL schaffen. Und das ist schon viel wert.

Bis bald,
Andreas


Aufrufe: 4021 | Kommentare: 14 | Bewertungen: 9 | Erstellt:30.10.2009
ø 8.9
KOMMENTARE
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Master_Of_Disaster
31.10.2009 | 18:11 Uhr
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31.10.2009 | 18:11 Uhr
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@Trentemoeller:
Da hast du wohl Recht - aber ist ja auch iwie normal, denn sowas hatten wir in Deutschland ja auch wirklich noch nicht.

Ich würde mir wünschen, dass es noch einige Deutsche mehr schaffen könnten, aber das ist ja durch das komplexe NFL - System sehr schwer.
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gopanse
02.11.2009 | 10:49 Uhr
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gopanse : 
02.11.2009 | 10:49 Uhr
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gopanse : 
@ barry_ok

das stimmt, Spieler aus der O-Line fallen ja nur auf, wenn Sie was falsch machen, aber andererseits, wer guckt denn hier NFL ohne sich näher damit zu beschäftigen. Dafür ist es ja viel zu schwierig oder zu teuer viele Spiele zu schauen.

Ich wundere mich immer, warum nicht mehr Fußballer als Kicker ihr Glück versuchen, da gibt es doch erheblich Defizite (weils keiner machen will). Ich war mal im Schüleraustausch in Kansas und bin Place-Kicker im High-School-Team geworden, obwohl ich von Football keine Ahnung hatte. Ich war aber der einzige, der einen Football mehr als 30 Yards weit schießen konnte, was, wenn man wie in Europa fast jeder Junge Fußball spielen kann, nicht so schwer ist. Ich hatte sogar mehrere Angebote von Div. II Unis zum Vorpielen, was ziemlich verrückt war, da hätte es aber wohl nicht mehr gereicht

Aber so ein Torwart aus der Oberliga der eine Fußball 60 Meter weit schießen kann, der müsste einen Football schon so 65 yards geradeaus schießen können (ich habe als 17 jähriger Schlaks mit ein bißchen Übung am Ende so 48 yards geschafft und allein in meiner Fußball-Mannschaft waren 5 Leute die viel weiter schießen konnten als ich....
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Master_Of_Disaster
02.11.2009 | 10:53 Uhr
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02.11.2009 | 10:53 Uhr
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@gopanse:
Ein guter Gedankenanstoß. Deine These unterstützt vor allem ein gewisser Morton Andersen, Kicker & NFL - Rekordhalter, da er die meisten Punkte aller Zeiten gemacht hat (2544) und er war - DÄNE...!!!

Trotzdem ist es schwer - nicht jeder hat das Geld bzw. die Möglichkeiten mal eben ne HighSchool zu besuchen oder das College. Und genau da liegt nach wie vor das Problem der NFL...!!!
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gartenzwerg
02.11.2009 | 11:42 Uhr
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02.11.2009 | 11:42 Uhr
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Die Wichtigkeit der O-Line hat sich doch gerade gestern beim Spiel
Vikings Vs Packers gezeigt.
6:0 Sacks waren Spielentscheident.
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