Es ist Donnerstag Morgen. Meine Uhr zeigt 2:40. Das kann nur eines heißen: Auf vor den Fernseher um Fußball zu schauen. Ich lege mir noch eine Kanne schwarzen Tee und ein wenig Restessen bereit. Während ich meinen Laptop mit meinem Fernseher verbinde um einen größeren Bildschirm zu erhalten bereite ich noch schnell mein Sofa vor.

Das ist ein typischer Start in eine Nacht des südamerikanischen Fußballs. Es ist immer wieder ein tolles Erlebnis. Extra lange wach zu bleiben, nur um mir Fußball anzuschauen. Hört sich seltsam an, ist aber von einer wunderbaren Schönheit geprägt. Aufgrund der 4-Stunden Zeitverschiebung werden viele Spiele von südamerikanischem Fußball meistens nur Nachts hier in Europa ausgestrahlt. Viele lehnen einen Vorschlag, sich mal ein Fußballspiel dieser Sorte anzuschauen, mit der Begründung ab, es sei einfach zu spät. Zugegebenermaßen, ein verständlicher Grund.

Allerdings: wenn man mal Frei hat, sollte man sich diese eine Nacht nehmen, um das atemberaubende Erlebnis südamerikanischer Fußball zu genießen. Es ist etwas was man mal getan haben sollte.


Heute war das Spiel SC Internacional gegen São Paulo FC angesagt. Zwei große brasilianische Vereine, die schon viele Titel gewannen. Es ist das Halbfinale der Copa Libertadores, der südamerikanischen Champions League. Hinspiel. Das wird in Porto Alegre, der Heimatstadt Internacionals ausgetragen.

Nach einem schnellen Blick auf die Uhr merke ich: Es ist ja schon 2:47! Ich sollte schnell vor den Fernseher kommen, schließlich soll das Spiel ja um 2:50 beginnen. Als ich dann schließlich meinen Laptop anstellte, merkte ich: Verdammt, keine Internetverbindung! Also resette ich noch schnell meine W-LAN Verbindung. Dauert! Es ist schon 2:56!

Gut, die Verbindung steht. Jetzt schnell einen Stream suchen. Während ich auf Rojadirecta.org gehe, sehe ich: Ah, ein Veetle Stream ist frei, schnell anklicken. Doch dieser Stream will nicht funktionieren. Argh, schneller! Ich klicke schnell zurück und rufe den nächsten Veetle Stream auf. Gott sei dank funktioniert es diesmal. Jetzt aber schnell loslegen!

Ein nicht untypischer Anblick einer solchen Nacht. In der Warterei ist einem die Zeit aus dem Auge geflogen und nun muss es schnell gehen. Probleme mit der Verbindung sind auch keine Seltenheit, wobei sie nicht alltäglich sind und schnell gelöst werden können. Veetle ist ein Streamanbieter, der meistens immer eine sehr gute Qualität hat. Dafür liegt er manchmal leicht in der Zeit zurück.

Puh, Glück gehabt. Der Anpfiff hat sich doch verzögert und es begann erst um 3:00. Trotzdem habe ich die ersten 3 Minuten verpasst. Eine kurze Welle an Panik wird schnell vom 0:0 der Ergebnistafel beruhigt.

Diesmal habe ich also spanischsprachige Kommentatoren. Für ein brasilianisches Duell eher ungewöhnlich, aber gut. Nun fangen also die ersten Minuten an.

Internacional, das Team welches ich unterstütze, beginnt früh Druck zu machen. Dies spiegelt sich nicht nur im Spielerischen wieder, auch die Fangesänge treiben die Gäste in die Enge. Es ist mal wieder eine atemberaubende Stimmung, im Vergleich zu europäischen Spielen eine andere Liga.

So beginnt Inter zu stürmen. Große Chancen bleiben aus, vorerst. São Paulo bleibt überhaupt garkeine Zeit irgendwas nach Vorne zu machen. So geht die erste Hälfte dahin. Typisch mit dem Charme einer südamerikanischen TV-Übertragung, eine schnelle Bierwerbung zwischendurch an der Seite, andere Werbung auf Banner am unteren Bildschirmrand gepackt fliegen durchs Bild. Nun also Halbzeitpfiff, 0:0 immernoch. Die Spieler fangen jetzt schon an Trikots zu tauschen.

Ja, so kann schonmal eine erste Hälfte aussehen. Stimmungsgeladen, spannend, gelegentlich Torlos.

Spanischsprachige Kommentatoren haben so ein gewisses Etwas für sich. Abgesehen vom gefühlt ununterbrochenen Reden manchmal zweier Kommentatoren kommt noch gelegentlich ständige Wiederholung des Namen des Ballführenden. Ein "Señoras y Señores" zwischendurch ist so oder so Standard. Zudem ist die Lautstärke bzw. der Ton der Kommentare immer passend zum Spielgeschehen. Man kann es irgendwie merken, wann wo welche Sorte von Spannung aufkommt. Bei einem Schuss der einfach abgefälscht wurde kommt ein schlichtes "corrrrner". Bei einer spannungsgeladenen Offensivaktion mit mehreren abgewehrten Schüssen innerhalb des 16ers kommen meist fast hysterische Kommentare die dann beim Klären zur Ecke mit einem "coooorrrrrrrrrrrrneeeeeeer" abgeschlossen werden.

Mit der Werbung ist es auch toll. An der Ergebnistafel steht fest ein "Santander", als Zeichen des Sponsoren der Copa Libertadores. Zwischendurch kommt mal ein McDonalds Logo o.ä. aufgeklappt. Bei dieser Copa Libertadores hält es sich in Grenzen, aber wenn man mal ein argentinisches Fußballspiel schaut ist das mit der Werbung schon fast ein eigener Roman.

Mag alles für den europäischen Kopf seltsam sein, aber ich liebe es

Also:

Halbzeit. Schnell meinen Vorrat auffüllen. Nach einem dringend nötigen Klogang kehre ich nun vor den Laptop zurück.

Ich wage schnell einen Blick auf meinen Stream, noch nichts. Die lassen sich mal wieder Zeit. Nach einer guten Zeit beginnt so gegen 4:08 die zweite Hälfte. Zu meiner Freude beginnt Inter weiter zu drücken, wobei sich jetzt leichte Defensivfehler einschlichen und die Paulistas gelegentlich zu Chancen kamen. Nun begann ein wenig die Nervosität zu steigen. Also gaben die Fans nochmal Gas. Dann, nach zahlreichen Chancen die Erlösung: in der 68. Minute kommt der erst zuvor eingewechselte Youngster Giuliano und vollendet eine Offensivaktion mit einem ansehnlichen Drehschuss.

Der Jubel der Zuschauer grenzenlos, der Kommentator übt sich in seinem üblichen "Goooooooooooooooool" und auch ich fühle Zeichen der Erleichterung und jubele, allerdings nicht laut, man soll ja die Nachbarn nicht aufwecken.

Nach dem Tor ist Inter wie aufgeweckt, noch mehr Chancen ergeben sich, das 2:0 muss schon längst da sein. Aber Inter scheitert entweder an sich selbst oder an Rogério Ceni, dem überragenden Keeper der Gäste. Mein Adrenalinspiegel steigt und mein Herzschlag wird schneller.

Nun kommt die Schlussphase, eine leichte Nervösität legt sich ein. São Paulo macht nochmal Druck, eine letzte Ecke wird aber zum Glück von Keeper Renan abgefangen und dann ist es auch schon so weit: Sieg!

Ich wage einen Blick auf die Uhr: Fast schon 5 Uhr! Draußen ist es schon hell. Die Nacht ist wohl zu Ende.

Eine Sache sei gesagt: Wer südamerikanischen Fußball schaut, muss IMMER mit einer Verzögerung bei der Halbzeit rechnen. Das ist so typisch.

Also: eine tolle Nacht mal wieder, es hat sich gelohnt so lange wachzubleiben, trotz nur einem 1:0. Die Stimmung war toll, der Fußball war schön, das Ergebnis zufriedenstellend.

Highlights

Also, ich hoffe dieser Text hat die Leser ein Stück näher an südamerikanischen Fußball gebracht und eventuell dazu angeregt sich selber mal ein solches Spiel anzuschauen.