Frechheit siegt nicht
Rückblick in den Sommer 2011: Robin Dutt, der bis dahin äußerst erfolgreich im beschaulichen Freiburg seiner Berufung Bundesligatrainer nachging, wird bei Bayer Leverkusen der Nachfolger von Jupp Heynckes. Jenem Jupp Heynckes, der die Werkself nach jahrelanger Abstinenz wieder in die Königsklasse führte, sich aber zu Höherem berufen fühlte und so dem Ruf seines Freundes Uli Hoeneß aus München folgte. Also kam mit Robin Dutt ein Trainer an den Rhein, der in Freiburg vier Jahre lang aus Wenig Viel machte und nun auch die Bayer-Elf noch besser machen sollte. Wolfgang Holzhäuser war sich damals sicher, einen hervorragenden jungen Trainer verpflichtet zu haben, schließlich habe man Dutt jahrelang beobachten lassen und ihn sogar bei Pressekonferenzen unter die Lupe genommen, um so seinen Umgang mit den Medien zu ergründen. Große Vorschusslorbeeren also für Dutt, der eine hochkarätig besetzte Mannschaft vorfand, mit der er sich sogar in der Champions-League beweisen durfte.
Das Feld war bereitet, doch Dutt scheiterte krachend. Von seiner im Breisgau praktizierten Bescheidenheit und Zurückhaltung war er bei seiner Antrittspressekonferenz bei Bayer so weit entfernt wie sein damalig neuer Arbeitgeber vom Gewinn der deutschen Meisterschaft. Denn genau dies - den Gewinn der wohl begehrtesten Salatschüssel des Landes - gab der Fußballtrainer als für ihn logisches Ziel aus. Was wohl als mutige Kampfansage gemeint war, flog dem gebürtigen Kölner in der Zukunft nur so um die Ohren. Nicht nur, dass der sportliche Erfolg gleich zu Beginn der Saison ausblieb, auch immer wieder unglückliche Aussagen des Trainers ließen sehr schnell erhebliche Zweifel am Trainerscouting der Bayer-Verantwortlichen aufkommen. Schon in Bayers Sommertrainingslager hatte es sich Dutt aufgrund seines arroganten und wenig kooperativen Auftretens mit einer Vielzahl von Journalisten verscherzt. Ein Journalist meinte später einmal: "Er (Dutt, d.Red.) meinte ernsthaft, uns den Fußball neu erklären zu müssen."
Dutt agierte äußerst ungeschickt, nicht nur den Medien gegenüber. Auch die Spieler wurden immer wieder mit Unzulänglichkeiten ihres Coachs konfrontiert. So erklärte dieser einmal ernsthaft, für einen Spieler wie Michael Ballack müsse es "eine Ehre sein bei einem Verein wie Bayer Leverkusen auf der Bank Platz zu nehmen." Eine Aussage, die für Ballack wie Hohn klingen musste. Ebenso sorgten irrwitzige Ernährungsregeln für reichlich Unmut bei Bayers kickenden Angestellten. Dutt stand sich selbst und dem Erfolg von Anfang an im Weg. Unzufriedene Spieler und eine Medienlandschaft, die sich alsbald auf ihn eingeschossen hatten, dazu eine nicht zu erkennende Handschrift: Es war nur eine Frage der Zeit bis Dutt seinen Hut nehmen musste.
Bayers Verantwortliche ließen sich mit dieser Trennung sehr viel Zeit, zu groß war wohl die Hoffnung doch noch gemeinsam die Kurve zu bekommen. Doch Ende März mussten sie nach einer mehr als peinlichen 0:2-Niederlage gegen den SC Freiburg die Notbremse ziehen. Nach 9 Monaten war das Kapitel Dutt unterm Bayer-Kreuz schon wieder beendet.
Die zweite Chance
Seit einigen Wochen hat Dutt nun ein neues Kapitel in seiner Trainerkarriere geöffnet. Nach seinem eher unrühmlichen, knapp einjährigen Gastspiel als DFB-Sportdirektor trat er die Nachfolge von Werder-Trainerikone Thomas Schaaf in Bremen an. Und nach seinen ersten Wochen an der Weser scheint es so, als ob Dutt aus seinen in Leverkusen praktizierten Fehlern gelernt hätte: Keine Spur mehr von seinem arrogantem Auftreten, gegenüber den Medien gibt er sich zurückhaltend und freundlich, und auch seine forschen Töne und ambitionierten Zielsetzungen gehören wohl der Vergangenheit an. So dämpfte der neue Coach vielmehr die Erwartungen an seine Mannschaft und warb bei den Fans um Verständnis: "Werder Bremen hat seit Jahren eine als sehr realistisch einzuschätzende Fangemeinde mit dem Wissen, dass wir im ersten Jahr nach der langen Ära Thomas Schaaf erst einmal eine Grundlage schaffen müssen." Schritt für Schritt möchte Dutt also die Werder Kogge wieder in sicheres Fahrwasser führen. Dass Dutt versucht die Fans mit ins Boot zu holen, ist ein ebenso kluger Schachzug. In Leverkusen fand er von Beginn an keinen Zugang zu den Anhängern, die sich alsbald gegen ihn wandten und ihn kurz vor seiner Entlassung im eigenen Stadion mit beleidigenden Fangesängen adressierten.
Auch beweist Dutt in der Hansestadt ein besseres Händchen im Umgang mit problematischen Stars. Von diesen eigenwilligen und schwer unter Kontrolle zu haltenden Spielern fand der Fußballlehrer in Marko Arnautovic und Eljero Elia gleich zwei besondere Kaliber in seinem Kader vor. Nach deren nächtlichen Eskapaden gegen Ende der vergangenen Saison und ihrer anschließenden Suspendierung gelang Dutt die Resozialisierung und Reintegration der beiden in die Mannschaft. Während Arnautovic zwar immer wieder als Verkaufsobjekt und damit mögliche Einnahmequelle für die klammen Hanseaten gehandelt wird, hat sich Elia in der Vorbereitung aufgedrängt und spielt in den Planungen seines neuen Trainers eine zentrale Rolle. Auch andere Profis verlieren wohlwollend positive Worte über ihren neuen Chef, der laut mehrfacher Aussage allen Spielern das Gefühl gibt, eine faire Chance auf einen Platz unter den ersten Elf zu haben. Mittelfeldmann Zlatko Junuzovic kritisierte unlängst, dass es unter dem Ex-Coach diese Chancengleichheit nicht gegeben hatte: "Schaaf hat seine Spieler gehabt. Jetzt begreift jeder, dass er eine reelle Chance hat zu spielen."
Dutt also kommt bei seinen Spielern an, er weiß, dass er in Leverkusen "Fehler gemacht" hat und nun eine "bessere Performance" zeigen muss. Hinsichtlich seines Führungsstils und seines Auftretens gegenüber Spielern, Medien und Fans zeigt Dutt jene bessere Performance schon. Dass die aber keine Aufbruchstimmung im Umfeld erzeugte, liegt in erster Linie am sportlichen Auftreten der Werder Mannschaft. Denn das hat sich zum Leidwesen der Fans im Vergleich zur nervenaufreibenden Vorsaison (noch) nicht großartig verändert. In der Vorbereitung wurden reihenweise Testspiele verloren und in der ersten Pokalrunde am vergangenen Wochenende folgte prompt das peinliche, weil hochverdiente, Aus gegen den Drittligisten 1.FC Saarbrücken. Jene 1:3-Niederlage dürfte bei Robin Dutt schlimme Erinnerungen hervorgerufen haben. Auch vor 2 Jahren verabschiedete sich Dutt mit seiner Mannschaft nach dem ersten Pflichtspiel aus dem DFB-Pokal. Damals verlor er mit Bayer nach einer 3:0-Führung in Dresen noch mit 3:4. Was danach folgte ist bekannt. Dutt arbeitet nun daran, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Er will die Zeit in Leverkusen vergessen machen und seine zweite Chance bei einem größeren Verein nutzen. Doch dafür müsste dann bald auch mal sein Team eine - um bei Dutt zu bleiben - bessere Performance zeigen.