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19.10.2012 um 14:46 Uhr
Diego - Im Rausch der Tiefe 3/4
Neues Jahr, neues Glück, doch wieder wird Neapel nur Zweiter in der Meisterschaft. Währenddessen brilliert man aber auf europäischer Ebene. Im UEFA-Pokal-Finale wartet der VFB Stuttgart und Europa wird Zeuge von Maradonas speziellem Aufwärmprogramm, das unter dem Strich mit „Bälle hochalten" betitelt werden kann. Den Mitspielern gibt er Selbstvertrauen, die Gegner machen sich ob seiner Lockerheit und Technik Sorgen. Maradona sieht es nüchtern: „Ich habe auch immer mit Ball trainiert. Das war für mich selbstverständlich!" Anders als in Barcelona wals er über das Training von Udo Lattek meinte, dass dieser ihn zum „10.000 Meter-Läufer machen will". Am Ende gewinnt man den UEFA-Pokal, auch aufgrund einiger umstrittener Schiedsrichterentscheidungen. Maradona weiß die aufkeimende Kritik an seiner Lebenshygiene mit Erfolgen zu ersticken. Trainiert wird nur noch sporadisch. Die Morgeneinheit fällt grundsätzlich flach und selbst die Nachmittagseinheit spritzt er 70 Mal in einer Saison. Manchmal kommt er erst kurz vor dem Spiel eingeflogen. Er liebäugelt mit einem Wechsel zu Marseille wo ihn „Ruhe und Respekt" erwarten. Neapel trauert bereits. Die Fans sind genervt, können aber nicht ohne ihn. Jedem seine Sucht. Diego bleibt.



Der Anfang vom Ende

Die Jahre vergehen dabei wie im Rausch. Blitzlichtgewitter, Partys, Kokain, Prostituierte, die Mafia und Triumphe auf dem Rasen. Bei einem Banküberfall wird sein Goldener Ball der WM 1986 gestohlen. Diego bemüht die Camorra zur Wiederbeschaffung, doch der Ball ist scheinbar bereits eingeschmolzen worden. Für die Stadt ist es trotzdem wie eine Brise Frischluft im harten Alltag. Doch alles hat ein Ende und dieses steht auch für Maradona kurz bevor. In der WM-Saison schafft er aber erneut Historisches und gewinnt erneut das Double sowie den Supercup. Doch gerade die „Heim"-WM soll das Verhältnis zu Italien ein für allemal zerrütten. Im Halbfinale trifft Argentinien auf Italien. Die Geschichte kennt so manche Ironie und so ist der Austragungsort der Partie ausgerechnet Neapel. Als er aus dem Gang in „sein" Stadion schreitet, da taucht er ein in eine Atmosphäre zwischen treuer Liebe, Angst und trotz allem vorhandenen Nationalstolz. Das Stadion scheint fast auf Seiten ihres Idols zu stehen. Der stachelt vor dem Spiel noch auf: „Die Italiener werden Neapel um ein Tag Unterstützung bitten und für die nächsten 364 Tagen werden sie uns „Afrikaner" nennen!" Plakate versuchen zu entschuldigen, ja fast beide Seiten zu beschwichtigen: „Maradona, Neapel liebt dich, aber Italien ist unser Vaterland". Eigentlich kann er nur verlieren und so kommt es auch. Eine Vorlage zum Ausgleich und ein „Sieges"-Jubel bei seinem vorzeitigem 4:3 im Elfmeterschießen sind genug – zumindest für Restitalien. Argentinien gewinnt, Maradona verliert. Später werden italienische Spieler laut „Ballesterer" die „feindliche Atmosphäre" für die Niederlage verantwortlich machen. In einer Mischung aus Frust und Rache wird die argentinische Hymne beim Finale gegen Deutschland gnadenlos ausgepfiffen. Der emotionale Maradona antwortet auf seine Weise und giftet mehrmals „Hurensöhne". Am Ende weint er wie 1982 bitterliche Tränen. Deutschland gewinnt, vor allem dank „Diego" Buchwald.

In diesem, mit Gianna Nanninis Stimme reibeisengeschwängerten „estate italiana" zerbricht das Verhältnis endgültig. Natürlich war bereits vorher klar, dass Maradona ein gravierendes Kokain-Problem hat. Bei einem All-Star-Game nach der WM 1986 hatte ihn unmittelbar nach dem Spiel ein „Betreuer" noch auf dem Spielfeld versorgt. Es war auch klar, dass er Kontakte zur Camorra pflegte. Bis zur WM alles nicht so gravierend. Auch der Skandal um seinen unehelichen Sohn konnte die Liebe der Napoli-Fans nicht trüben. Doch der Rest Italiens verzeiht den Verlust der eigenen WM nicht. Maradona wird positiv auf Kokain getestet und 15 Monate gesperrt. Er flüchtet und überlässt Neapel wieder sich selbst. So schnell und unerwartet er kam, so verschwindet er auch wieder. Der Club steigt sieben Jahre später ab - reich an Erinnerungen und Schulden.



Bei der WM 1994 in den USA braucht die FIFA große Namen um den „fremden" Kontinent für den Sport zu begeistern. Sein Land ruft und Diego meldet sich zum Dienst. Er trainiert, speckt beachtlich ab und scheint wieder topfit zu sein. Doch kurz vor der WM schießt er mit einem Luftgewehr auf Journalisten, die sein Haus belagern. Ein weiterer Skandal, der um die Welt geht. Im ersten Spiel nagelt er dann Griechenland mit 4:0 gegen die Wand. Ein Tor und der Jubel mit weit aufgerissenem Mund, der dem Rest der Welt in Diego-Manier „... Dich! Ich bin immer noch der Größte" sagen, nein schreien zu wollen scheint. Nach einem weiteren starken Spiel gegen Nigeria stürmt eine Krankenschwester auf das Spielfeld und holt den FIFA-kritischen Star schon auf dem Rasen zum Dopingtest ab. Der geht gutgelaunt und scherzend zum nächsten Schafott. „Die FIFA hat mir beide Beine gebrochen" erklärt er, nachdem fünf illegale Mittel – darunter Ephedrin – in seinem Blut gefunden werden. Er will sich auf ein Versehen und eine Grippe herausreden, doch „El Diario" berichtet, dass man mit der gefundenen Menge im Blut „sechs Monate Schnupfen" hätte bekämpfen können.

Die Jahre 37 bis 52 n.D. (nach Diego)

Diegos Stern geht langsam unter. Er spielt nochmal für seine Boca Juniors, doch 1997 ist es vorbei. In den nächsten Jahren sieht man ihm beim „verfetten" zu, sieht ihn im kompletten Delirium in der Boca Juniors-Loge, wo er beim Jubel fast rausfällt, bei Big Brother als Stargast ein dubioses Päckchen fallen lässt, man sieht ihn feiern und singen. Noch nie ist ein Fußballstar so tief gefallen. Und doch bleibt Verehrung ungerührt. Am 30. Oktober 1998, seinem 38. Geburtstag, ruft der Journalist Hernàn Amez seinen Kollegen Alejandro Verón an und wünscht ihm „Frohe Weihnachten!" – die Geburtsstunde einer sehr jungen Religion. Die „Kirche des Maradona" hat mittlerweile kolportierte 40.000 Mitglieder, darunter auch Stars wie Ronaldinho und Michael Owen. Seine Biographie ist die Bibel. Es gibt Riten, Feiertage (Datum des WM-Viertelfinals 1986) und Gebete. Letztere kann Diego oder „D10S", eine Mischung seiner Rückennummer und des spanischen Wortes für Gott, auch schon sehr bald brauchen.

Zu Teil 4
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