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19.10.2012 um 14:45 Uhr
Diego - Im Rausch der Tiefe 1/4
Im Sommer 1984 wird sich das Schicksal Süditaliens ändern. Es wird den Norden ärgern und endlich sein Selbstwertgefühl steigern können. Schauplatz ist Neapel. Eine Hafenstadt, die brodelnd am Fuße des Vesuvs liegt und einen Schmelztiegel aus Kriminalität, Armut und Hoffnungslosigkeit bildet. Die Stadt hat die höchste Kindersterblichkeitsrate und Arbeitslosenzahl Italiens. Sie hat die Camorra und trotzdem wird sie in drei Jahren endlich dem Norden mit Stolz verkünden, dass man wer ist. Schuld daran wird der Fußball sein. Nicht irgendein Fußball, sondern der Fußball des argentinischen Goldjungen, des „Pibe de Oro". Diego Armando Maradona unterschreibt den Vertrag, der ihn zum „Gott" macht und ihn die Hölle stoßen wird. Ein Portrait, das sich wie von selbst schreibt und jeden Rahmen sprengt. Eine Geschichte voller Höhen und Tiefen über ein Leben im Rausch.

Gerade mal sieben Jahr später verschwindet Maradona genauso schnell aus Neapel wie er damals ankam. Er hinterlässt mehr als nur verbrannte Erde und eine wieder auf sich alleingestellte Stadt. Kurz zuvor findet man Kokainspuren in seinem Blut und sperrt ihn für 15 Monate. Als ob das nicht reichen würde, will ihn der junge Staatsanwalt Luigi Bobbio wegen Drogenhandels bzw. –weitergabe verhaften lassen. Einzig die Angst des Oberstaatsanwalts vor Ausschreitungen der heißblütigen Fans verhindert, dass Maradona festgenommen wird. Dabei stützt sich Bobbio, wie er in seinem Buch „Krimineller Fußball" erzählt, nicht nur auf Bänder der Telefonabhörung. Es gibt auch Geschichten wie die von Pietro Pugliese, einem Mitglied der Schlachtenbummler-Gruppe „Commandante Ultra", der kurzfristig und unverhofft zum inneren Kreis des argentinischen Stars zählt und seine Geschichte 1992 dem SPIEGEL erzählt: Nach einigen Gefälligkeiten lädt der Spieler seinen Vertrauten zu seiner pompösen Hochzeit nach Buenos Aires ein. Dort verliebt sich Pugliese in ein minderjähriges Mädchen und erzählt später Maradona davon. Dieser verspricht, dass er sich darum kümmern würde und beauftragt seinen Manager Guillermo Coppola alles vorzubereiten. Es ist recht kompliziert, aber schlussendlich findet man eine Möglichkeit das Mädchen außer Landes zu bringen. Einzige Bitte: Sie bekäme ein Handgepäck, dürfe dieses nicht aus den Augen lassen und Pugliese müsse es auf direktem Weg zu Diego bringen. Die ersten beiden Punkte sind kein Problem, beim dritten weicht der Italiener vom Plan ab und fährt mit seiner Flamme erst mal heim. Dabei riskiert er einen Blick und entdeckt 1kg Kokain. Die Beziehung kühlt daraufhin ab, Coppola setzt sich nach Argentinien ab und auch Maradona flüchtet angeblich dank eines Diplomatenpasses. Hinter ihm liegen sieben Jahre voller Wahnwitz, Exzesse und Erfolge. Vor ihm und Neapel liegt der Absturz.

Der Goldjunge vom Mars

Doch bereits vor seinem Wechsel nach Italien ist er ein Star – und hat auch schon gewisse Probleme. Der fußballverrückte Junge ist schon als Kind im argentinischen Fernsehen zu sehen. Auf schwarz-weißen Bildern erklärt der Lockenkopf, dass er zwei Träume hat. An einer Weltmeisterschaft teilnehmen und den Titel gewinnen. Mitspieler aus Juniorenteams erklären, dass Diego vom „Mars käme". Als gelte es dies zu beweisen legt er bei seiner ersten Spielerstation fulminant los und wird mit 16 Jahren zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen. Die Heim-WM im darauffolgenden Jahr muss er sich allerdings als Fan anschauen. Es ist noch die Zeit von Mario Kempes – und der Militärdiktatur unter Jorge Rafael Videla. Argentinien wird dann auch auf dubiose Art und Weise Weltmeister. Maradona antwortet imposant mit der Torschützenkrone und dem Gewinn der U-20-Weltmeisterschaft. Nach weiteren erfolgreichen Jahren treten das „reiche" River Plate und die „armen" Boca Juniors an den Spieler heran. Die Überlieferung sagt, dass Maradona, selbst aus den Slums stammend, auf viel Geld verzichtet und beim Arbeiterklub unterschreibt. Der FC Barcelona will ihn auch schon verpflichten, doch das Militär schreitet ein. Diego soll noch ein Jahr zuhause spielen um das Volk ruhigzustellen.

Zwei Jahre katalanisches Missverständnis

Einmal angekommen macht Maradona das, was er am besten kann und das hat mit „Volk ruhigstellen" nichts zu tun. Die Fans sind so begeistert, dass er einen interessanten Satz sagt: „Den Leuten muss bewusst werden, dass ich nicht eine Maschine des Glücks bin." Rückblickend eine Art Prophezeiung, denn der 1,67m-Körper ist gefüllt mit puren Emotionen, in dem sich Glück und Selbstzerstörung einen Tango liefern. Zunächst aber schenkt der Junge ganze Orgien an blau-gelben Glücksmomenten. Gleich im ersten Jahr holt er so dann auch die erste Meisterschaft seit 1976– und ist auch gleich wieder weg. Sein Weg führt zum "reichen" FC Barcelona. Zwar gewinnt Maradona die Trophäe des Spielers des Jahres, aber wirklich in Erinnerung bleiben werden besonders zwei Partien gegen Athletic Bilbao. Nachdem er bereits an Hepatitis erkrankt war und länger ausfiel, rauscht ihm Bilbao-Verteidiger Andoni Goikoetxea, laut The Times der „härteste Verteidiger aller Zeiten", in die Beine. Er erwischt den linken, den besonderen Fuß des Ballkünstlers. Der erinnert sich in seiner Biographie an „ein Geräusch wie das eines Holzes, das bricht". So falsch liegt er da wohl nicht wie die Ärzte feststellen müssen: Zertrümmerter Knochenhöcker am untere Ende des Wadenbeins, Riss des inneren Außenbandes und ein ausgekugeltes Fußgelenk. In Zeiten vom baskischen ETA-Bombenterror entgleisen Barcelonas Klubpräsident José Luis Nunez laut 11FREUNDE die Worte: „Auch gegen den Terrorismus im Fußball muss vorgegangen werden." Diego fällt 100 Tage aus, der "Attentäter" wird für 18 Spiele gesperrt.



Später trifft man im Pokalfinale wieder auf Bilbao. Der Hitzkopf zettelt eine Schlägerei an, die sogar die Ränge erreicht. Alles unter den Augen des Königs Juan Carlos. Maradona entschuldigt sich, wird aber dennoch auf die Transferliste gesetzt. Die Barca-Bilanz ist trotz dreier Pokale verheerend: Er kommt laut eigener Aussage das erste Mal mit Kokain in Kontakt, hat fast überall Lokalverbot, wird nach dem Niederschlag eines Autogrammjägers zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt und handelt sich eine Anklage wegen Körperverletzung ein. Zeit für eine Luftveränderung, Zeit für Neapel.



Zu Teil 2
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