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Von: Broich
19.04.2014 | 3303 Aufrufe | 3 Kommentare | 10 Bewertungen Ø 9.9
Olympique Lyon 2014
Die neue Generation
Teamporträt.

In den 2000ern legte Lyon eine beeindruckende Serie hin und holte sieben Mal in Folge den französischen Meistertitel. Juninho, Cris, Coupet, Diarra und Abidal stehen für eine goldene Ära, die im Profifußball ein Alleinstellungsmerkmal inne hat. Auch in der Champions League sorgten die Franzosen für Furore und waren Dauergast im Viertelfinale und Angstgegner von Real Madrid. Der letzte Meistertitel liegt nun bereits fünf Jahre zurück und Lyon ist vom Glanz vergangener Tage unter Le Guen, Houllier und Perrin weit entfernt. Aktuell ist man in der League 1 Fünfter und längst hat Paris mit Hilfe des Investors Al-Khelaifi die dominante Vormachtstellung der Süd-Ostfranzosen übernommen. Dennoch wächst unter Trainer Rémi Garde ein neues junges und hungriges Team mit diversen Spielern aus der eigenen Jugend heran, das noch zu naiv agiert. Noch.

Der sportliche Abstieg

Der Serienmeister machte in den Jahren 2002 bis 2007 vieles richtig. Kluge Personalpolitik, fähige Trainer und eine gute Teamchemie, deren Zentrum der bedingungslose Hunger auf Erfolg war. Vater des Triumphs war der ehrgeizige Präsident Michel Aulas, der das Amt 1987 übernahm, als Lyon noch in der zweiten Liga spielte. Bereits 1989 stieg Olympique auf und seitdem folgte ein nahezu immer stringenter Aufstieg, bis man 2002 unter Santini endlich am Ziel war und mit Coupet, Freistoßvirtuose Juninho und dem Sturmduo Anderson/Gouvou den ersten Meistertitel erringen konnte. Es folgten sechs weitere nationale Titel und die totale Dominanz. Neben dem ewigen Coupet war eine Reihe von Topstars verantwortlich für den Erfolg. Essien, Abidal, Malouda, Cris, Diarra, Juninho, Benzema, Govou, Källström und Fred sind nur Beispiele für die individuelle Klasse des Meisters in seiner goldenen Zeit. Die Pläne Aulas sahen jedoch auch internationale Erfolge vor, ihm war das Viertelfinale bald nicht mehr genug. So verließ man den bisher konsequent gegangenen Pfad und kaufte nun auch Spieler ein, die gar nicht zur Spielphilosophie passten. 2008 entließ er trotz des Doubles Trainer Perrin und übergab Nachfolger Claude Puel eine Teamstruktur, die in ihren Grundfesten bereits marode war. Finanziell hatte man schwerwiegende Fehler gemacht, also ließ der Verein nach den glorreichen Zeiten schweren Herzens die beiden Juwele Hatem Ben-Arfa und Karim Benzema ziehen. Auch andere Leistungsträger verließen das sinkende Schiff entweder altersbedingt oder aufgrund hochwertiger Angebote besserer Vereine. Heute ist von der Meistermannschaft 2008 nur noch der damalige Ersatztorwart Vercoutre im Kader und Lyon hat eine interessante und junge Mannschaft mit vielen Spielern aus der Jugendakademie.

Der Star

Maxime Gonalons (25)

Defensiver Mittelfeldspieler, 30 Einsätze, Kein Tor

Der seit 2009 in der ersten Mannschaft stehende Kapitän galt einst als Supertalent und ist mittlerweile zum Kopf der Mannschaft und Nationalspieler gereift. Der defensive Mittelfeldspieler hat trotz seiner erst 25 Jahre bereits 138 League 1 - Spiele und 38 Spiele in internationalen Pokalwettbewerben auf dem Buckel. Gonalons ist seit 2000 im Verein und kennt die Strukturen und die Identität nicht nur, er lebt sie. Er ist der Schlüsselspieler im Spielaufbau und lässt sich oft fallen, um als abkippender Sechser die Angriffe von hinten zu initiieren. Der Stratege ist taktisch und technisch perfekt ausgebildet und verfügt zudem über überdurchschnittliches Stellungsspiel und eine gute Antizipation. Hinzu kommt die Kopfballstärke des Sechsers und sein rechter Fuß, der mit einer bemerkenswerten Schusskraft ausgestattet ist. Der zweikampfstarke Mittelfeldspieler, der inzwischen bereits sechsmal das Trikot der französischen Nationalmannschaft trug, erinnert entfernt an Busquets, auch wenn der Spanier in puncto Handlungsschnelligkeit und Pressingresistenz um Längen besser als der Lyoner Kapitän ist.

Players to watch

Samuel Umiti (20)

Innenverteidiger, 22 Einsätze, Kein Tor

Nicht nur wegen seines Traumtors im letzten Jahr gegen Tottenham ist er einer der spannendsten Spieler von Lyon. Der erst 20-jährige Linksfuß ist primär Innenverteidiger, wird aber auch als linker Außenverteidiger eingesetzt und hat ab der U-17 alle Jugendnationalteams von Frankreich durchlaufen. Das in Kamerun geborene Talent entstammt ebenfalls der Jugendakademie von Lyon und ist bereits seit 2001 im Verein. Der Abwehrspieler ist technisch gut und hat das Zeug zum absoluten Topspieler. Noch fehlt ihm Erfahrung.

Henri Bedimo (29)

Außenverteidiger, 30 Einsätze, Ein Tor

Der vor der Saison für 2,0 Millionen von Montpellier gekommene Außenverteidiger spielt eine bärenstarke Saison. Klug getimte Vorstöße und präzise Flanken mit links zeichnen den Dauerbrenner aus. Seine Leistungen hat auch Kameruns Nationaltrainer Volker Finke bemerkt und dem 29-jährigen im März zu seinem Debüt verholfen. Bedimos großen Wert für das Team zeigen neben seiner Erfahrung acht Vorlagen ein Spitzenwert.

Gueida Fofana (22)

Defensiver Mittelfeldspieler, 25 Einsätze, Zwei Tore

Der zweikampfstarke Dauerläufer entstammt der Jugend von LeHavre und ist seit 2011 bei Olympique. Fofana, der wie Umiti in sämtlichen Jugendnationalteams auflief, ist ein Achter mit einem guten Auge und beeindruckendem Pressing. Vor allem im Zusammenspiel mit Lacazette ist der 22-jährige unverzichtbar. Auch sein Schuss und sein Drang nach vorne oder kräftezehrende und lückenreißende Läufe in die Viererkette des Gegners gehören zum Repertoire des bereits sehr reifen und vielseitigen Mittelfeldspielers.

Clément Grenier (22)

Offensiver Mittelfeldspieler, 25 Einsätze, Vier Tore

Der offensive Mittelfeldspieler gilt als der talentierteste Spieler im Kader und feierte vergangenen Sommer sein Debüt in der Equipe Tricolore. Der vom Spielstil sehr an Kaká erinnernde Zehner hat eine exzellente Passsicherheit und kann auch selbst abschließen. Zudem ist er der Standartexperte im Team und schießt sowohl Ecken, als auch Freistöße. Grenier passt perfekt zum neuen Spielertypus bei Lyon: Lange im Verein (seit 2001), gut ausgebildet und jung. Der Techniker muss körperlich noch zulegen, zu oft verliert er trotz seiner Größe (1,86 m) den Ball. Der Wert des momentan durch eine Schambeinreizung pausierenden Franzosen liegt mittlerweile bei zehn Millionen intern Platz zwei hinter Gonalons.

Yoann Gourcuff (27)

Offensiver Mittelfeldspieler, 17 Einsätze, Drei Tore

Der ewige Yoann. Der einst zum Nachfolger Zidanes ausgerufene Stratege wechselte 2006 zum großen AC Mailand, konnte dem hohen Druck aber nicht standhalten. Nach einem Hin und Her zwischen Mailand und Bordeaux sicherte sich 2010 Lyon für unfassbare 22 Millionen die Dienste des Regisseurs, der in die Fußstapfen von Juninho treten sollte. Gourcuff zeigte wechselnde Leistungen, die zwischen Weltklasse und totalen Schwächephasen pendelten. Der inzwischen bereits 27-jährige wurde immer wieder von Verletzungen zurück geworfen. In den letzten drei Spielzeiten, die aktuelle eingeschlossen, bestritt er nur 48 Spiele in der Liga. Dennoch ist er für die junge Mannschaft ein wichtiger Stabilisator, wenn er fit ist.

Alexandre Lacazette (22)

Stürmer, 30 Einsätze, 14 Tore

Der pfeilschnelle Stürmer ist in dieser Saison zum Star von Olympique geworden. Der ebenfalls seit elf Jahren beim Verein spielende Nationalspieler (Debüt 2013) hat in der laufenden Spielzeit bereits 14 Tore erzielt und damit das Interesse von Newcastle, Juve und Liverpool geweckt. Lacazette kann auch auf den Außenbahnen agieren und soll zusammen mit Umiti, Gonalons und Grenier die Achse der neuen Generation bilden. Der aus Guadelope stammende Mittelstürmer hat einen hervorragenden Instinkt, der ihm gemeinsam mit den Attributen Schnelligkeit und Technik Anlagen zu einem Weltklasse-Stürmer verleiht. Er muss an seiner Impulsivität arbeiten (zwei Platzverweise diese Saison).

Bafetimbi Gomis (29)

Stürmer, 27 Einsätze, 12 Tore

Der einst bereits zum Henry-Nachfolger ausgerufene Athlet wurde wie Gourcuff den Erwartungen nie komplett gerecht. Anders als der Zehner spielt Gomis aber konstant auf hohem Niveau und rechtfertigt so die 13,5 Millionen Euro, die Lyon 2010 an St. Étienne für seine Dienste zahlte. Gomis ist ein körperlich unglaublich guter Stürmer, der von seinen athletischen Fähigkeiten lebt und mit einer im Ansatz an den großen Weah erinnernden Explosivität ausgestattet ist. Gomis ergänzt sich gut mit dem agileren Lacazette und hat nur zwei Tore weniger als sein Nebenmann erzielt. Gomis, der 2013 zuletzt für Frankreich spielte, bindet immer einen oder gar zwei Gegenspieler und reißt so Lücken für Lacazette oder den nachrückenden Grenier.

Weitere Spieler

Im Tor steht der 24-jährige Portugiese Lopes, der überragende Reflexe und Mut im 1 gegen 1 zeigt, aber Probleme bei der Strafraumbeherrschung hat, was an seiner für einen Torhüter geringen Körpergröße liegt (1,84 m). Leistungsträger sind zudem Innenverteidiger Bisevac und der zentrale Mittelfeldspieler Jordan Ferri. Stürmer Nummer drei ist mit Jimmy Briand ein ehemaliges Rennes-Talent, das zwischenzeitlich sogar Länderspiele machte.

Lyons neue Generation zeichnet sich vor allem durch einen schier unendlichen Strom an Talenten aus. Eines davon ist Premium-Talent Yassine Benzia (Jahrgang 1994). Der algerisch-stämmige Stürmer gilt als eines der Talente im französischen Fußball und erzielte bisher zwei League 1 - Tore. Weitere junge Akteure mit viel Potential sind Rechtsverteidiger Mehdi Zeffane (21), Jugendnationalspieler Corentin Tolisso (19), Regisseur Fares Bahlouli (19) und Nabil Fekir (20). Von Olympique B und der U-19 kommen weitere talentierte Akteure nach. Clinton N'Jie (20), Romaric N'Gouma (19) und Zakari Labidi sind Beispiele für die exzellente Jugendarbeit. Zudem gilt Dorian Grange (17) als eines der größten Torhüter-Talente der Nation.

Der Trainer

Rémi Garde (48)

Als Spieler war Garde in den Achtzigern bei Lyon Führungsspieler und Teil der Aufstiegsmannschaft unter Raymond Domenech. Nach einer Station bei Racing Strasbourg holte ihn Arsène Wenger zu Arsenal London und machte ihn in England gleich zum Kapitän. Durch das Aufbrechen alter Verletzungsprobleme verlor er jedoch Form und Stammplatz bald wieder.

Der sechsmalige Nationalspieler war von 2003- 2006 Co-Trainer von Lyon und war an vier Meisterschaften direkt beteiligt. Anschließend war er führender Mitarbeiter der Scouting-Abteilung und Leiter des Nachwuchszentrums. Aulas wollte 2011 einen Trainer, der Lyon wieder eine Identität verleihen und mit jungen Spielern eine neue Ära beginnen würde. Da eignete sich niemand besser als Mr. Lyon persönlich. Nach einem vierten und einem dritten Platz ist Olympique derzeit Fünfter. Garde hat, fernab von der sportlichen Komponente, die Herkulesaufgabe bewältigt den Kader zu verjüngen und marode Elemente durch junge Spieler aus dem Nachwuchs zu ersetzen.

Er vertraut seinen Spielern und ist für viele der blutjungen Akteure wie eine Vaterfigur.So standen bei 2:1-Sieg gegen Nantes nach Ferris Einwechslung sieben Spieler aus dem eigenen Nachwuchs auf dem Platz. Vor wenigen Jahren ein undenkbares Szenario.

Taktisch setzt Garde meist auf ein 4-3-1-2-System. Vor der Viererkette mit offensiven Außenverteidigern, installiert der Trainer ein Dreiergespann, dessen Herzstück Gonalons ist, der meist von Fofana und Grenier/Ferri flankiert wird. Davor agiert Gourcuff als freier Spielgestalter und vorne sorgt das fluide Duo Lacazette und Gomis für Gefahr. Nachdem sich erst Gourcuff verletzte und dann auch noch Grenier, spielte Malbranque eine größere Rolle.

Der Trainer hat auch schon mit Grenier als Abwandlung einer falschen Neun, mit einem 3-5-2 und einer flachen Vier im Mittelfeld experimentiert. Egal, welches System der Taktiker aufbietet, er will seine Mannschaft schnell umschalten sehen und setzt oft auf Konter über Außen. Auch etwas, das neu ist in Lyon. Früher wollte man durch Ballbesitz dominieren, heute ist man eher der freche und junge Widersacher, der versucht die Großen zu ärgern. Und irgendwann will man dann wieder um die Champions League mit spielen. Aber das hat Zeit - denn die neue Generation ist blutjung.

KOMMENTARE
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bignax
20.04.2014 | 15:12 Uhr
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bignax : 
20.04.2014 | 15:12 Uhr
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bignax : 
Ganz starkes Porträt über eine ehemalige Großmacht im Fußball. Sehr informativ und wieder toll geschrieben.
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Ragnar_Lothbrok
23.04.2014 | 12:27 Uhr
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23.04.2014 | 12:27 Uhr
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Toller Blog. Vor allem für Leute wie mich, die die französische Liga nicht so gut kennen. Wusste nicht, dass Lyon sogar Nationalspieler hat.
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FCB_Supporter_NRW
25.04.2014 | 11:00 Uhr
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25.04.2014 | 11:00 Uhr
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Sehr guter Blog, bei Lyon wächst langsam etwas gutes heran.

Leider wird man dieses Jahr wohl die CL-Quali verpassen, aber die Zukunft sieht sehr rosig aus.
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