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22.10.2009 um 23:32 Uhr
Die Raute
In meinem heutigen Blog möchte ich mich mit dem Spielsystem "Raute", sprich dem 4-1-2-1-2 auseinandersetzen. Der Grund für mein Interesse an diesem Spielsystem ist, dass sie von vielen Trainern, vor allem in der Bundesliga, genutzt wird. Hierbei gibt es wirkliche "Liebhaber" der Raute (Schaaf, Magath), und auch diejenigen, die in Krisenzeiten zu diesem vergleichsweise sehr einfachen System wechseln (Babbel, van Gaal). Warum die Raute das meiner Meinung nach einfachste Spielsystem ist, und warum es von vielen Trainern gespielt wird, versuche ich in diesem Blog zu erklären.

Die Grundformation der Raute

Eine wesentliche Rolle kommt bei dem 4-1-2-1-2 den Außenverteidigern zu, ähnlich dem 4-3-3. Bei Ballbesitz schieben sie weit nach vorne, praktisch jeder Angriff läuft über sie. Dabei ist besonders wichtig, dass ihnen möglichst viele Anspielstationen geboten werden, und dies ist beim Rautensystem wie bei keinem anderen System gegeben:

Als direkte Anspielstationen für das Offensivspiel dienen der defensive Mittelfeldspieler, der jeweilige Spieler auf der Außenposition im Mittelfeld, sowie der Spielmacher (10er). Dabei ist es wichtig, ob der Trainer ein enge Raute (häufig) oder eine breite Raute (seltener) spielen lässt. Bei der engen Raute, wie sie z.B. die Bremer spielen, sind die Außenpositionen im Mittelfeld so genannte Halbpositionen (8er). Sie spielen, wie der Name schon sagt, halb zentral und halb Außen. Sie dienen den Außenverteidigern als Anspielstationen, machen aber auch gleichzeitig den Platz frei für die Außenverteidiger, die dann in den freien Raum stoßen. Durch die sehr offensiven Außenverteidiger entsteht ein 6er- Mittelfeld, durch das es im Angriff viele Anspielmöglichkeiten- und Optionen gibt. Wobei der Außenverteidiger, der nicht direkt am Angriff beteiligt ist, je nach Ausrichtung des Trainers, sich wieder in die Abwehrreihe einordnen kann.

Durch diese extrem offensive Ausrichtung entsteht das Problem, dass sich bei Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung nur noch 2 Verteidiger hinten befinden, dazu meistens der defensive Mittelfeldspieler. Das Spielsystem Raute ist bei Kontern extrem anfällig, weil sich die Außenverteidiger so weit vorne aufhalten, dadurch entstehen bei schnellem Spiel leicht Überzahlsituationen für die Kontermannschaft.

Offensivformation, aus der Reihe von Andreas Renner auf SPOX

Ein grundlegender Spielzug beim Rautensystem besteht darin, mit einem der Außenverteidiger "hinter" die Abwehr zu kommen, sodass der Verteidiger zur Grundlinie gelangt, um von dort scharf in die Mitte abzulegen oder in den Rücken der Abwehr zu spielen. Dort kommt der Spielmacher ins Spiel, der den startenden Außenverteidiger im richtigen Momente einsetzen muss, sodass dieser einen Vorsprung durch sein Tempo hat, allerdings nicht im Abseits stehen darf.

Auffällig am 4-4-2 mit Raute ist, dass die Stürmer sich wenig am Spielgeschehen beteiligen, sie haben wenige Ballkontakte. Sie kommen normalerweise erst ins Spiel, wenn der Ball in Tornähe ist. Anders als bei der "Doppel-6" muss sich kein Stürmer fallen lassen, um den Spielmacher zu geben, denn dieser ist bereits vorhanden. Dadurch ist man in der Defensive weniger kompakt, weil es wenige Spielmacher gibt, die wirklich defensivstark sind. Aber im Angriff entsteht ein zusätzliche Option, weil man nicht einen halben Stürmer im Spielaufbau verliert. Beispielhaft sind die Bremer, die in Pizarro den praktisch perfekten Stoßstürmer haben, dazu in Marin einen sprint- und dribbelstarken Stürmer, der meistens über die Außen kommt.

Ich denke, der Grund für die Beliebtheit dieses Spielsystems ist, dass es sehr einfach zu spielen ist, weil jeder Spieler eine klare Aufgabe und Position hat, und es kaum Verschiebungen gibt, sodass jeder Spieler sich auf seine Aufgabe konzentrieren kann. Eine besonders wichtige Rolle kommt, wie im 4-3-3, den Außenverteidigern zu, sie sind an praktisch jedem Angriff beteiligt. Ihnen gehören die Außenbahnen, sie bekommen Unterstützung von den Spielern auf den Halbpositionen und dem Spielmacher, auch der defensive Mittelfeldspieler ist meistens anspielbereit. Bei den meisten Mannschaften mit Raute haben auch die Außenverteidiger die meisten Ballkontakte. Eine Ausnahme bildet Wolfsburg, bei denen meistens Misimovic die meisten Ballkontakte hat.

Wie spielt man am Besten gegen die Raute?

Wichtig ist, dass man dem Spielmacher keinen Raum gibt, denn er hat bei Ballbesitz 4 Anspielstationen, die zu akuter Torgefahr führen. Eine weitere Maßnahme wäre, den Gegner früh unter Druck zu setzen, sodass die Gegenspieler kein Tempo entwickeln können. Hierbei ist das Risiko allerdings ziemlich groß, weil man schnell überlaufen werden kann, wenn man nicht 100%ig aufmerksam ist. Deswegen besteht eine weitere Möglichkeit sich in die eigene Hälfte zurückzuziehen, und somit die Räume sehr eng zu machen. Auch so kann man das Tempo aus den gegnerischen Angriffen nehmen, und bei Kontern ist die gegnerische Abwehr sehr weit aufgerückt, und die oben genannten Problemzonen können genutzt werden.

Insgesamt muss man sagen, dass die Raute ein sehr einfaches Spielsystem ist, man braucht nicht viel Übung oder Trockenübungen, um dieses System spielen zu können, denn es gibt klare Aufgabenverteilungen, wenig Verschieben bei Ballgewinn, und klaren Positionen für die Spieler. Deswegen ist die raute ein beliebtes System, wenn ein anderes System nicht den gewünschten Erfolg bringt (Stuttgart, Bayern). Auch Thomas Schaaf ist zur raute zurückgekehrt, obwohl er zu Beginn der Saison von seiner Lieblingsformation Abschied nehmen wollte, weil er mit der Anzahl der Gegentore nicht zufrieden war. Doch auch Bremen ist letztendlich wieder bei der Raute gelandet, weil hier "die Automatismen greifen", weil die Mannschaft an dieses System gewöhnt ist.

Das war mein Blog zum 4-4-2 mit Raute, ich hoffe er hat Euch gefallen. Bewertungen und Anregungen sind ausdrücklich(st) erwünscht.

Aufrufe: 31971 | Kommentare: 47 | Bewertungen: 32 | Erstellt:22.10.2009
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KOMMENTARE
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Realmadrio
23.10.2009 | 22:53 Uhr
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Realmadrio : 
23.10.2009 | 22:53 Uhr
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Realmadrio : 
@taktiker: ich empfehle dir keinesfalls Spiele der Französischen Nationalelf anzugucken. Was Domenech mit der angestellt hat ist Graupenkick auf höchstem Niveau, da frankreich mit DEM spielermaterial schon längst qualifiziert sein müsste. zudem spielt domenech inzwischen keine raute mehr.
Was ich meinte waren die Franzosen von 1998 bis eigentlich 2002. Die spielten die Raute sehr erfolgreich und auch schön offensiv und torgefährlich.

In der Priméra Division wird die Raute kaum angewandt. Die häufigste Formation ist das 4-4-2 mit Doppel-6.

In England kenne ich mich nicht so gut aus, aber seit Ancelotti Trainer ist spielt Chelsea die Raute und das sehr erfolgreich. In Italien ist sie sogar sehr häufig anzutreffen und zu behaupten die Italiener ständen den anderen Topligen aus England oder Spanien taktisch in irgendwas nach ist Schwachsinn.

Milan spielte gegen Madrid eine defensive Raute mit Pirlo als 6er, Seedorf und Ambrosini auf den Halbaußen-Positionen, Ronaldinho im OM und Pato und Inzaghi im Sturm.

Generell ist diese Formation auch in der Nationalmannschaft der Italiener sehr oft angewandt und auch Juventus und Inter wählen dank dem überangebot im zentralen Mittelfeld diese Formation.

Italienische Form der Raute
_______TW______
AV___IV___IV___AV
_______DM______
___ZM______ZM__
________________
_______OM______
___MS______MS__

Die ZM sind also leicht vor dem 6er und auch für den Spielaufbau zuständig. Im Angriff ziehen sie aber gerne auf die Außen. In der Defensive sind sie sehr zentral. Was zu einer Dreierkette vor der Abwehr führt, die Ballorientiert verschiebt und so die Räume sehr eng macht. Die Spielmacher und Stürmer sind hier nie zu Defensiv-Aufgaben eingeteilt. Die Stürmer warten an der Mittellinie, der 10er zwischen 16er und Mittellinie und dient bei Ballgewinn oft als erste Anspielstation, er muss technisch beschlagen sein (Diego, Ronaldinho, Sneijder ) und den Ball sichern. über die wird ZM dann der Spielaufbau unternommen.

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Taktiker
23.10.2009 | 23:22 Uhr
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Taktiker : 
23.10.2009 | 23:22 Uhr
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Taktiker : 
@realmadrio

Auch ich sprach von der alten Mannschaft, von der du geschwärmt hast... Gibt ja Videos und DvD's...

Ansonsten find ich's immer gut, wenn über Taktik diskutiert wird, weil darüber wird wirklich nicht häufig diskutiert, die defensive raute habe ich auch beobachtet, bei Juve gegen Bayern...sie macht auf jeden Fall Sinn, wenn man zum Beispiel auswärts ran muss, erstmal hinten sicher stehen will.

Alleridngs ist es meiner Meinung nach keine Dauerlösung, mit nur 3 nominellen offensiven Spielern zu spielen, finde ich shcon arg wenig...
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Realmadrio
24.10.2009 | 00:36 Uhr
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Realmadrio : 
24.10.2009 | 00:36 Uhr
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Realmadrio : 
Die Italiener machen das ja nicht erst seit neuestem so und sie haben mit dieser Formation auch viele Erfolge gefeiert. zB WM 06. Klar über die Attraktivität ihres Spiels kann man streiten, aber ansonsten machen sie ihren Job schon richtig gut. Aber sowas geht auch mMn nicht von heute auf Morgen. Man muss für die italienische Spielweise schon taktisch sehr gute Spieler zur Verfügung haben und das haben sie ja, weil sie wahrscheinlich schon in der Jugend genau auf soetwas achten.
In der Liga lassen sie dann die offensiven Positionen, vA den 10 er gerne von Ausländern übernehmen (wie gesagt: Diego, Ronaldinho oder Sneijder), die sich hinten um Nichts Gedanken machen müssen und so vorne alle Freiheiten haben sich zu entfalten.
Durch Spieler wie eben Kaka oder auch Zinedine Zidane früher als 10er reichten 3 Spieler um vorne richtig Druck zu machen. Darin ist auch der große Erfolg der italienischen Vereine in den letzten Jahren begründet. Im letzten Jahr gab es da eine Durststrecke, aber durch Sneijder und Diego haben Juve und Inter zB wieder Spieler für hinter die Spitzen, die auf sehr hohem Niveau spielen und da lassen auch die Erfolge nicht lange auf sich warten.
Deshalb erwarte ich auch nicht das Deutschland Italien in der 5-jahreswertung in naher zukunft überholt...
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Taktiker
24.10.2009 | 09:34 Uhr
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Taktiker : 
24.10.2009 | 09:34 Uhr
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Taktiker : 
Es wird schwer, aber wie jedes Jahr kann Deutschland die Punkte wieder nur durch die Euro-League holen, da sehe ich durchaus Chancen, mit Hamburg und Bremen. Allerdings glaube ich dieses Jahr nicht dran, wäre schon gut, wenn wir den Rückstand halten würden.
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Poolian
24.10.2009 | 17:45 Uhr
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Poolian : Interessant
24.10.2009 | 17:45 Uhr
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Poolian : Interessant
Laut DFB ist das 4-4-2 mit Raute das ausgeglichenste System. Es ist aber Maßgeblich abhängig von den zentralen Positionen im Mittelfeld der 6 und der 10. Dazu sind im offensiven Moment die Positionen 2 und 3 also die Außenverteidiger sehr wichtig, da diese praktisch zu Außen im Mittelfeld bzw. sogar zu Außenstürmern im klassischen Sinne, also zu einer alten 7 bzw. 11 werden.
Je nach dem welche Stärken man als Gegner hat eignet sich ein auf Ballbesitz ausgelegtes 3-5-2 mit doppel 6 oder ein 4-3-3 mit zwei halbaußen Offensiven also sogenannten modernen 8ern als Schlüssel gegen dieses System. Wichtig ist dabei, das die Stürmer im 4-3-3 durch ständige Bewegung die ballorientierte Raumdeckung der 4er Kette des 4-4-2 aushebelt und oder im 3-5-2 die beiden Außen im Offensivmoment als Außenstürmer fungieren und die 4er-Kette damit in Manndeckung zwingen und somit unwirksam machen. Ohne die 4er-Kette ist das 4-4-2 praktisch geschlagen.
Bei all dem ist das System alleine natürlich tktisch nur eine Nebenerscheinung, wichtiger sind Individual-, Gruppen- und Mannschaftstaktik, dies zu erklären würde jetzt aber den Rahmen sprengen!
Soll aber nicht abwerten klingen: 9/10 Punkte! Gelungene Erklärung!
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Taktiker
25.10.2009 | 08:33 Uhr
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Taktiker : 
25.10.2009 | 08:33 Uhr
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Taktiker : 
@Poolian

Da hast du recht, wenn man die zentralen Spieler aus dem Spiel nehmen kann, hat man schon die halbe Miete. Deine Ausführungen zu den bestn Systemen gegen die raute sind auch sehr interessant, alleridngs glaube ich kaum, dass sich viele Mannschaften nach der Aufstellung oder dem System des Gegners richten, vielmehr wird das wohl von den Einzelkönnern abhängen...
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Zarathustra
26.10.2009 | 11:04 Uhr
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26.10.2009 | 11:04 Uhr
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Sehr schön. Ich finde Deinen Aufbau sehr gelungen - vor allem, dass du am Ende erklärst wie man am besten gegen die Raute spielt.
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