Nachdem ich in den letzten Tagen gefühlte 1000 Blogs zum FC Bayern etc. gelesen hatte, dachte ich mir: Ich vermisse in letzter Zeit Blogs, die über nicht so gängige Themen berichteten. Vielleicht geht es dem ein oder anderen ja auch so.

Daher hab ich mir meinen halbjährigen Schwedenaufenthalt zum Anlass genommen, einen Blog über den schwedischen Fußball und insbesondere den schwedischen Vereinsfußball zu schreiben. Schweden (?), werden sich jetzt einige denken? Ist das nicht das Land, wo die hübschen Blondinen herkommen? Ja, das kann ich bestätigen wie auch die Tatsache, dass ihre Kleidung bei sonnigen 15 Grad etwa der entspricht, die deutsche Frauen bei 35 Grad zu tragen pflegen.

"Ah", werden sich jetzt einige denken. Schwedische Fußballer, da kenn ich doch welche. Ist nicht dieser Ibrahimovic, trotz seines Namen Schwede? Und dieser Neuzugang den der HSV sich geholt hat ist doch Schwede. Richtig, das ist Marcus Berg, seines Zeichens Torschützenkönig der U21-EM und der einzige Grund weswegen in schwedischen Zeitungen auch über die Bundesliga berichtet wird. Und gibts da auch nicht Markus Rosenberg, und ach ja Olaf Melberg...?
Alles richtig. Nach etwas überlegen, fallen einem eine Menge (einigermaßen) bekannter schwedischer Fußballer ein. Und auch die Nationalmannschaft wird vielen durch ihre 1/8 Finaleteilnahme an der WM 06, ihre ¼ Teilnahme bei der EM 04 oder durch den 3.Platz bei der WM 1994 (mit dem jungen Rastalockentragenden Henrik Larsson) in Erinnerung sein.

Aber wie schaut es denn aus mit den schwedischen Klubmannschaften?

Kurz gesagt: Nicht gut! Der letzte Klub, der in der CL spielte war der Helsingborg IF (übrigens der aktuelle Verein des Oldie Larsson) im Jahre 2000/01. Erfolglos schieden sie als Gruppenletzter aus, waren aber der einzige Verein, den die Bayern in diesem Jahr zu Hause nicht besiegen konnten.

Doch wie kommt es, dass die Nationalmannschaft recht erfolgreich ist, die Vereine jedoch nichts zu Stande bringen? Hierzu werde ich etwas weiter ausholen.

Ein Gang durch die Geschichte

Glaubt man meinem Nachbarn, wurde der beste Fußball in Schweden von 1945 bis ca. 1960 gespielt. Dies verwundert nicht, hatte das neutrale Schweden, kaum Schäden vom Kriege davon getragen und konnte sich damit auch stärker als andere Länder dem Vergnügen widmen (vor allem wirtschaftlich-->Sponsoren, einheitliche Liga etc.). Da damals die internationalen Vereinswettbewerbe noch nicht existierten oder in den Kinderschuhen steckten, und der Legionär sich im Fußball erst langsam (jedoch unaufhaltsam - doch dazu gleich mehr) durchsetzte, kann man für diese Zeit durchaus die Erfolge der Nationalmannschaft als Indikator für die stärke der Allsvenskan nehmen. Bei den olympischen Spielen 1948 holte man die Goldmedaille, 1952 die Bronzemdaille und bei der WM 1950 in Brasilien belegte man den 3. Platz. Die Allsvenskan erfreute sich großer Beliebtheit und durchschnittliche Zuschauerzahlen von 12.000 pro Spiel belegen die Attraktivität der heimischen Liga.
Bei der WM 1958 im eigenen Land konnte man zum letzten Mal für lange Zeit einen Erfolg feiern. Erst im Endspiel unterlag man Brasilien mit den Stars Pele und Garincha. Dies ist bis heute das einzige Mal, dass ein nichteuropäisches Land in Europa Weltmeister werden konnte. Aber 1958 war bereits die Nationalmannschaf das einzige Aushängeschild des schwedischen Fußballs, denn die besten Fußballer spielten bereits im Ausland (bes. Italien). Im Halbfinale schlug man übrigens Deutschland in einem hart geführten Kampf auf und abseits des Platzes mit 3:1. Die Tatsache, dass die schwedischen Fans in "der Schlacht von Göteborg" "unfairerweise" von Einpeitschern zum Anfeuern (Heja, heja) animiert und der "Oldie" Fritz Walter kaputt getreten wurde (Auswechslungen waren damals nicht erlaubt) führten in der deutschen Presse zu Anfeindungen gegenüber Schweden.
Die Saar-Zeitung schrieb damals: "Es ist der Hass eines Volkes, dem man das Schnapstrinken verbieten muss, weil es sonst zu einem Volk von maßlosen Säufern würde."
Dies trug unter anderem auch zu dem Gerücht bei, die Schweden seien ein stark trinkfreudiges Volk, dem ich hier entschieden widersprechen will. Bei den Alkoholpreisen (Bier > 5 Euro) macht das Trinken keinen Freude.

Der schwedische Vereinsfußball sorgte in den 60er und 70er Jahren international nicht für Aufsehen. Schuld trägt daran unter anderem das beständige Festhalten am Amateurstatus (bis 1967), sodass die besten Spieler den Weg ins Ausland suchten. Erst Ende der 70er Jahre, als man anfing Geld in die Vereine zu stecken um die besten Spieler zu behalten, konnte Erfolge gefeiert werdeb. Der Malmö FF scheiterte 1979 erst im Finale der Landesmeister an Notthingham Forest und 1982 holte der IFK Göteborg als erster schwedischer Verein unter ihrem damaligen Trainer Sven-Göran Eriksson, einen internationalen Titel – den UEFA-Cup. Dieses Kunststück konnte Göteborg 1987 wiederholen. Zwar verließen weiterhin viele gute Spieler die Liga doch bis in die 90er Jahre sorgten schwedische Vereine punktuell für Aufsehen. So war es wiederum Göteborg die 1995 im 1/4Finale der CL nur knapp dem FC Bayern unterlag.

Der schwedische Fußball nach 1995

Doch mit dem Bosman-Urteil von 1995 und dem gleichzeitigen EU-Beitritts Schweden änderte sich einiges. Wie viele andere kleine Ligen, Beispiel Holland (wenn auch die Ehrendivision immer stärker war und ist als die Allsvenska), hatte die schwedische mit einem wahren Exodus ihrer Spieler zu kämpfen. Da Schweden durch ihre nahezu perfekten Englischkenntnisse (da ausländische Filme nur untertitelt und nicht synchronisiert werden spricht jeder Straßenfeger ausgezeichnet Englisch) sehr anpassungsfähig sind, sind sie im Ausland gern gesehen. Zudem hat die Allsvenskan mit dem Nachteil der Kalendersaison zu kämpfen. Der Ligabetrieb beginnt im März und endet im Oktober. Der schwedische Meister von 2007 z.B. spielt um die CL-Plätze erst im Herbst 2008. Bis dahin spielen die ehemaligen Säulen der Mannschaft längst in England, Deutschland, Holland etc.

Das Niveau der schwedischen Liga entspricht ungefähr dem der 2. Bundesliga. Versuche, die Vereine mit 4.klassigen Brasilianern oder Osteuropäern zu verstärken, scheiterten. Dafür ist die Liga aber sehr spannend. Würden meine Löwen hier mitspielen, wären sie neben den aktuellen 5 Mannschaften die um den Meisterschaftstitel spielen, sicher auch ein Meisterschaftskandidat.

Somit müssen die Schweden weiter auf ihre Nationalelf hoffen. Da die WM 2010 in etwa soweit weg ist, wie Real Madrid von einer Riberyverpflichtung, gilt das Augenmerk nun der EM 2012. Der Zug für schwedische Vereine jedoch ist durch die aktuellen Umstände abgefahren. Will man auf Vereinsebene wieder für den ein oder anderen Lichtblick sorgen, sollte die Jugendarbeit stärker angepackt werden (anstatt den 9.000 Brasilianer nach Europa zu holen) und der Saisonbeginn/ende auf den europäischen Standard gebracht werden.