Edition: Suche...
24.05.2010 um 22:34 Uhr
Der kreative AV - Vorbild FCB
Nun hat der FC Bayern das Champions-League-Finale gegen Inter Mailand verloren. Alle Welt redet nun vom gewieften Taktikfuchs Mourinho, seiner ausgeklügelten Defensiv-Taktik und seinen klugen Schachzügen, die ihm und seiner Mannschaft letztlich zum CL-Sieg verholfen haben.

Doch auch sein Gegenspieler im Finale, Louis van Gaal, gilt als ausgewiesener Taktikexperte. Allerdings ist van Gaal eher bekannt für langfristiges Arbeiten mit einer Mannschaft, konzeptionellem Fußball, wohingegen Mourinho bewundert wird für perfekte Maßnahmen vor und während des Spiels. Van Gaal ist überzeugt von seinem Konzept und will sein Spiel durchbringen, er stellt seine Mannschaft nur geringfügig auf Stärken und Schwächen des Gegners ein, er will agieren, Mourinho reagieren.

Aus der relativ verkorksten Hinrunde, vor allem bis zum Juventus-Spiel, zog van Gaal die nötigen Schlüsse und wechselte zwar nicht das gerade erst eingespielte 4-4-2/4-2-3-1-System, dafür aber veränderte er die Rollen und die Ausrichtung zweier Spieler, nämlich die des LV und eines DM (Schweinsteiger).

Hierfür zog van Gaal den LV, meistens Badstuber oder Contento, mindestens 15 Meter nach vorne. So zieht dieser Spieler den gegnerischen Flügelspieler zwangsläufig mit, und es entsteht ein weiter Raum. Dort spielt im Aufbau Schweinsteiger, der eigentlich im defensiven Mittelfeld zu Hause ist. Er spielte gerade in den letzten Spielen wirklich einen klassischen LV, nach Anspiel trug er den Ball dann allerdings höchstpersönlich ins Mittelfeld, und das beinahe mit einer 100%igen Erfolgsquote. Statt des gefährlichen Anspiels eines DM mit dem Rücken zum Gegner, kann Schweinsteiger den Ball nun ins Mittelfeld tragen, dies bringt dem FCB mehr Sicherheit, und eine stärkere Präsenz im Mittelfeld. Grafisch sieht diese taktische Maßnahme dann so aus:


Der LV zieht deutlich nach vorne und zieht seinen Gegenspieler mit, so entsteht Raum für den DM (Nr.6) der sich nun auf die LV-Position fallen lässt.


Nachdem der nominelle DM den Ball erhalten hat besitzt er vor sich einen großen Raum in den er nun den Ball tragen kann, die erste Hürde im Spielaufbau ist denkbar einfach genommen.

Diese eigentlich recht simple Änderung könnte allerdings als Wegweiser für die nächste große taktische Veränderung im europäischen Spitzenfußball dienen. In dieser Saison haben sich die torgefährlichen, in die Mitte ziehenden Flügelspieler endgültig auf höchstem Niveau durchgesetzt. Gleichzeitig bedeutet dies für die Außenverteidiger, dass sie die gesamte Außenbahn zu beackern haben, weil sie die einzigen klassischen Flügelspieler sind, die mit ihrem starken Fuß ohne Probleme flanken können. Doch gleichzeitig zu den immer offensiveren und immer schnelleren Außenverteidigern ist zu beobachten, dass diese Spieler auch immer kreativer werden. Weil sie die einzigen Spieler auf dem Platz mit Raum und Entfaltungsmöglichkeiten sind, kommt ihnen eine immer größere Aufgabe im Spielaufbau und Angriffsspiel zu.

Nun zeichnet sich langsam ab, dass es einen Gegenentwurf zu dem physisch starken Außenverteidiger geben wird. Dieser Gegenentwurf zielt nicht auf Flankenläufe, sondern auf einen besseren Spielaufbau hin. Das Ganze sähe dann so aus, dass der Außenverteidiger den Ball wie gewohnt von den Innenverteidigern bekommen würde, dann allerdings nicht den Pass in die Mitte spielen oder die Außenlinie entlang gehen würde, sondern selber ins zentrale Mittelfeld vorstößt und dann von dort das Angriffsspiel hilft aufzubauen.

Optimal wäre natürlich eine Vermischung der beiden Außenverteidiger-Typen. Also eine Art kreativer, aber lauf- und zweikampfstarker Spieler, der außerdem gut flanken und passen muss. Jetzt ist natürlich die Frage, welcher Spieler aus dem aktuellen Spitzenfußball diese Rolle voraussichtlich gut ausfüllen könnte. Wenn wir bei der Suche gleich beim FC Bayern bleiben und lediglich die Seite wechseln, kommen wir zu Philipp Lahm. Er ist meiner Meinung nach geradezu prädestiniert für diese Aufgabe. Schnelligkeit, Intelligenz, kluges Passspiel, vorausschauendes Denken, dazu die typischen Flankenläufe und Läufe hinter die Abwehr zeichnen ihn aus. Trotzdem habe ich immer das Gefühl, dass Lahm in seiner aktuellen Rolle ein Stück weit verschenkt ist. Im Spiel gegen England 2007 bekam man schon einen Eindruck, wie wirkungsvoll Lahm auch in einer zentralen Rolle auf dem Platz sein könnte. Eine Kombination aus Außenverteidiger und kreativem zentralen Mittelfeldspieler würde Lahms Stärken noch mehr zur Geltung bringen und dem FC Bayern eine ganze Reihe an neuen Möglichkeiten bescheren.

Diese Maßnahme würde auch eine Versetzung Lahms nach links wieder sinnvoller machen. Jeder Experte lobte sein gefährliches und schwer zu berechnendes Reinziehen von links. Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass Lahm zwar immer gefährlich aber nur selten effektiv war mit seiner Spielweise. Er hat einfach nicht den typischen Schuss eines hereinziehenden Flügelspielers. Würde Lahm jetzt nicht kurz vorm Strafraum, sondern beispielsweise schon im Mittelfeld den Weg in die Mitte suchen, dann ergäben sich ihm eine Palette an neuen Möglichkeiten. Der Pass in die Spitze, auf die Nebenmänner aus dem zentralen Mittelfeld, der Flankenwechsel und quasi der Zick-Zack- Weg zurück auf die Flügel.



Die Folgen dieser Änderung wären vielseitig und gravierend. Zum einen würde diese Spielweise ein Stück weit den reinziehenden offensiven Flügelspieler sinnlos machen, denn wie man in der Grafik sieht, ist die Nummer sieben beim Anspiel schon hinter die Abwehr gelangt, jetzt würde sich der stärkere linke Fuß bei einer Flanke oder Hereingabe bezahlt machen. Also könnte es sein, dass der hereinziehende Spieler nicht mehr im offensiven, sondern im Defensiven Bereich zu finden ist. Dies hätte darüber hinaus ein Übergewicht der angreifenden Mannschaft im zentralen Mittelfeld zur Folge, eine Tatsache, die im Spitzenfußball gravierende Folgen hat.

Tatsächlich entwickelt sich der Fußball immer mehr in die Richtung des aus den Niederlanden bekannten Totaal Voetbal. Alle verteidigen, alle stürmen. Die Konsequenz der hereinziehenden AV würde sein, dass die verteidigende Mannschaft noch stärker versucht alle Mann hinter den Ball zu bekommen, um die numerische Überzahl im Mittelfeld auszugleichen. Also müsste der Stürmer noch mehr nach hinten arbeiten, was dann wieder mehr Platz für die Innenverteidiger zur Folge hätte, die dann eines klassischen Liberos gleich ins Mittelfeld marschieren könnten und so wieder eine neue Situation entstünde...
Aufrufe: 13487 | Kommentare: 46 | Bewertungen: 45 | Erstellt:24.05.2010
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KOMMENTARE
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mrpink27
26.05.2010 | 08:50 Uhr
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mrpink27 : @miga
26.05.2010 | 08:50 Uhr
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mrpink27 : @miga
ich wollte nur sagen, dass es darauf ankommt wieviel Raum vor dem Einrücken zur Verfügung steht (ähnliche Überlegung wie Realmadrio).

Was will ich mit dem Einrücken erreichen, Überzahlsituationen oder Bewegung.
Wenn ich im Mittelfled schon mehr Spieler habe als der Gegner, lohnt sich dann ein Einrücken? Soetwas ist ja auch von der Qualität meiner Spieler und der Gegenspieler abhängig. Wenn meine z.B. 2 ZM genug Raum haben um den Ball zu kontrollieren, dann brauche ich nicht einrücken. Spiele ich im Zentrum 2 gegen 3, 2 gegen 2, 3 gegen 3, 3 gegen 2 oder sogar mit 4 Mann (Raute).
Dass ein DM evtl. seine Position verlässt, um entweder nach hinten abzusichern, oder einfach um einen Gegenspieler vom AV weg zu ziehen, ist ja nichts ungewöhnliches. Durch diese Bewegung kann ich auch Überzahl im Mittelfeld erzeugen.
Ich hatte auch schon angesprochen, dass dieser Positionstausch nicht die erste Wahl zur Spieleröffnung sein sollte. Zum einen weil AVs schnell sind und meistens auch körperlich im Nachteil zum ZM, und weil ZMs eher Ausdauer und keine Schnelligkeit besitzen und ihre Statur auf den Flügeln weniger nützlich ist.
Bei dieser ganzen Verschieberei darf man nicht vergessen, dass die Spieler dem System dienen sollen und ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden sollten. Wenn man Lahm nach Innen ziehen lässt nur weil er das gut kann ist das der falsche Weg, denn es bringt evtl. ein Ungleichgewicht ins System. Wie gesagt, entweder hat man eine Lücke hinten rechts / links oder man hat einen Spieler dort, der die Position nicht gut ausfüllt.
Da diese Idee für die Spieleröffnung gedacht ist, schließt sich ein glechzietiges Einrücken beider AVs aus. Denn es geht ja um das Einrücken mit Ball am Fuß.
Der Eingangspunkt des Themas war ja Schweinsteiger, der gegen Inter auf die LV Position ging um sich dort anspielen zu lassen. Also genau der umgekehrte Fall, ein Spieler verlässt das Zentrum um an ruhigerer Position den Ball zu kontrollieren und das Spiel zu eröffnen.
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mrpink27
26.05.2010 | 09:08 Uhr
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mrpink27 : @taktiker
26.05.2010 | 09:08 Uhr
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mrpink27 : @taktiker
Für mich ist das ein 3-4-3 mit Raute (ist ja egal wie man es nennt). Mit solchen Systemen sind die Spieler gut auf dem Feld verteilt. Es kommt jetzt darauf an ob der Gegner 4-2-1-3 oder 4-2-3-1 spielt, also wieviel Defensivarbeit die Außenstürmer machen, wenn der Ball die Verteidiger verlässt und somit das erste Pressing überwunden ist.

Einen entscheidenen Nachteil hat das Einrücken des AV allerdings. Auf außen hat er in der Regel viel Platz, gerade gegen defensivere äußere Mittelfeldspieler, im Zentrum gibt er diesen Raum evtl. auf.

@hiphopheike

Beim Einrücken, aber auch beim Vorrücken (also bei jeder Offensivaktion) eines Außenverteidigers verschiebt sich die verblieben Abwehrreihe. In den Bildern: Die 4 und die 5 gehen nach links und die 2 (oder ein DM) rückt ein. Da man selbst in Ballbesitz ist und auch weil der Ball auf der linken Spielfeldseite ist muss der LA des Gegners nicht eng gedeckt werden.
Die verbleibende Reihe aus LIV - IV - RIV muss nur den Raum decken in den die langen Pässe bei Kontern laufen würden. Da ist natürlich wieder die Frage ob der Gegner mit zwei oder einem zentralen Stürmer spielt.
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Taktiker
26.05.2010 | 13:40 Uhr
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Taktiker : 
26.05.2010 | 13:40 Uhr
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Taktiker : 
@mrpink

Ich denke es sollte nicht die erste Wahl zur Spieleröffnung sein. Hat der AV auf außen Platz, den er bei einem Anspiel nutzen kann, ist es sinnlos ihm diesen Vorteil zu nehmen. Lahmt allerdings der eigene Spielaufbau, und die AV werden von den gegnerischen Flügelspielern sowieso nach innen gestellt, weil sie wissen, dass der AV am liebsten außen vorbeigeht, dann macht es durchaus Sinn.

Das müsste man dann im Spiel entscheiden, aber es könnte eine taktische Überlegung gegen gut stehende Mannschaften sein, die allerdings den ersten Pass ins Mittelfeld sofort zu unterbinden versuchen.
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miga
26.05.2010 | 15:10 Uhr
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miga : 
26.05.2010 | 15:10 Uhr
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miga : 
@mrpink

dann verstehen wir uns ja

@taktiker
ja das behaupte ich mal ganz frech, dass die sich so schnell darauf einstellen können Mein Traum wären Rochaden der Außen und Positionswechsel zusätzlich zum, wie du es nanntest, Zick-Zack-Aufbau. Dieses 4-2-4-0

Ich glaube aber du hast mich in der Hinsicht falsch verstanden, dass ich glauben würde der einrückende AV wäre eine schlechte Idee. Hatte doch geschrieben dass ich es für einen sehr interessanten Denkansatz halte.
Ich hab eigentlich nur darstellen wollen was ich bei dieser Variante kritisch sehe und das versucht anhand eines Bsp zu erklären.
Wäre ja super eine Mannschaft zu sehen die alle diese Varianten im Repertoire hat.
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Taktiker
26.05.2010 | 15:37 Uhr
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Taktiker : 
26.05.2010 | 15:37 Uhr
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Taktiker : 
Ja das wäre eine traumhafte Vorstellung.

Wenn du das nciht so meintest dann hab ichs wirklich falsch verstanden. Aber wenn ich daran denke, wie oft die wirklich guten Spieler selbst gegen so genannte Weltklasse-Verteidiger vorbeikommen, denke ich, dass dieser schwierige und relativ einfache Zug in die MItte in einem nicht gerade überfüllten Bereich des Platzes zumindest über einen Zeitraum von einer Halbzeit selbst gegen die stärksten Teams effektiv wäre.

Denn wenn die Gegner dann den Weg in die Mitte besonders stark zustellen, oder gar den Pass auf den AV verhindern wollen, ergeben sich neue Räume für andere Spieler, das greift alles ineinander. Erst ein wirklich guter Trainer könnte dann ggf in der Halbzeit oder eventuell im Spiel effektive Veränderungen vornehmen...
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tobse
27.05.2010 | 14:46 Uhr
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tobse : 
27.05.2010 | 14:46 Uhr
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tobse : 
super blog !

nur der Flankenwechsel (Bild 3) ist mit zu hohem Risiko verbunden!


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