28.06.2012 um 12:39 Uhr
Der italienische Löwe
"I LEONI SIAMO SIAMO NOI !" titelte eine italienische Tageszeitung nach dem Spiel gegen die Briten, das die Italiener erst im Elfmeterschießen für sich entscheiden konnten. Natürlich und traditionell sehr patriotisch unterstützen die Tifosi ihre Azzurri. Vor dem Halbfinalmatch ist aber doch vor allem der ältere Fan zu einem differenzierten Urteil imstande.
Fußballverrücktheit
Zum einen liegt das an der Fußballbegeisterung, die in Italien ungebrochen ist. Nahezu jeder Italiener hängt einem Serie A – Club an. In kleineren Orten ist man zwar in erster Linie Unterstützer der ansässigen Mannschaft, zusätzlich jedoch gibt es einen Verein in der ersten Liga, mit dem man mitfiebert. Oft geht es dabei nicht nur um das Team oder den Trainer, vielmehr birgt jeder Verein eine gewisse Lebensphilosophie, mit der es sich zu identifizieren gilt. So beschimpfen die Napoli-Anhänger die Juventus-Fans als reiche Snobs, die mit dem Calcio nichts zu tun hätten. Andersherum bezeichnen die Bianco-Neri die Napoletaner als verkommene Proleten, die in einer stinkenden Stadt leben.
Zu erkennen ist jedenfalls, dass sich nur eine kaum zu beachtende Minderheit nicht täglich mit Fußball auseinandersetzt. Sei es durch reine Sportzeitungen (die ""Gazzetta dello Sport" beispielsweise erscheint täglich) oder in den übrigen Tagesblättern mit ausgeprägtem Sportteil sowie in Internet und Fernsehen ist es schwieriger als in Deutschland sich dem Fußball zu entziehen. Dass die italienischen Erstligastadien dennoch häufig schlecht besucht sind, ist wohl den Ticketpreisen, den veralteten Sportstätten und der ausgeprägten Fernsehberichterstattung geschuldet. Außerdem ist Gewalt an der Tagesordnung, was einen Familienbesuch in der Arena zu einem unkalkulierbaren Risiko werden lässt.
Die Squadra Azzurra
Im Hinblick auf die Nationalmannschaft sind sich die Italiener jedoch einig. Hier stehen sie Schulter an Schulter zusammen. Bei jedem public-viewing stehen alle Arm in Arm und schmettern voller Inbrunst die zugegebenermaßen wunderschöne, vor Pathos strotzende Hymne.
Spätestens nach dem Sieg gegen die Engländer schmückt mindestens eine grün-weiß-rote Flagge jeden italienischen Balkon. Auch die Squadra Azzurra scheint zueinandergefunden zu haben. Selbst der sonst so coole und gelassene Balotelli konnte seine Show nicht mehr aufrecht erhalten, als Diamanti den entscheidenden Elfer gegen Hart verwandelte. Das sizilianische Städtchen Trapani verwandelte sich nach Abpfiff in ein tosendes Orchester aus Vuvuzelas, Trompeten und Hupen. Ganz Italien feierte den Virtuosen Pirlo wie einen Heiligen und das nicht wegen seiner Frisur, sondern wegen seines Löfflers (cucchiai(in)o) - wie die Südländer zu sagen pflegen. Die "Gazzetta dello Sport" schrieb in Anlehnung an Totti (#Euro2000) in großen Lettern : "IL CUCCHIAIO D'ITALIA".
In der Prognose für das Halbfinale herrscht auch weitestgehend Einigkeit. Die Deutschen sind sehr stark, aber wir schlagen sie im Elfmeterschießen, behauptet der Supermarktbesitzer von nebenan. Sein Sohn pflichtet ihm sofort bei. Die Deutschen hätten zwar die besseren Einzelspieler, wir hätten aber die bessere „squadra". Der Tabacchino in Palermo schiebt den Deutschen zwar wohlwollend die Favoritenrolle zu, sagt aber, Balzaretti werde Müller aus dem Spiel nehmen, wodurch Löw's Mannen an entscheidender Durchschlagskraft und Kreativität verlören. Dass besagter Linksverteidiger bei US Palermo spielt, sei auch noch bemerkt, aber das spielte in den Gedanken des Sizilianers sicher keine Rolle.
Einzig ein UNICEF-Beauftragter, der Spenden für Kinder in Afrika auftreiben will, lässt sich schnell vom Sieg der Deutschen überzeugen. Für eine Spende von fünf Euro verspricht er, für die Schwarz-Weißen zu beten.
Ob das nun symbolisch für die Käuflichkeit Einzelner im italienischen Profisport ist, sei dahingestellt. Nur die wenigsten der Italiener jedenfalls sind in Bezug auf die Squadra Azzurra kompromissbereit. Nicht umsonst brüllte der italienische Löwe im Duell gegen die three Lions deutlich lauter.
Zu hoffen wäre, dass er sich gegen Xavi, Iniesta, Gerrard, Cole und Co. im Laufe des Turnieres schon satt gefressen hat. Außerdem hat die deutsche Mannschaft in ihrem Trainer Joachim schon dem Namen nach einen Artgenossen entgegenzusetzen. In diesem Sinne: Andiamo Löw !
Fußballverrücktheit
Zum einen liegt das an der Fußballbegeisterung, die in Italien ungebrochen ist. Nahezu jeder Italiener hängt einem Serie A – Club an. In kleineren Orten ist man zwar in erster Linie Unterstützer der ansässigen Mannschaft, zusätzlich jedoch gibt es einen Verein in der ersten Liga, mit dem man mitfiebert. Oft geht es dabei nicht nur um das Team oder den Trainer, vielmehr birgt jeder Verein eine gewisse Lebensphilosophie, mit der es sich zu identifizieren gilt. So beschimpfen die Napoli-Anhänger die Juventus-Fans als reiche Snobs, die mit dem Calcio nichts zu tun hätten. Andersherum bezeichnen die Bianco-Neri die Napoletaner als verkommene Proleten, die in einer stinkenden Stadt leben.
Zu erkennen ist jedenfalls, dass sich nur eine kaum zu beachtende Minderheit nicht täglich mit Fußball auseinandersetzt. Sei es durch reine Sportzeitungen (die ""Gazzetta dello Sport" beispielsweise erscheint täglich) oder in den übrigen Tagesblättern mit ausgeprägtem Sportteil sowie in Internet und Fernsehen ist es schwieriger als in Deutschland sich dem Fußball zu entziehen. Dass die italienischen Erstligastadien dennoch häufig schlecht besucht sind, ist wohl den Ticketpreisen, den veralteten Sportstätten und der ausgeprägten Fernsehberichterstattung geschuldet. Außerdem ist Gewalt an der Tagesordnung, was einen Familienbesuch in der Arena zu einem unkalkulierbaren Risiko werden lässt.
Die Squadra Azzurra
Im Hinblick auf die Nationalmannschaft sind sich die Italiener jedoch einig. Hier stehen sie Schulter an Schulter zusammen. Bei jedem public-viewing stehen alle Arm in Arm und schmettern voller Inbrunst die zugegebenermaßen wunderschöne, vor Pathos strotzende Hymne.
Spätestens nach dem Sieg gegen die Engländer schmückt mindestens eine grün-weiß-rote Flagge jeden italienischen Balkon. Auch die Squadra Azzurra scheint zueinandergefunden zu haben. Selbst der sonst so coole und gelassene Balotelli konnte seine Show nicht mehr aufrecht erhalten, als Diamanti den entscheidenden Elfer gegen Hart verwandelte. Das sizilianische Städtchen Trapani verwandelte sich nach Abpfiff in ein tosendes Orchester aus Vuvuzelas, Trompeten und Hupen. Ganz Italien feierte den Virtuosen Pirlo wie einen Heiligen und das nicht wegen seiner Frisur, sondern wegen seines Löfflers (cucchiai(in)o) - wie die Südländer zu sagen pflegen. Die "Gazzetta dello Sport" schrieb in Anlehnung an Totti (#Euro2000) in großen Lettern : "IL CUCCHIAIO D'ITALIA".
In der Prognose für das Halbfinale herrscht auch weitestgehend Einigkeit. Die Deutschen sind sehr stark, aber wir schlagen sie im Elfmeterschießen, behauptet der Supermarktbesitzer von nebenan. Sein Sohn pflichtet ihm sofort bei. Die Deutschen hätten zwar die besseren Einzelspieler, wir hätten aber die bessere „squadra". Der Tabacchino in Palermo schiebt den Deutschen zwar wohlwollend die Favoritenrolle zu, sagt aber, Balzaretti werde Müller aus dem Spiel nehmen, wodurch Löw's Mannen an entscheidender Durchschlagskraft und Kreativität verlören. Dass besagter Linksverteidiger bei US Palermo spielt, sei auch noch bemerkt, aber das spielte in den Gedanken des Sizilianers sicher keine Rolle.
Einzig ein UNICEF-Beauftragter, der Spenden für Kinder in Afrika auftreiben will, lässt sich schnell vom Sieg der Deutschen überzeugen. Für eine Spende von fünf Euro verspricht er, für die Schwarz-Weißen zu beten.
Ob das nun symbolisch für die Käuflichkeit Einzelner im italienischen Profisport ist, sei dahingestellt. Nur die wenigsten der Italiener jedenfalls sind in Bezug auf die Squadra Azzurra kompromissbereit. Nicht umsonst brüllte der italienische Löwe im Duell gegen die three Lions deutlich lauter.
Zu hoffen wäre, dass er sich gegen Xavi, Iniesta, Gerrard, Cole und Co. im Laufe des Turnieres schon satt gefressen hat. Außerdem hat die deutsche Mannschaft in ihrem Trainer Joachim schon dem Namen nach einen Artgenossen entgegenzusetzen. In diesem Sinne: Andiamo Löw !
Aufrufe: 1627 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 1 | Erstellt:28.06.2012
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